Название: 4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018
Автор: Christoph-Maria Liegener
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Зарубежные стихи
isbn: 9783746992471
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Eine kühle Brise erfasst mein Gesicht. Ich atme sie ein. Erleichterung lässt meinen Körper aufbeben und plötzlich scheint alles so einfach.
Ich werde ihn zahlen.
Ein letztes Mal blicke ich auf die Uhr. 19:39. Auf Wiedersehen Welt.
Langsam lösen sich meine Finger aus dem festen Griff, mit dem ich das kalte Metall umschloss. Es folgt ein Gefühl der Schwerelosigkeit und zum ersten Mal seit langer Zeit fühle ich Frieden und Ruhe. Erlösung.
Ich lasse mich fallen, bis die schmerzhafte Unendlichkeit endlich endet.
Kommentar: Schilderung eines trügerischen Auswegs.
Isabelle Thier
Lautloses Ertrinken
Und wieder sind es nur Worte. Worte, die das kleine Herz wie ein Messer durchdringen. Die Augen füllen sich mit Tränen und weichen dem hasserfüllten Blick seines Gegenübers aus. Tränen laufen über seine Wangen, als es sich in die hinterste Ecke seines Zimmers verkriecht. Dort bleibt es sitzen. Die Arme um die Beine geschlungen. Leise. Ganz leise, damit es niemand hört. Es klopft an der Tür. Das Kind schreckt auf und bindet sich schnell seine zerzausten Haare zusammen. Die Tür geht auf. Es betrachtet schüchtern die Silhouette. Ein Lächeln ziert das runde Gesicht und ein freundlicher Blick lässt seine Augen aufleuchten, als wäre nichts gewesen. Doch was ist in ihm drin, ganz tief in seiner Seele? Es richtet sich auf und geht nach draußen. Wieder sind es nur Worte. Worte, die treffen. Worte, die Narben hinterlassen. Es senkt den Blick, damit niemand die Träne sieht, die ihm wie kurz zuvor über die Wange läuft.
Rede, kleines Kind! Rede! Ich werde dich beschützen. Aber das Kind schweigt. Traurig sitzt es da. Die Hände unter dem Tisch im Schoß vergraben. Warum sagst du nichts? Sag etwas! Ich werde dir nichts tun. Aber das Kind schweigt. Es steht auf und geht. Bleib hier! Doch es hört mich nicht.
Blass sieht es aus. Ganz blass. Nur die Lippen in einem zarten Rosa. Eingehüllt in einer weichen Decke liegt es auf seinem Bett. Steh auf! Steh auf und rede mit mir! Wo sind dein Mut, deine Hoffnung? Wo ist deine liebende Kraft, die nicht nur andere, sondern auch dich selbst schützt? Steh auf und geh mit mir. Geh mit mir bis ans Ende der Welt. Weil ich dich liebhabe. Los, steh auf! Aber das kleine Kind regt sich nicht. Steht nicht auf. Seine Hände sind kalt. Die Augen geschlossen. Friedlich sieht es aus.
Kommentar: Rätselhaft, aber berührend.
Annette Rümmele
Autofahrt – romantisch
„Komm, Amely, lass uns gehen!“ Jean stieß mich sanft in die Seite. „Bis zum Dessert haben wir doch tapfer durchgehalten, das reicht.“ Erstaunt und durchdringend schaute ich Jean an. Er wich meinem Blick aus und rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum.
„Komm, genug der Ehre für den alten Herrn. Wir verdrücken uns!“ Seit langem blitzten seine Augen wieder einmal jung und schelmisch in die Runde.
„Okay“ – zwinkerte ich ihm zu und strich meinen kurzen Kostümrock glatt. Hastig standen wir gleichzeitig auf und fühlten uns sofort wie Bonnie und Clyde auf der Flucht.
