Название: Wie geht Freiheit?
Автор: Elke Friedrich
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783749721504
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Wie eine Wende sich Bahn bricht
Meine beiden kleinen Kindern versorgte ich fortan also alleine. Da ich als Zugführerin bei der Bahn wegen des Schichtdienstes nicht mehr arbeiten konnte, blieb mir nur die Stelle in der Kleiderkammer. Für die Mädchen hieß es also früh morgens ab in die Krippe, für mich, Uniformen ausgeben. Nach der Arbeit holte ich meine Kinder wieder ab, ging einkaufen und besorgte den Haushalt. Herr F. blieb verschwunden und das war gut für uns alle. Meine Mutter mischte sich zwar weiterhin in unser Leben ein, kam täglich zur Kontrolle, doch durch die Arbeit kam ich zumindest auch mit anderen Menschen zusammen. Über meine persönliche Situation und Ängste habe ich mit niemanden gesprochen, nur versucht zu funktionieren: Essen, arbeiten, Kinder versorgen und schlafen. Aber das konnte es doch nicht gewesen sein? Was soll nur werden, wie soll es weitergehen? In mir brodelte es. Im Außen war gleichzeitig das System DDR am Ende. Für Butter musste man inzwischen anstehen, für Obst ja sowieso. Die Menschen waren unzufrieden, gingen auf die Straße. Die ersten Montagsdemonstrationen fanden statt. Da meine Kinder und ich im Grenzbereich wohnten, fanden vermehrt Kontrollen statt und die Armee war im Einsatz. Wir standen in der Kirche Hand in Hand mit fremden Menschen und dem Licht in der Hand. Auch ich. Keiner wusste, was passieren würde. Es ging das Gerücht um, die Lager seien schon fertig und es wäre nur eine Frage der Zeit, wann sie uns abholten. Wir standen da, im Licht der Kerzen und mit weichen Knien. Und die Stasi immer mit dabei. Nie wusste man, wer spionierte. Der „böse Klassenfeind“, so sollten die Parolen uns weiß machen, wohl kaum. Wie sich später herausstellte waren es Menschen ganz aus der Nähe gewesen, selbst aus den eigenen Familien, die sich bereit erklärt hatten, für einen geringen Vorteil die anderen zu bespitzeln. Viele Bürger waren schon in die Botschaften abgehauen. Die gewaltfreien Demonstrationen nahmen zu. Die Menschen riefen: „Wir sind das Volk.“ Viel wurde berichtet im Fernsehen, aber niemand wusste so recht, was geschah. Immer mehr Züge fuhren die Menschen in die Freiheit. Die Bahnhöfe waren völlig überfüllt. In dem Kabuff, in dem ich arbeitete, hatte ich ein Radio und auf einmal hieß es: „Die Grenzen sind offen, man kann reisen!“ Ich bin nach Hause gefahren und habe die Mädchen von der Krippe abgeholt. Ich habe schnell ein paar Sachen zusammengepackt, die Mädchen genommen und bin in den Westen gefahren. Die Situation war für uns alle so uneinschätzbar und unsicher, - schlimmer konnte es nicht kommen. Ich traute dem Frieden nicht. Diesmal wollte ich auf der anderen Seite sein, wenn der „CLUB der alten Männer“ den Eisernen Vorhang womöglich wieder runter ließ. Nach Wochen, als die Situation sich zu beruhigen begann und es sicher schien, dass die Grenzen offen bleiben würden, bin ich mit den beiden Mädchen wieder zurück gereist.
