Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland
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      14

      Während der beiden nächsten Tage rumorte es in Chicago gewaltig.

      Ich meine nicht das Gewitter, das auf unsere Stadt niederging. Es war gut, dass es wieder einmal so richtig regnete. Wir wären ohnedies fast schon im Staub erstickt. Ich meine ein anderes Gewitter.

      Inzwischen wussten wir von zwanzig Leuten, die die gleichen Erpresserbriefe erhalten hatten wie Akim Kelly und Mary Scott.

      Selbstverständlich hatte der Tod dieser beiden Menschen nicht geheimgehalten werden können. Es war auch durchgesickert, weshalb sie gestorben waren. Ein cleverer Presseheini findet immer eine Stelle, die er anzapfen kann.

      Susan und ich vermuteten, dass es noch einige Erpresserbriefe mehr gab als bloß diese zwanzig. Wir waren fast sicher, dass es Leute gab, die einen solchen Brief zwar erhalten hatten, dies aber aus Angst vor einem Schicksal, wie es Mary Scott und Akim Kelly erleiden mussten, geheimhielten.

      Wie immer machten die Zeitungen aus dem ohnehin schon beängstigend großen Floh einen schrecklichen Elefanten. Sie bauschten die beiden Morde fürchterlich auf. Die reichen Leute von Chicago schliefen nachts nur noch mit einem geschlossenen Auge.

      Rundfunk und Fernsehen heizten den Fall ebenfalls mächtig an. Das Feuer loderte an allen Ecken und Enden. Wohin man griff, verbrannte man sich gehörig die Finger.

      Die City Police arbeitete fieberhaft.

      Der Chauffeur James wurde immer wieder unter die Lampen geholt. Sie röntgten ihn, nahmen ihn buchstäblich auseinander, um zu sehen, wie er innen aussah. Sie quälten ihn mit ihren Fragen. Er erlitt abermals einen Herzanfall, musste ins Spital gebracht werden. Da lag er nun, und die Polizisten warteten darauf, bis der Arzt ihnen mit einem Kopfnicken anzeigte, dass sie sich wieder auf ihn stürzen durften.

      Auch der FBI hatte sich eingeschaltet. Ganz Chicago war ein Bienenstock, an den ein unbekannter Pyromane Feuer gelegt hatte. Aufrufe ergingen an die Bevölkerung. Razzien wurden durchgeführt, Leute wurden pausenlos verhört, vorwiegend natürlich jene Passagiere, die sich in dem Flugzeug befunden hatten, in dem Akim Kelly das Zeitliche gesegnet hatte.

      Nun erfuhr auch Susan, um was für ein Flugzeug es sich hierbei gehandelt hatte.

      Mehr brauchte ich gar nicht zu meinem Glück. Ich bekam Sachen von meiner Partnerin zu hören, die vom Sittenstrolch abwärts gingen.

      Doch das ganze irre Treiben brachte nichts ein. Kein Aufruf nützte, kein Verhör brachte etwas ans Tageslicht. Vorläufig blieb es bei diesen beiden Morden. Der Erpresser meldete sich nicht wieder. Er verhielt sich aus begreiflichen Gründen ruhig.

      Wenn er während dieser beiden Tage nämlich zugeschlagen hätte, wäre er entweder uns, den Leuten vom FBI oder den City Police-Männern in die Hände gelaufen, denn wir waren ständig unterwegs, gaben uns bei den Leuten, die den Erhalt eines Erpresserbriefes gemeldet hatten, förmlich die Türklinke in die Hand.

      Außerdem hatten alle zwanzig Personen Polizeischutz erhalten. Man wollte kein Risiko eingehen. Es sollte zu keinem weiteren Mord mehr kommen.

      Und im Augenblick sah es auch so aus, als ob es keinen mehr geben würde.

      Hatte der Erpresser den Mut angesichts dieser massiven Polizeieinsätze verloren? Oder wartete er nur ab, bis sich die Wogen wieder etwas glätteten, um dann an seine Opfer heranzutreten, wenn sie glaubten, zum ersten Mal wieder erleichtert aufatmen zu dürfen?

      Julia Hickson und Charles Lenoire standen mir wieder zur Verfügung.

      Die beiden hatten das gesuchte Millionärstöchterchen bei einem Heiratsschwindler aufgetrieben und hatten es postwendend an den finanzkräftigen Daddy zurückgebracht, der ihr erst mal den Hintern kräftig versohlte und dann das vereinbarte Honorar bezahlte.

      Susan und ich waren pausenlos im Einsatz. Ich hätte zwar längst mal wieder geölt und geschmiert gehört, doch es war einfach nicht die Zeit dazu.

      Wie die City Police und das FBI — so überprüften auch wir die Fluggäste des Sex-Jets. Bei einigen von ihnen konnte ich spielend feststellen, dass Pino Calva schon vor uns dagewesen war.

      Ihre Gesichter waren verängstigt, der Blick war unstet, manche von ihnen trugen ein kleines Pflasterchen genau da, wo Eddie und Ernie zu fest hingelangt hatten. Auf die Frage, ob sie von Calva besucht worden waren, sagten sie selbstverständlich nein.

      Selbstverständlich! Pino, dieser Satan, hatte ihnen sicher so lange gedroht, bis sie die Hosen gestrichen voll hatten.

      Man war uns gegenüber zugeknöpft und hielt es mit dem alten Sprichwort: Reden ist Silber — Schweigen ist Gold.

      Es gärte in Chicago.

      Die oberen Zehntausend waren in Aufruhr. Sie hatten Angst — selbst wenn sie keinen Brief bekommen hatten. Sie waren nervös und rechneten ständig damit, dass die Post auch ihnen ein solches Schreiben ins Haus brachte. Da die oberen Zehntausend sehr einflussreich sind, blieb die Sache nicht einfach nur die Sache der Polizei.

      Befreundete und irgendwie dazu veranlasste Politiker schalteten sich ein, machten die Sache zu ihrer Sache, schwangen Reden ... Erreichten aber nichts.

      Man begann von oben die Leiter herunterzutreten. Vom Polizeipräfekten bis zum gemeinen Sergeant bekam jeder seinen Rüffel. Die Politiker setzten den gesamten Polizeiapparat unter Druck.

      Aber auch der tüchtigste Polizist hat seine Grenzen. Keiner von ihnen konnte zaubern. Sie konnten lediglich ihr Bestes geben. Doch das schien den hohen Herren in diesem Fall nicht gut genug zu sein.

      Müde und abgespannt kamen Susan und ich von einem ergebnislosen Streifzug nach Hause. Wir hatten uns eine Menge kecke Antworten gefallen lassen müssen und bekamen immer wieder zu hören: „Das hab’ ich doch schon zehnmal den Männern von der City Police gesagt.“

      Hin und wieder nannten uns die Leute statt der City Police das FBI.

      Wir fuhren mit dem Lift nach oben.

      Susan lehnte mit halb geschlossenen Äugen an mir und flüsterte: „Weißt du, was ich tue, wenn ich daheim bin, Biff?“

      „Was?“

      „Ich ziehe mir sofort die Schuhe aus.“

      „Tun dir die Füße weh?“

      „Sehr“, sagte meine Partnerin.

      Wir kamen oben an. Ich ließ Susan den Vortritt. Da unsere Wohnungen auf demselben Korridor nebeneinanderliegen und sogar einen gemeinsamen Balkon haben, hatten wir fast haargenau den gleichen Nachhauseweg.

      „Kommst du СКАЧАТЬ