Название: Norderende
Автор: Tim Herden
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783954623686
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„Na, der Bauunternehmer!“
„Und?“
„Er ist der beste Freund des Bürgermeisters.“
Da klingelten auch bei Rieder die Alarmglocken.
III
Die Neugierde hatte Malte Fittkau zu Rieders Haus getrieben. „Mensch, Dora, was machste hier schon wieder für einen Krach?“
„Kümmer dich um deinen eigenen Kram!“, raunzte sie Fittkau an.
Fittkau und Ekkehard waren ebenfalls Nachbarn. Ihre Grundstücke stießen hinter Rieders Haus aneinander. Sie verstanden sich aber nicht besonders gut. Immer wieder gab es Streit. Jetzt ging es um einen umgestürzten Baum. Ein Frühjahrssturm hatte eine Erle auf Doras Grundstück umgeknickt. Der Baum war aber auf Maltes Wiese gekracht und hatte seine Äste in die Wiese gebohrt. Wochenlang war nichts passiert. Dora hatte behauptet, keine Säge zu besitzen, um den Baum zu zerkleinern. Malte hätte eine gehabt, aber sie war zu stolz, ihn zu fragen.
Irgendwann hatte es Malte Fittkau gereicht. Er hatte den Baum zersägt und das Holz in einen seiner zahlreichen Holzschober gestapelt. Das hatte wiederum Dora auf die Palme gebracht. Sie hatte Fittkau wegen Diebstahls angezeigt. Es war Rieder äußerst peinlich gewesen, Malte Fittkau vorzuladen und zu vernehmen. Sein Nachbar hatte geltend gemacht, dass er nach altem Hiddenseer Strandrecht gehandelt hätte. Immerhin wäre der Baum auf seinem Grundstück gestrandet, wie ein Schiff am Strand, und damit sei das Holz nun sein Eigentum. Er würde es auf keinen Fall zurückgeben. Rieder unternahm nun eine Art Pendeldiplomatie zwischen den Grundstücken seiner beiden Nachbarn. Er versuchte einen Kompromiss zu finden. Aber Dora wollte das Holz zurück, und Malte wollte es behalten. Die Fronten waren verhärtet. Beide gingen sich auf der Insel aus dem Weg. Malte benutzte nicht mehr seine Gartenpforte am Wiesenweg, wenn er zum Supermarkt oder zum Strand wollte. Er nahm nun immer den zweiten Ausgang seines Grundstücks an der Sprenge, auch wenn das ein Umweg war. Dora Ekkehard tat es ihm gleich. Auch ihr Grundstück hatte einen Ausgang zum Wiesenweg und zur Sprenge. Eigentlich war es über die Sprenge kürzer, die neu ankommenden Filme bei der Insellogistik im Vitter Hafen abzuholen. Doch nun fuhr sie mit ihrem Fahrrad immer durch den Wiesenweg. Passierte es, dass sie sich an der Kreuzung Wallweg und Wiesenweg begegneten, dann schaute jeder in die entgegengesetzte Richtung. So war ihr Gespräch das erste, das beide seit Monaten miteinander führten.
Rieder kam gerade aus dem Haus, als sich die beiden angifteten. „Ich hoffe, du erstickst an deinen stinkenden Aalen!“, stichelte Dora. Fittkau nahm das Erlenholz zum Räuchern, und Rieder hatte den Verdacht, so ganz ungelegen war ihm der umgestürzte Baum nicht gekommen.
„Da kannst du lange warten. Ich warte immer noch, dass du mir den Schaden auf meiner Wiese bezahlst. Kannst ja die Kinopreise erhöhen, wenn du nicht flüssig bist.“
Rieder ging dazwischen. „Immer mit der Ruhe!“, rief er. Malte und Dora starrten ihn an.
„Können wir los?“, fragte er die Kinofrau.
Sie schwangen sich auf die Räder und fuhren den Wiesenweg hinunter Richtung Rathaus. Für ihr Alter, Anfang siebzig, legte die Kinofrau ein beachtliches Tempo vor. Rieder konnte kaum mithalten. Dora Ekkehard war eine Institution auf der Insel. Seit über vierzig Jahren betrieb sie zwischen Mai und Oktober das Zeltkino auf Hiddensee. Rieder selbst konnte sich noch erinnern, wie er Ende der sechziger Jahre als Kind mit seinen Eltern und seinen Brüdern auf der Insel Urlaub gemacht hatte. Schon damals verkaufte Dora die Karten für das Kino an dem kleinen Holzschalter vor dem großen halbrunden Zelt. Rieder wusste sogar noch den Titel des Films, den er mit seinem Bruder gesehen hatte: „Husaren in Berlin“. Mit Manfred Krug. Doras Gesicht hatte sich ihm eingeprägt. Er hatte sie deshalb sofort wiedererkannt, als er sie das erste Mal als Polizist auf der Insel wiedertraf. Einige der Urlauber in den Ferienwohnungen in der Nähe des Zeltkinos hatten sich bei der Polizei über den Lärm der Filmvorführungen bei den Spätvorstellungen beschwert. Dora war wütend geworden. „Dann sollen sie doch im Atombunker Urlaub machen. Da ist es hübsch still. Oder soll ich vielleicht Stummfilme zeigen, damit diese Typen ihre Ruhe haben?“ So war sie. Direkt und geradeheraus.
