Название: Folgen einer Landpartie
Автор: Bernhard Spring
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежные детективы
isbn: 9783954621996
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Kopfschüttelnd trat er vom Fenster weg und nahm seine Säuberung langsam auf, obwohl er wusste, dass man ihn bereits erwartete. Undine kam ihm in den Sinn. Er hatte sie noch nicht gesehen, obwohl ihm Botfeld versichert hatte, dass sie anwesend sei. Ob sie ihn, ebenso wie die Magd den Diener, beiläufig und vielleicht sogar etwas geringschätzig behandeln würde?
V.
Eichendorff war den Umgang mit der Schrotflinte zwar gewohnt, doch lag ihm das Reiten um einiges mehr am Herzen. Ja, Wilhelm, der hätte wesentlich mehr geschossen, aber ihm selbst fehlten die Übung und vielleicht auch der Ehrgeiz, um wirklich erfolgreich zu sein. Zwar interessierte er sich für Vogelvieh wie auch für alle Jagd- und Nutztiere, doch fing er sie lieber lebendig mit Schlingen, um ihre Gewohnheiten zu beobachten und sie zu halten, und so kam es, dass, obwohl ihm Jakob immer wieder den schussbereiten Vorderlader reichte, es eindeutig Botfeld war, der öfter eine Ente erwischte.
Eichendorff erkundete hingegen die ihn umgebende Natur, die um Geusau herum so verschieden von den staubigen Feldern bei Halle war. Hier lag alles in ständigem Kontakt mit dem Wasser, das große Teile des Landes fußtief überzog und Birken und Erlen gespenstisch wie nach einer Sintflut aus sich herausragen ließ. Die fruchtbaren Äcker, etwas höher gelegen, befanden sich im Norden des Dorfes, wie Eichendorff in Erfahrung gebracht hatte, und selbst diese wurden in unregelmäßigen Abständen überschwemmt. Im Süden jedoch, wohin ihn Botfeld geführt hatte, stand lichter Wald auf schmalen Erhebungen, die wie Inseln auf dem Wasser lagen. Die Jagdhunde hatten allesamt schon nach kurzer Zeit triefend nasse Bäuche und Eichendorff war froh, seine hohen Stiefel angezogen zu haben.
Es war eine urzeitliche, lebendige Landschaft voller kleiner Wunder, für die Botfeld kein Interesse zu haben schien. Zwar unterhielten sie sich prächtig über die lokale Flora, über Wettereinbrüche und die allgemein zurückgehende Artenvielfalt, doch schien Botfeld kein wahrer Pflanzenmensch zu sein. Er betrachtete das, was sich ihm darbot, als Hindernis, das es mit dem Pferd, der Barke und zu Fuß zu überwinden galt, mit Jagdhunden, Steinschlossflinten und einem gewissen Tatendrang, der an Abenteuerlust zu grenzen schien. Eichendorff vermutete in ihm einen Menschen, der sich immer nur teilweise ausleben könnte. Hier, im feuchten Wald, war der historisch belesene Botfeld vergessen und nichts verriet den auf Haltung und Abstammung bedachten Mann. Hier lebte er den versierten Jäger in sich aus, der gern mit den Kameraden plauderte, einen Einblick in seine Fertigkeiten gab, jedoch kein Auge für Sauerampfer, Wasserspiegelungen oder landschaftliche Stimmungen hatte. Botfeld war auf der Pirsch und faszinierte Eichendorff durch seine völlige Loslösung von allem, was nichts mit Jagd zu tun hatte.
»Wir haben Glück mit dem Wetter, mein Freund«, erklärte Botfeld. »An manchen Tagen ist die Sicht so trübe, da lassen sich die Enten kaum von der Wasseroberfläche unterscheiden. Und trotzdem müssten Sie sofort abdrücken, auch wenn Sie sich nicht sicher wären, auf was Sie überhaupt zielen, denn das Pulver wird durch die Luft in wenigen Augenblicken feucht.«
Eichendorff stopfte sich lachend eine Pfeife. »Dann bliebe mir wenigstens das blamable Ergebnis meiner Bemühungen erspart.«
Aber Botfeld wiegelte ab. »Seien Sie nicht so streng mit sich. Entenjagd ist nicht jedermanns Sache. In Schlesien haben Sie es vielleicht eher auf Rotwild abgesehen.«
Eichendorff zog den Tabakrauch tief ein und schüttelte dabei verneinend den Kopf. »Ich bin nicht zur passionierten Jagd gemacht. Übrigens auch nicht zum Jäger.«
Botfeld schmunzelte über dieses kleine Wortspiel und hakte sich bei dem Freund unter.
