Und an der Schmalseite des Tales tobte immer noch 4er Kampf. Ihr großen Götter, dachte Cormac, als er fechtend einen Blick dorthin warf, halten diese Nordmänner tatsächlich noch die Schlucht? Aye! Sie hielten die Stellung! Auf ein Zehntel der ursprünglichen Anzahl zusammengeschmolzen, schlugen sie die verzweifelten Angriffe der Legionäre ab.
Ein ohrenbetäubender Lärm lag über dem Schlachtfeld. Raubvögel kreisten am Himmel. Cormac, der durch das Getümmel hindurch Marcus Sulius zu erreichen trachtete, sah, wie das Pferd des Römers unter diesem zusammenbrach und der Reiter sich allein inmitten von Feinden wieder erhob. Er sah, wie das Römerschwert dreimal aufblitzte und dabei jedesmal einem Gegner den Tod gab. Dann sprang aus dem dichtesten Gewühl eine schrecklich anzusehende Gestalt hervor. Es war Bran Mak Morn. Als er heranrannte, schleuderte er sein zerbrochenes Schwert von sich und riß den Dolch heraus. Der Römer stach zu, doch der Piktenkönig duckte unter dem Stoß hinweg, packte die Schwerthand und bohrte seinen Dolch durch den glänzenden Harnisch.
Als Marcus starb, stieg ein brüllender Aufschrei zum Himmel empor. Cormac sammelte die Reste seiner Streiter um sich, bohrte seinem Pferd die Sporen in die Weichen und hetzte durch die zerschlagenen Reihen zum anderen Ende des Tales.
Beim Heranreiten sah er, daß er zu spät kam. So wie sie gelebt hatten, so waren sie auch gestorben, jene grimmen Seewölfe: mit den Gesichtern zum Feind und den Waffen in den Händen. Reglos lagen sie da, und selbst im Tod war noch etwas von dem Schildwall erhalten, der keilförmig den Paß gesperrt hatte. Zwischen und vor ihnen türmten sich die Leichen derjenigen, die ihn vergeblich zu durchbrechen versucht hatten. Die Nordmänner waren nicht einen Fußbreit gewichen! Bis zum letzten Mann waren sie auf ihrem Platz gefallen. Doch gab es auch keinen, der über ihre Körper geklettert wäre: Die Römer, die den Wikingeräxten entgangen waren, hatten den Tod durch die Pfeile der Pikten und die Schwerter der Galen gefunden.
Und doch war dieser Teil der Schlacht noch nicht vorbei. Hoch oben, auf dem steilen Westabhang, ging das Drama zu Ende. Eine Gruppe von Galliern drang auf einen einzelnen Mann ein, einen schwarzhaarigen Riesen, auf dessen Haupt ein goldener Reif glänzte. Eiserner Wille war in den Angreifern, ebenso wie in ihrem Gegner, der ihren Untergang verursacht hatte. Ja, sie waren zum Untergang verurteilt, denn ihre Kameraden wurden hinter ihnen hingemetzelt, aber vor ihrem Tod gierten sie noch nach dem Leben des schwarzhaarigen Giganten, der die Männer des Nordens geführt hatte.
Von drei Seiten auf ihn eindrängend, hatten sie ihn langsam die Steilwand der Schlucht hochgetrieben, und die verkrümmten Körper, die seinen Rückzugsweg kennzeichneten, waren Beweis für die Grimmigkeit, mit der sie sich jeden Fußbreit erkämpften. Es war schon schwierig, in dem Gelände nicht den Halt zu verlieren, diese Männer aber kletterten und fochten gleichzeitig. Kulls Schild und Kriegskeule waren dahin, und das große Schwert in der Rechten war rot gefärbt. Sein kunstvoll geflochtenes Kettenhemd hing in Fetzen herab, und Blut rann aus Hunderten von Wunden. Seine Augen jedoch blitzten voll unverminderter Kampfeslust, und sein Arm lenkte das mächtige Schwert zu todbringenden Streichen.
Aber Cormac wußte, daß das Ende kommen würde, noch ehe er ihn zu erreichen vermochte. Auf dem Kamm des Hügels bedrohte ein Dutzend Schwertspitzen das Leben des fremden Königs, dessen Kräfte jetzt rasch schwanden. Soeben spaltete er das Haupt eines riesigen Angreifers und schnitt auf dem Rückschwung durch den Hals eines zweiten. Unter einem Regen von Schwerthieben taumelnd, hieb er wieder zu, und sein Opfer sank zu Boden. Und dann, als sich mehrere Schwerter über dem schwankenden Atlanter erhoben, um ihm den Todesstreich zu versetzen, geschah etwas Seltsames. Die Sonne versank hinter dem westlichen Horizont und tauchte die Heidelandschaft in blutrotes Licht. Kull stand vor der Sonnenscheibe, so wie er gekommen war, und hinter dem taumelnden König eröffnete sich ein wundersamer Anblick. Cormac sah einen kurzen Augenblick lang eine fremdartige Landschaft in fernen Sphären: Wie Spiegelbilder in den Sommerwolken gewahrte er anstelle der Heidelandschaft, die sich bis zur See erstreckte, undeutlich ein reiches Land mit blauen Bergen und schimmernden Seen und goldene, purpurne und saphierblaue Türme und gewaltige Mauern einer mächtigen Stadt, wie sie die Erde seit Äonen nicht mehr gekannt hatte.
