Führerin. Gregor Eisenhauer
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Название: Führerin

Автор: Gregor Eisenhauer

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783954622962

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СКАЧАТЬ nahezu weltweit in jedem Land eine kleine schlagkräftige Einheit operieren konnte. Ihr Ziel? Fanatiker heranzuziehen. Herrenmenschen, Instrukteure des Grauens. Glauben Sie mir eins: Krebszellen vermehrten sich schon immer schneller als gesunde Zellen!»

      Klimt musterte mit einem bösen Rundumblick all jene, die zweifelnd den Kopf schüttelten, und das waren nicht wenige. «Ich weiß, in der verkürzenden Überschau klingt das verwegen, wenn nicht gar ein wenig romanhaft: Instrukteure des Grauens. Nun ja, aus eigener Kraft, meine Damen und Herren, wird keiner zum Fanatiker. Es braucht immer einen Geburtshelfer des Wahnsinns. Wer, glauben Sie wohl, hat Charles Manson auf die Idee gebracht, Sharon Tate mitsamt ihrem ungeborenen Kind abschlachten zu lassen, diesen blonden Engel an der Seite des Juden Roman Polanski, dessen Mutter, im sechsten Monat schwanger, nach Auschwitz deportiert worden war. History repeats!»

      Bei den letzten Worten Klimts erlosch erneut das Licht. Auf der Leinwand hinter ihm wuchsen aus einem nebeligen Grau die Türme des World Trade Centers, bis sie im überscharfen Kontrast den Raum zu dominieren drohten. Klimt schien es gar nicht zu bemerken, sondern fuhr ungerührt in seinem Text fort.

      «Die einzig verlässliche Macht, das einzig Berechenbare und somit Beherrschbare im Menschen ist das Böse. Es geht um das Neue Testament, um das Neue Testament des Schreckens. Sie glauben mir nicht? Nur weil ich paranoid bin, heißt das nicht, dass mich keiner verfolgt.»

      Klimts Kichern blieb ohne Echo beim Publikum, aber darauf hatte er auch nicht gehofft. Er nahm einen Schluck Wasser, räusperte sich und fuhr in ruhigem Tonfall fort.

      «Die Zerstörung des World Trade Centers. Die Schleifung des Turms zu Babel. Meine Damen und Herren, was glauben Sie, wie viele Verschwörungstheorien sind derzeit im Umlauf? Unzählige, versteht sich, Unzählige. Eine abstruser als die andere, und doch haben sie eins gemein: den Zweifel an der Fähigkeit einer kleinen islamischen Terrorgruppe, einen solch genialen Anschlag zu planen und durchzuführen. Dieser Zweifel ist begründet! Die Terrorgruppe des Herrn Mohammed Atta hätte, auf sich allein gestellt, nicht einmal einen Supermarkt in Brand setzen können. Was mich so sicher macht? Sehen Sie in die Gesichter dieser Männer, studieren Sie ihre Lebensläufe, das waren Befehlsempfänger! Fragt sich zwangsläufig: Wer waren ihre Instrukteure? Das Pentagon, das Weiße Haus, das World Trade Center, die Trias der amerikanischen Macht, das politische, das wirtschaftliche, das militärische Haupt mit einem Schlag geköpft! Wir sind uns über die Schändlichkeit dieses Anschlags einig, sicher, aber was für ein genialer Plan. Ausgeheckt von kamelreitenden Islamisten – lächerlich!

      Das Böse ist vor Ort, sei es in Gestalt eines scheinbar geistig verwirrten Handlangers wie Charles Manson oder einer hocheffizienten Hamburger Terrororganisation, die eben nicht den Namen Osama Bin Ladens trägt. Ich kann verstehen, wenn Sie Beweise fordern – Sie werden mich verstehen, wenn ich im Interesse meiner ganz persönlichen Dramaturgie diese Beweise erst im nächsten Vortrag vorlege. Die finale Demütigung der Siegermacht Amerika, das war ein Ziel der ‹Operation Barabbas› – und es wäre ihnen beinah gelungen. Nun ja, den Rest erledigt die Gier der Wall Street, was Rosenberg übrigens schon in den Zwanzigerjahren vorhergesagt hat. Das zweite Ziel der ‹Operation Barabbas›: die Vernichtung des Staates Israel. Da stehen die Chancen schon besser. Ersparen Sie mir ihre Unmutsäußerungen, ich weiß, es klingt zynisch, was ich vorzutragen habe, aber Sie können mir nicht den Zynismus der Fakten anlasten.

      Fakt ist: Die Gründung des Staates Israel wurde von den Juden weltweit als Emanzipationsakt gefeiert. Man glaubte sich sicher im eigenen, im gelobten Land. Das ist die eine Sehweise. Nun die andere: Werfen Sie einen Blick auf die Landkarte des Nahen Ostens, vergegenwärtigen Sie sich die Größe des Staates Israel, seine Grenzziehungen, eingeschlossen vom Meer, von der Wüste, von feindlichen Nachbarn. Dieser Staat Israel ist ein ziviles Konzentrationslager, geleitet in eigener Regie, immerhin, aber nichtsdestotrotz ein großes, komfortables Gefängnis mit erschwertem Freigang.»

