Название: Magierin der Liebe
Автор: Monika Auer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Биографии и Мемуары
isbn: 9783748237839
isbn:
Es handelt sich um einen Zyklus von Bildern aus dem Zeitraum 2004 mit der existentiellen Aufarbeitung sexueller Missbrauchserfahrungen. Die Einbindung von Alltagsmaterialien, wie Zeitungspaper, von Honig, Zimt und Rotwein – in einigen der letzten Arbeiten, verweist auf eine sensorische, synästhetische Verarbeitungsform, in der die Anklage, die Depersonalisation einer Neuerfindung gewichen ist. Im ästhetischen Ausdruck verweist Monika Auer auf Resonanzbezüge zum Kosmischen, in dem das Weibliche eine überindividuelle Metapher erhält.
Ruth Hampe
1 - Die Wahl - Rückkehr ins Hier und Jetzt
(8) „Ein Adlerkann siebzig Jahre alt werden. Abermit vierzig muss er eine Entscheidung treffen. Schnabel und Krallen sind so lang geworden, dass erkeine Beute mehr machen kann. Die langen schweren Federn machen das Fliegen fast unmöglich. Er hat zwei Möglichkeiten: zu sterben oder sich einer schmerzhaften Erneuerung zu unterziehen. Hoch oben zieht er sich in eine schützende Felswand zurück, reißt sich Federn und Krallen aus und schlägt sich den Schnabel ab. Nach einigen langen Monaten, wenn alles nachgewachsen ist, schwingt er sich auf - in ein neues Leben. “
Ich bin sieben, als sich meine Eltern scheiden lassen. Seit dem muss ich alle vierzehn Tage zum Papa. Er hat trotz allem Besuchsrecht bekommen. Wenn ich dann am Sonntagabend zu Mama nach Hause komme, empfängt mich diese selten freundlich.
„Mach, das du wegkommst. Am besten gehst du gleich auf dein Zimmer“, faucht sie mich meistens an.
Ich verstehe nicht, was sie so wütend auf mich macht. Ich habe nichts getan. Ihre abweisende Reaktion bestürzt mich. Nach diesen Wochenenden, nach dieser Sonderbehandlung vom Vater habe ich ohnehin schon keinen Boden mehr unter den Füßen. Da stößt mich die unverhoffte Aggression meiner Mutter vollends in den Abgrund. Ich bin ein Kind. Wie soll ich begreifen, warum sie regelmäßig wie eine wild gewordene Tarantel über mich herfällt? Sie tut so, als sei ich die Bedrohung in unserer Familie. Und dabei bin ich es, die vom Papa bedroht wird. Ich brauche dringend Schutz von meiner Mama. Ich sehne mich schrecklich nach ihrer Fürsorge und Liebe.
Was bloß mache ich in ihren Augen falsch? Sogar ihre Aufsicht über meine ersten Schulaufgaben endet für mich in schlimmster Demütigung.
„Bist du zu blöd zum Rechnen?“, faucht sie mich aggressiv an.
Dann verpasst sie mir mit ihrer harten Faust mehrere Kopfnüsse bis der Schmerz wie ein donnernder Zug durch mich hindurchfährt. Ich soll das Einmaleins lösen, aber sie fühlt sich von meiner Konzentrationsschwäche provoziert. Sie weiß nicht, dass diese ein eindeutiges Stresssymptom aufgrund des sexuellen Missbrauchs ist. Ein stummer Hilfeschrei, den meine Mama nicht hört oder hören will. Sie bleibt unbarmherzig, erhebt abermals drohend ihre Faust, während sie brüllt:
„Noch mal. Und jetzt richtig.“
Seit meinem zweiten Lebensjahr missbraucht mich Papa sexuell. Ich habe mich nie getraut, Mama davon zu erzählen. Ich hätte sonst ins Heim zurückgemusst. Aber meine mittlere Schwester verplapperte sich eines Tages. Da war sie gerade mal 3-jährig. Er hat es auch bei ihr versucht. Angeblich war das der Grund für die Scheidung - Inzest. Trotzdem ändert sich für mich danach nichts Wesentliches. Der sexuelle Missbrauch bleibt vorerst in meinem Leben ein fester Bestandteil, da mein Vater auf sein Besuchsrecht insistiert. In diesem Fall unterstützt ihn sogar das Gesetz. Niemand unterstützt mich, schützt mich vor meinem sexuell perversen Vater. Meine Mutter schon gar nicht. Ich darf nicht mehr darüber reden. Seit der Scheidung wird alles tot geschwiegen. Dafür lässt meine Mutter ihre Unzulänglichkeit und Überforderung an mir aus. Sie bedient sich dabei der schwarzen Pädagogik. Eine Erziehungsmethode, die emotionale und körperliche Gewalt gegenüber Kindern geradezu propagiert und meine Mama regelrecht dazu verführt, sich selbst zu erhöhen.