Dann verging die Vision wie ein Traum, aber die Gallier auf dem Hügel hatten die Waffen sinken lassen und starrten wie betäubt, denn der Mann namens Kull war, ohne eine Spur zu hinterlassen, verschwunden!
Bestürzt wandte Cormac sein Pferd und ritt über das zertrampelte Schlachtfeld zurück. Siegesgeschrei dröhnte durch das Tal. Und doch war alles schattenhaft und sonderbar. Jemand schritt heran, und Cormac erkannte geistesabwesend Bran. Der Gäle schwang sich vom Pferd und trat dem König gegenüber. Bran war waffenlos. Aus Wunden an Stirn, Brust und Gliedern rann es rot, die leichte Rüstung, die er getragen hatte, war ihm vom Körper geschlagen worden, und ein Hieb war halb durch die Eisenkrone gedrungen. Nur das rote Juwel schimmerte fleckenlos wie ein Stern der Schlacht.
„Mein Sinn steht danach, dich zu töten“, sprach der Gäle schwerfällig und wie ein Mann unter einem Zauber, „denn du hast das Blut tapferer Männer auf dein Haupt geladen. Hättest du früher das Signal zum Angriff gegeben, so wäre mancher noch am Leben.“
Bran verschränkte die Arme. „Stoß zu, wenn du willst; ich bin des Schlachtens müde. Es ist ein bitteres Brot, König zu sein. Ein König muß mit Menschenleben und bloßen Schwertern als Einsatz spielen. Es ging um das Leben meines Volkes. Ich habe die Nordmänner geopfert, ja! Und mein Herz schmerzt mich in der Brust, denn es waren Männer! Aber hätte ich den Befehl gegeben, als du es für richtig hieltest, hätte alles schiefgehen können. Die Römer befanden sich noch nicht zur Gänze in der Talenge und hätten vielleicht Zeit und Platz gehabt, die Schlachtordnung umzustellen und uns abzuschlagen. Ich wartete bis zum letzten Augenblick – und die Seeräuber starben. Ein König gehört seinem Volk und darf sich nicht von eigenen Gefühlen und den Leben Fremder beeinflussen lassen. Jetzt ist mein Volk gerettet; aber das Herz ist kalt in meiner Brust.“
Müde stützte sich Cormac auf sein Schwert. „Du bist zum König geboren, Bran“, sagte der gälische Prinz.
Bran blickte über das Schlachtfeld. Die Römer, die die Schwerter weggeworfen und sich ergeben hatten, standen in Gruppen, von Wachen umgeben.
„Mein Königreich – mein Volk – ist gerettet“, sagte Bran müde. „Zu Tausenden werden sie aus den Hügeln hervorkommen, und wenn Rom wieder gegen uns marschiert, steht ihnen eine geschlossene Nation gegenüber Aber ich bin müde. Was ist mit Kull?“
„Meine Augen und mein Geist waren vom Kampf verwirrt“, antwortete Cormac. „Ich glaubte, ihn wie einen Geist mit der sinkenden Sonne verschwinden zu sehen. Ich werde nach seinem Leichnam suchen.“
„Suche ihn nicht“, sagte Bran. „Aus der aufgehenden Sonne kam er – in die untergehende Sonne ging er. Aus den Schleiern der Vergangenheit kam er zu uns, und in die Schleier der Äonen kehrte er zurück – in sein eigenes Königreich.“
Cormac wandte sich ab. Die Nacht brach herein. Wie ein weißes Gespenst stand Gonar vor ihm. „In sein eigenes Königreich“, wiederholte der Zauberer. „Zeit und Raum sind nichts. Kull ist in seine eigene Zeit zurückgekehrt.“
„Dann war er also ein Geist?“
„Fühltest du nicht den Griff seiner Hand? Hörtest du nicht seine Stimme? Sahst du ihn nicht essen und trinken, lachen und töten und bluten?“
Immer noch stand Cormac wie betäubt.
„Wenn es also für einen Mann möglich sein sollte, von einem Zeitalter in ein noch СКАЧАТЬ