WENDE ein WUNDER
Für mich war es ein Wunder. Es hat gebrodelt und gekocht im ganzen Land. Keiner hat mit diesem Ergebnis gerechnet oder es für möglich gehalten. So schnell, wie ein Domino - Effekt. Als hätte ein Bleimantel über allem gehangen, der sich einfach aufgelöst hat. Welchen Mut und welche Besonnenheit dies erfordert hat! Von allen miteinander. Von den Grenzern, der Bevölkerung und auch von den Machthabern. Hätte auch nur einer die Geduld oder die Nerven verloren, was wäre gewesen? Die Wende war die erste friedliche Revolution auf deutschem Boden. Alle sprachen von einem Wunder. Heute weiß ich, die größten Meister = Seelen = Lichtwesen müssen in der ehemaligen DDR inkarniert gewesen sein, in allen Gesellschaftsschichten und mit unterschiedlichen Funktionen. Sie haben das Feld mit ihrer Herzensliebe gestärkt und aufrechterhalten. ES war ein Wunder. Meine eigene Wende und mein ganz persönliches Wunder sollte noch stattfinden – plötzlich, unerwartet und sehr schmerzhaft.
Die KRANKHEIT MEINER TOCHTER - erste REISE mit den ENGELN
Nach der Wende zogen die Mädchen und ich in einen Neubau um. Unsere Wohnung befand sich im 4. Stock und es gab keinen Fahrstuhl. Für meine gehbehinderte Mama wurde es dadurch fast unmöglich, uns zu besuchen. So hatten wir endlich unsere Ruhe. Doch dann kam die Krankheit meiner Tochter als sie genau zehn Jahre alt war. Von jetzt auf gleich fiel sie ins Koma, obwohl sie ein normales Kind ohne Vorerkrankung war. Vielleicht waren der Zinnober mit meiner Mutter und der immer abwesende Papa ihr an die Nieren gegangen. Zu dieser Zeit gab es allerdings viele Menschen in der Region, die plötzlich krank geworden sind. Viele mit Nierenversagen und Krebs. Vor dieser Erkrankungswelle hatte es Versuche in den Bergen gegeben, Gebirgsschläge, Stollen sind eingestürzt bei denen bestimmte Stoffe freigesetzt worden waren. Das haben wir aber erst später herausgefunden. Bei meiner Tochter waren die Nieren die Schwachstelle im Körper. Erst das Familienkarma und dann war die zusätzliche Belastung der Luft hinzugekommen. Das hat sie wohl regelrecht „umgehauen“. Da hatte ich gerade noch ein gesundes Kind und plötzlich lag es im Krankenhaus, im Koma. Sie musste reanimiert werden, insgesamt dreimal. Ich habe ihren Vater von der Intensivstation aus angerufen. Aber er sagte mir, dass er mit kranken Leuten nichts zu tun haben wolle. Und dass er schon immer gewusst habe, dass das Kind nicht alt werde. Meine Tochter blieb zwei Wochen im Klinikum. Dann wurde sie in eine Spezialklinik verlegt, die 200 km von unserem damaligen Wohnort entfernt lag. Mir wurde gesagt, dass es bei so kleinen Kindern besser wäre, wenn die Mutter dabei bliebe. Die Situation sei sehr ungewiss. Nun musste ich also meine andere Tochter irgendwo unterbringen, und ich habe sie meiner Mutter überlassen. Und dann saß ich fünf Wochen am Stück auf der Intensivstation. Niemanden kannte ich dort. Eine fremde Stadt, fremde Menschen – der Schmerz und die Angst und immer diese Ungewissheit. Die Klinik hat mir ein Zimmer besorgt im „Haus für krebskranke Kinder“. Dort habe ich gewohnt. Sehr isoliert. Ich saß ganz allein auf der Intensivstation in dieser fremden Stadt. Ganz allein mit dem Piepsen der Geräte. Nur ab und zu kam die Schwester, die an den Apparaten drehte. Ich saß dort im Stuhl und sprach mit meiner Tochter, habe ihr erzählt, was wir gemacht haben als sie noch klein war, wo ich mit ihr war, was sie gesehen hat. Die Schwester sagte: „Das können Sie lassen, das hört die sowieso nicht! Das stört nur!“ СКАЧАТЬ