Ich glaube, sie rächt sich unbewusst an mir für ihr verkorkstes Leben. Ich bin ihr auserkorener Sündenbock. Ich bin Mamas Giftmüllcontainer. Mal sind es verbale Demütigungen. Mal heftige Schläge mit einem Kochlöffel, den sie auf meinem nackten Kinderpopo herabsausen lässt. Manchmal bricht er dabei. Dann greift sie zur Hundeleine.
Egal, was ich tue. Es ist falsch. Ich ziehe mich weiter in mich zurück. Im Gegensatz zu meinen Schwestern werde ich zunehmend introvertierter.
„Schau deine Geschwister an, die sind viel offener. Ich möchte gar nicht wissen, was du denkst. Du denkst bestimmt nur Schlechtes“, wirft sie mir ständig vor.
„Schau mich nicht so an. Du hast hässliche Augen“, faucht sie oft böse, als sei ich der Teufel in Person.
Während andere Kinder vergnügt auf ihrer Blumenwiese spielen dürfen, muss ich mich auf meiner vorsehen. Sie ist mit Tretminen verseucht. Kriegsgebiet. Mache ich eine falsche Bewegung, geht eine Bombe unter mir hoch.
Wenn ich lebe, sterbe ich. Ich sitze in einer Existenzfalle, die mich innerlich erstarren lässt. Freeze. Weder Kampf noch Flucht sind möglich.
Ich werde ganz still - mucksmäuschenstill. Verzweifelter Versuch eines kleinen Mädchens, sich durch einen Totstellreflex vor der Auslöschung seiner Existenz zu bewahren. Es gibt aber kein Entrinnen. Meine narzisstische Mutter ersinnt unaufhörlich Vorwände für einen Streit. Und jedes Mal verliere ich diesen ungleichen Machtkampf, wenn sie mich mit Schimpf und Schande auf mein Zimmer verbannt. Dieses liegt zwei Stockwerke über der elterlichen Wohnung, also außerhalb. Es befindet sich neben einem dunklen Dachboden, wo in meiner kindlichen Fantasie böse Geister leben.
Meine beiden Schwestern hingegen teilen sich innerhalb der kleinen Dreizimmerwohnung das Kinderzimmer mit Balkon. Ihnen geht es gut. Sie sind integriert und werden von der Mama beschützt.
Hoch oben unterm Dach sitze ich öfters des Nachts mutterseelenallein in meinem Gefühlschaos. Meine Geschwister besuchen mich selten in meinem Turmzimmer. Isolationshaft. Ich fühle mich einsam und verloren. Und da ist auch noch die harte Gipsschale, in die ich mich jede Nacht hineinlegen soll, wegen meiner krummen Wirbelsäule. Sie verstärkt das Gefühl, in einem Gefängnis zu sein und eine Zwangsjacke zu tragen.
Ein Abgrund öffnet sich in mir, und das, obwohl ich erst sieben Jahre alt bin. „Mama, wieso hasst du mich? Du fehlst mir“, schluchze ich in mein Kissen.
Mein Herzmuskel krampft. Es tut richtig weh in meiner Brust. Schuldgefühle übermannen mich. Bestimmt hat sie einen Grund, mich abzulehnen. Ich bin das böse Kind, die Schande unserer Familie. Vielleicht verdiene ich ihre Strafe. Ich schluchze ins Kissen, bis es nass ist. Dann hebe ich mein Gesicht. Mit tränenerstickter Stimme frage ich laut in den Raum hinein, der so still ist wie ein Friedhof:
„Mama, was soll ich machen, damit du mich wieder lieb hast?“
Anschließend schlage ich einige Male meinen Hinterkopf so heftig an die Zimmerwand, bis ein stechender Kopfschmerz den schrillen Herzschmerz ablöst.
(9) „Hospitalismus kommt überall dort vor, wo Menschen zu wenig oder negative emotionale Beziehungen erhalten. Es ist auch in Familien anzutreffen, in denen die Eltern mit der Pflege der Kinder überfordert sind oder diese aus irgendwelchen Gründen ablehnen und sie deshalb schwerer physischer und psychischer Vernachlässigung oder Misshandlung ausgesetzt sind. “
Ich fange an, mich selbst zu bestrafen. Täterintrojekt.
Wenn ich mich nicht verletze, sitze ich am Kinderschreibtisch. Dieser befindet sich direkt unterhalb des schrägen Dachfensters. Lustlos mache ich Hausaufgaben, die in der ersten Klasse eigentlich leicht sind. Doch СКАЧАТЬ