Schließlich brachen sie die Jagd ab, nachdem sie ein kleines Waldstück vollständig durchstreift hatten und zwischen den Bäumen bereits eine benachbarte Siedlung erkennen konnten.
»Dort liegt Atzendorf, Bistumsgebiet«, meinte Botfeld und deutete zwischen den Bäumen entlang. »Seit der Reformation wird es von dem Dompropst verwaltet. Es sind die großen Herren wie er, die uns Kleinen zu schaffen machen. Hier ist es der Propst und im Osten ist es der sächsische Kurfürst. Sie zerreiben uns allmählich zwischen ihren Grenzen. Lassen Sie uns umkehren, Eichendorff.«
Damit machten sie kehrt und unterhielten sich über die Probleme der Ständepolitik, wobei freilich Botfeld wesentlich mehr beizutragen hatte. Eichendorff stellte anerkennend fest, dass der Gleichaltrige wesentlich informierter und engagierter in die Familiengeschicke eingriff, während er selbst von den wirtschaftlichen und politischen Verwicklungen seiner Familie nahezu unbetroffen geblieben war. In Botfeld sah er einen jungen, aufgeschlossenen Mann, der ihn an seinen Bruder Wilhelm erinnerte, nur dass diesem das gelegentlich Ausschweifende angekreidet werden musste, was Botfeld offenbar gänzlich abging. Er war ein ernster, strebsamer Mann, der selbst in diesem nebensächlichen Moment, als die Jagdhelfer nach und nach zusammenkamen und die erlegten Enten präsentierten, höchst aufmerksam das um ihn herum Geschehende verfolgte. Eichendorff spürte die verborgene Anspannung, die in ihm steckte, die ihn so männlich und gereift erscheinen ließ, und kam sich verträumt und albern vor, wenn er an die winzigen Zeilen dachte, die er vor Tagen im Gedenken an Undine geschrieben hatte.
In der stillen Pracht
In allen frischen Büschen und Bäumen …
Nach dem Auszählen der Enten wurde die Jagd für beendet erklärt. Die Jagdhelfer sammelten die Gerätschaften auf einen Einspanner, nahmen den Bediensteten die Flinten ab und führten den Wagen zurück zum Gut. Da sich Jakob ihnen anschloss, blieben Eichendorff und Botfeld allein. Sie hatten es nicht eilig, denn zum einen war der Weg ein kurzer, zum anderen aber erwartete sie nichts Dringliches in Geusau. Mit großem Interesse folgte Eichendorff den Beschreibungen Botfelds, der sich über die Gemeinde ausließ und sie mit anderen familiären Besitzungen verglich. Als Eichendorff aber auf seine Familiengüter angesprochen wurde, konnte er nicht viel Konkretes sagen. Wenn er an Lubowitz dachte, kamen ihm Reitausflüge über die väterlichen Güter in den Sinn, er erinnerte sich der gebildeten Mutter, die ihm gemeinsam mit den Mädchen das Lesen schmackhaft gemacht hatte, bis sie bedauerte, dass er zu viel Gefallen daran gefunden, wodurch er einen etwas einfältigen Charakter bekommen hätte. Auch von Breslau erzählte er Botfeld, konnte aber selber keinen Gefallen an seinem Bericht finden, denn für Eichendorff war die Metropole eine karge Handelsstadt voll der Zwänge und Etiketten seiner katholischen Gymnasialzeit. Erst in Halle, und hier schloss sich die kurze Erzählung Eichendorffs, fühlte er eine nahezu grenzenlose Freiheit, die sich ihm trotz der stillen Aufsicht durch seinen Bruder Wilhelm und natürlich durch Jakob bot. Diese bislang unbekannte Selbstständigkeit schrieb er weniger der Stadt Halle, die ja eigentlich provinziell und austauschbar war, sondern vielmehr dem Studentendasein an sich zu, das Ansehen und Wohlwollen zugleich versprach. Botfeld war derselben Meinung, und beschwingt von der Erkenntnis, ein für ihre Verhältnisse unglaublich freies Leben zu führen, trafen sie in Geusau ein.
VI.
Als sie den Wirtschaftshof des Gutes betraten, fiel ihnen sofort die allgemeine Unruhe unter den umhereilenden Bediensteten auf. Das Dorf hatte ihnen noch keinerlei Eindruck der Sensation gegeben, hier aber, auf dem Gut, lag eine Verwirrung in der Luft, die Botfeld und Eichendorff gleichermaßen die eben noch empfundene Freude nahm.
Einer der Diener eilte, sowie er Botfeld bemerkte, auf ihn zu. »Herr, es ist ein Unglück СКАЧАТЬ