      Das feindselige Flüstern im Publikum wurde zum Raunen, empörte Zwischenrufe, einige drängten zum Ausgang, andere machten Anstalten, das Podium zu stürmen. Klimt, dem die Anstrengung des Vortrags inzwischen deutlich anzusehen war, richtete sich auf und schrie ins Mikrofon.

      «Stopp. Schluss mit Ihrem dummen Gezeter! Hören Sie mich zu Ende an! Fakten! Erster Fakt: Israel ist ein One-Bomb-Country, so die militärische Ausdrucksweise, die nichts anderes besagen will, als dass eine Atombombe genügt, den Staat der Juden vom Erdboden verschwinden zu lassen. Zweiter Fakt: Der Iran, da sind sich alle Geheimdienste dieser Welt einig, wird in spätestens fünf Jahren über die Bombe verfügen, und das nicht zuletzt dank der Beihilfe deutscher Wirtschaftsunternehmen, die jahrzehntelang enge Verbindungen zum Iran pflegten! Es versteht sich, dass die ‹Operation Barabbas› ihren Teil, den entscheidenden Teil, dazu beigetragen hat. Die Bombe, meine Damen und Herren, wird fallen! Israel wird vernichtet werden.»

      Klimt wischte sich mit einem Taschentuch die schweißnasse Stirn und fuhr mit erschöpfter Stimme fort.

      «In meinem nächsten Vortrag werden Sie erfahren, wer genau die Drahtzieher sind! Aber ich fürchte, dazu wird es leider nicht kommen … Denn meine Ermordung steht unmittelbar bevor!» Klimts letzte Worte gingen im allgemeinen Tumult fast unter. Die Ordner öffneten eilends die Türen. Der Sekretär zog Klimt zu einem der hinteren Ausgänge, seine Bodyguards stellten sich drohend davor.

      «Irrsinn, das ist der totale Irrsinn!» Die Stimmen im Journalistenraum gingen wild durcheinander. «Der Mann ist durchgeknallt.» – «Ganz Israel ein KZ – das ist immerhin eine hammergeile Schlagzeile.» – «Der hat sich um Kopf und Kragen geredet!»

      Es war keine Empörung zu spüren, eher Genugtuung, dass sich hier einer selbst hingerichtet hatte und die Story nun genüsslich ausgeschlachtet werden konnte.

      Kehrtmann hatte sich mit Martina Claasen in eine stillere Ecke des Raums zurückgezogen. Vor ihnen ein Monitor, auf dem das Standbild von Klimts Abgang eingefroren schien.

      «So was Irrsinniges hab ich lange nicht gehört!» Martina schüttelte verständnislos den Kopf.

      «Nun ja, diesen Vorwurf musste sich Kopernikus auch gefallen lassen.»

      «Sie wollen doch nicht andeuten, dass Sie auch nur ein Wort von diesem Merchandising-Gequatsche ernst nehmen! Der will sein Buch verkaufen, mehr nicht!»

      «Ich stelle zunächst einmal fest, dass Sie viel zu emotional reagieren, wie übrigens die meisten im Publikum. Ich stelle weiter fest, dass Klimt eine interessante Perspektivenverschiebung gelungen ist, er sieht die Dinge aus einem anderen Blickwinkel, was drittens, wenn ich Sie erinnern darf, genau unser Job ist. Fragen stellen, interessante Fragen stellen, die die Dinge durchaus auch mal auf den Kopf stellen dürfen.»

      Martina sah ihren Chef an, als wäre er ihr geradewegs vom Planet der Unwissenden direkt vor die Füße gefallen. Er seinerseits wirkte hingegen einfach nur amüsiert.

      «Klimt ist ein Unsympath der Sonderklasse, das gestehe ich Ihnen sofort zu, aber was sagt das über die Qualität seiner Argumente?»

      «Das kann ich Ihnen sagen.» Martina äffte Kehrtmanns Tonfall nach. «Weil ich Ihnen zuliebe den doch sehr vagen Begriff Unsympath präzisieren kann: Er ist ein egomanisches, hypercholerisches Superarschloch! Was sagt das über seine Argumentation? Ganz einfach, wenn er die Wahl hat, wird er immer das spektakulärere Faktum, das schillerndere Argument, den irrsinnigeren Beweis wählen, weil er sich selbst damit besser ins Scheinwerferlicht rücken kann. Er ist kein Wissenschaftler, sondern ein profitgeiler Hochstapler!» Martina Claasen fuhr sich gewohnheitsmäßig durch die Haare, Kehrtmann lächelte ein wenig seltsam. Sie hoffte für ihn, dass sich dieses Lächeln auf ihre Worte und nicht auf ihre Frisur bezog. Sie fand ihre kurzen Haare schrecklich hässlich, und obwohl sie selbst wusste, dass es völliger Unsinn war, glaubte sie, dass es allen anderen genauso ging.

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