Sie bogen am Rathaus auf die Hauptstraße ein. Hier am nördlichen Ende des Ortes hieß sie Norderende. Das südliche nannten die Hiddenseer dementsprechend Süderende. An der Bernsteinwerkstatt fuhren sie nach links. Ein schmaler Pfad führte zwischen dünnen Bäumchen und Gestrüpp zum Kino. Im Dunkeln wirkte der Weg auf Rieder unheimlich. Auf dem kleinen Vorplatz standen einige Grüppchen herum. Sie diskutierten heftig miteinander. Gleichzeitig mit Rieder und Dora kam auch Damp mit dem Streifenwagen der Inselpolizei an. Das rotierende Blaulicht sorgte für neue Aufregung. Damp sprang aus dem Auto und stürmte auf Rieder zu: „Gibt’s schon was Neues?“
„Wir sind auch gerade erst angekommen.“
„Haben Sie schon Durk angerufen?“, fragte der Inselpolizist beinahe ängstlich. Michael Durk war der Inselbürgermeister.
„Noch nicht. Wir sollten erstmal die Lage klären.“ Rieder wandte sich an Dora Ekkehard. „Gehen Sie doch mal voraus zum Kino. Sie kennen sich ja aus.“
„Er liegt nicht im Kino.“ Dora zeigte in Richtung Strand. „Er liegt hinten im Dünenwäldchen.“
Gemeinsam bahnten sie sich den Weg durch die Menschen. Die ersten Gerüchte machten bereits die Runde.
„Die sollen einen erschossen haben.“
„Ich hab’ gehört, die haben ein altes Gerippe gefunden. Soll wohl noch ’ne Uniform anhaben.“
„Nee, das ist ein angetriebener Schwarzer, wahrscheinlich ein Asylant.“
„Na das hat uns gerade noch gefehlt, dass das jetzt hier so anfängt wie im Mittelmeer ...“
Vor dem Pfad zum Dünenwäldchen blockierte der Krankenwagen den Weg. Der Fahrer saß rauchend im Auto. Als er Rieder, Damp und Ekkehard kommen sah, winkte er kurz, startete das Auto, damit die drei vorbeikonnten auf den Pfad.
Damp hatte eine Taschenlampe aus dem Polizeiwagen mitgebracht, doch als er sie nun anschalten wollte, um in der Dunkelheit den Weg zu beleuchten, blieb sie dunkel. Immer wieder schob er fluchend den Schalter vor und zurück. Nichts tat sich.
„Kein Wunder, wenn Sie nachts immer so viele Bußgeldbescheide ausstellen“, meinte Rieder lakonisch Er spielte auf die Lieblingsbeschäftigung seines Kollegen an. Mit Übereifer sorgte er sich um die Verkehrssicherheit der Fahrräder. Das Hauptverkehrsmittel auf der Insel. Dazu legte er sich besonders gern nachts am Rande der Straßen zwischen Neuendorf, Vitte und Kloster auf die Lauer, um uneinsichtige Insulaner und überraschte Urlauber zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie auf ihren Rädern ohne Licht über die Insel fuhren. Rieder war zu Ohren gekommen, dass er es in einer der letzten Nächte besonders arg getrieben haben musste. Vierzig Bußgeldbescheide sollte Damp bei seiner nächtlichen Kontrolle ausgestellt haben. Wahrscheinlich war deshalb die Batterie der Taschenlampe leer. Damp widersprach: „Ach Quatsch, das mache ich doch im Auto. Die Batterie muss feucht geworden sein.“
„Dann wird auch bald die Batterie vom Steifenwagen leer sein“, prophezeite Rieder. Auch wenn Damp täglich den etwas altersschwachen Passat benutzte, um die wenigen Kilometer zwischen seiner Wohnung in Neuendorf und dem Revier in Vitte zu fahren, reichte das bestimmt nicht aus, um die Autobatterie wieder aufzuladen.
Damp begann die Taschenlampe im Dunkeln auseinanderzuschrauben. СКАЧАТЬ