Erst in unserem alten Auto stellte Jean den CD-Player laut. Der Soundtrack von Forrest Gump ertönte. „Sweet Home Alabama…“ sangen wir kräftig aus voller Kehle. Jean fuhr schneller als gewöhnlich. In der Eile hatte ich meine Jacke im Restaurant hängen lassen. Egal, es gab kein zurück. Wir grölten, zunehmend befreit „If you´re going to San Francisco… Gentle people with flowers in their hair …“
Ich hatte Jean lange nicht mehr so ausgelassen und fröhlich erlebt. Schon während der Fahrt krempelte er seine Ärmel hoch, riss die Krawatte vom Kragen und gab Gas.
„Wohin, Madame?“
„Wohin du willst, Monsieur…“
Wir waren beide schwer in die Jahre gekommen. In den fast vierzig Jahren unseres Zusammenlebens hatten sich bei Jean weiße Strähnen ins Haar geschlichen und ich lachte mittlerweile aus einem Meer von Fältchen im Gesicht.
„Weißt du noch, wie wir mit den Kindern im VW-Bus durch die Provence gefahren sind?“
„Klar, da haben wir oft Ougenweide gehört, diese Musik, die so gut zur Landschaft passte. Und Großmutter reagierte zutiefst beleidigt, weil wir ihren achtzigsten Geburtstag geschwänzt hatten. Schon damals waren mir diese Familienfeiern zuwider.“ Jean lachte befreit.
„Amely“, fuhr er fort. „Ich möchte heute am liebsten nicht nach Hause fahren.“
„Aber – !“
„Psst, ich habe eine Idee. Hast du dein Handy dabei? Ruf Lea an. Sag ihr, wir machen morgen keinen Enkeldienst. Schließlich ist Wochenende. Ohne Diskussion.“
Soviel Initiative von Jean – das war ich nicht mehr gewohnt. So spontan! Seit Langem hatte sich ein Ehealltag eingeschlichen, nicht grau, aber auch nicht farbenfroh. Ich ließ ihn treiben, genoss, kutschiert zu werden.
Draußen lud ein heißer Sommertag zum Träumen ein. Während der drögen Geburtstagsfeier in der dunklen Restaurantstube hatte ich davon nichts bemerkt. Durch die offenen Fenster wehte mir ein kühler Wind ins Gesicht und durchs Haar. Jean drehte die Anlage noch lauter und wir schrien Californian Dream …!“ in den Sommer.
Bald erkannte ich, wohin Jean uns entführen wollte. In unserer Jugend hatten wir ein verborgenes Plätzchen im Wald entdeckt. Nur für uns. Früher war da ein kleiner See. Ob es ihn noch gab? Das letzte Stück musste man zu Fuß gehen. Dorthin hatte bisher niemand einen Weg angelegt. Wir stellten das Auto auf die grüne Wiese, nahmen uns an der Hand und stapften durchs hohe Gras. Jean schwitzte und zog schon unterwegs sein Hemd aus.
Am See angelangt suchten wir einen geeigneten Platz, um uns abzukühlen. Seit Jahren waren wir nicht mehr alleine zum Schwimmen. Nackt Baden – am Abend, heimlich, wenn es schon dunkel wurde. Dieser Zauber – fast vergessen. Jean hatte sich bereits vollständig entkleidet in den See gestürzt. Ich zögerte, mich auszuziehen. Die junge Amely wäre sofort nackt hinterher gesprungen, aber heute?
„Hey, was ist los, Sweety? Das Wasser ist herrlich erfrischend!“
Mit leiser Wehmut schüttelte ich den Kopf. Etwas hielt mich zurück. Ich saß mit kurzem Rock und knappem T-Shirt bekleidet im Gras. In meinem Kopf klang noch das letzte Lied aus dem Auto: „What the world needs now is love“
„Das Wasser ist mir zu kalt! Bitte komm raus und hole mir deine Jacke. Ich trage sie so gerne.“
Kommentar: Wie die Zeit vergeht! Gut eingefangen.
Stefan Herr
Geistesblitz
Der Raum getaucht in helles Weiß/
nichts ist hier, außer mir/
Nichts da/ außer das, was war/
Gewesen ist/ doch alles, was war, ist nichts/
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