„Nein."
*
Ed grinst den Rancher an, dessen Gesicht wieder grau und eingefallen aussieht.
„Da hinten ist ein Loch", sagt er. „Ich habe ihn hineingestoßen."
„Ist er auch bestimmt ...?"
„Natürlich." Ed rollt die Geldscheine zusammen und schiebt sie in die Tasche. Er geht hinaus, macht sein Pferd los und zieht den Bauchgurt des Sattels an. Der Rancher hört ihn etwas rufen.
Hufschlag hallt in den Saloon hinein und entfernt sich.
Big John schenkt sich einen Whisky ein. Er blickt dem Keeper ins schweißglänzende Gesicht, wendet sich dann Heston zu, der stoßweise atmend an der Wand lehnt und sagt:
„Das war kalter, berechneter Mord, Big John. Dafür wird die Schuldigen die Strafe treffen."
Big John stellt das eben angehobene Glas auf die Theke zurück. Er macht das hart, dass ein Knall zu hören ist und der Whisky über seine Hand läuft.
„Wie soll ich das verstehen?", fragt er fast flüsternd. „Kannst du dich deutlicher ausdrücken?"
„Ich habe einen Eid geleistet, Hassel."
„Du hast geschworen, mir und dieser Stadt treu zu dienen."
„Ich sehe das alles anders als du. Ich bin der Sheriff. Vielleicht hättest du einen dazu machen sollen. Ich sehe das anders. Der Schuldige wird bestraft."
Big John grinst plötzlich. Es ist ein kaltes, gefährliches Grinsen. Es ist auch hinterhältig, aber Heston sieht das in seinem gerechten Zorn nicht.
„Reite hinter Ed her und bringe ihn zur Strecke", meint der Rancher und greift wieder nach seinem Glas. Er trinkt es auf einen Zug aus. „Er hat den Mord begangen", setzt er hinzu. „Seine Spur wirst du noch finden."
Hestons Kopf bewegt sich von links nach rechts und wieder zurück.
„Ed ist nur eine Figur in deinem gnadenlosen Spiel, Big John!", schreit er. „Uns alle hast du hin und her geschoben wie Figuren auf einem Schachbrett. Wir alle haben ein furchtbares Verbrechen verschwiegen, auf das der Tod steht. Aus Angst vor dir und deinem mächtigen Arm haben wir geschwiegen. Wir wussten nicht, was für eine Bestie dein Sohn schon geworden ist. Du bist verhaftet!"
Heston hat auf einmal seinen Colt in der Hand und richtet ihn auf den Großrancher. Seine Hand zittert etwas. Aber in seinem Gesicht steht ein Zug fester Entschlossenheit, der auch Big John nicht entgehen kann.
„Du bist ein kompletter Narr, dass du es wagst,, dich gegen mich zu stellen", schnauft der Rancher. „Steck den Colt weg!"
„Nein. Heb die Hände! Los, hoch!"
Big John greift nach dem leeren Glas und schleudert es dem Sheriff entgegen. Das Glas trifft den Revolver und zerschellt daran.
Da drückt Heston ab, und vielleicht weiß er selbst nicht, ob er es vor Schreck tut oder mit festem Willen. Die Kugel bohrt sich neben dem Rancher ratschend in die Theke.
Bresler schreit etwas Unverständliches.
Kate, die hereingekommen ist, bleibt schreckensbleich neben der Tür stehen.
Big John geht auf den Sheriff zu, der jetzt wahrscheinlich am meisten über sich selbst erschrocken ist. Der Rancher nimmt ihm die rauchende Waffe einfach aus der Hand, ballt die Faust und schlägt zu. Heston wird an der Wand entlang geschleudert, stolpert über einen Stuhl und geht mit ihm zu Boden.
Big John Hassel wendet sich um.
„Ich habe gesagt, dass ich ihn prügeln werde, bis er krank und lahm ist. Ist das nicht genug? Kann man von einem Vater ernstlich noch mehr verlangen?"
Bresler kneift die Lippen fest zusammen.
Hassel wendet sich dem Mädchen zu.
„Was sagst du?", fragt er.
„In dieser Stadt wurde im Januar ein Viehdieb gehenkt", erwidert das Mädchen leise. „Viele Leute sagten, der Mann wäre eigentlich gar kein Viehdieb, sondern ein armer Farmer, der nicht gewusst hätte, wie er seine Familie durch den Winter bringen soll. Man hat ihn dafür gehängt, obwohl niemand ermordet wurde. Und Sie, Big John, haben den Befehl dazu gegeben."
Hassel hat sich unter der Anklage zusammengeduckt und steht nun wie ein Tiger da, der das Mädchen anspringen will.
„Ja, so ist das gewesen", bestätigte der Keeper kratzig. „Er hat ein Rind geraubt und geschlachtet."
„Und Dale hat einen Eisenbahnschaffner ermordet! Er hat es nicht aus Not getan. Er hat gemordet, weil er das Geld dringend brauchte, das der Schaffner zu schützen hatte!", schleudert Kate dem Mann entgegen.
Der Sheriff hat sich wieder aufgerappelt. Er geht langsam zur Tür.
„Ich werde nach Denver reiten!", schreit er. „Dort gibt es einen Gouverneur."
Big John wirbelt herum und sieht den Sheriff hinausrennen. Er hört ihn über die Straße hasten. Mit einem Fluch hastet er hinterher. Draußen ist seine Kommandostimme zu hören.
„Heston, du wirst bleiben! Hörst du nicht, Heston? Hierbleiben!"
Krachend entlädt sich ein Colt. Das Echo weht zwischen den Häusern hin und her und rollt über die Dächer hinweg.
„Damit kannst du mich nicht aufhalten, Big John!", meldet sich die Stimme Hestons. „Über mich hast du keine Gewalt mehr!"
Ein Fluch und noch ein Schuss. Irgendwo schlägt eine Tür krachend zu.
Eine Weile geschieht nichts. In den Häusern rundum ist es dunkel. Niemand scheint damit etwas zu tun haben wollen. Sie lassen ihren plötzlich mutig gewordenen Sheriff allein.
Plötzlich wiehert ein Pferd.
Big John, der mitten auf der Fahnbahn steht, wirbelt herum. Er sieht den Sheriff an der Seite seines Hauses in den Sattel eines Pferdes steigen.
„Heston, bleib!", bellt der Rancher.
Der Sheriff hört nicht. Wie von der Sehne abgeschnellt, rast das Pferd los und biegt in die Frontstreet ein.
Big John hebt den Colt und feuert wieder. Das Pferd bricht vorn ein, und Heston wird über den Hals katapultiert, überschlägt sich und kracht auf den Rücken.
Big John geht langsam auf ihn zu. Als er vor ihm steht, wagt sich Heston nicht zu bewegen. Starr schaut er seinen Bezwinger in die Augen.
„Du bleibst!", sagt Big John schnarrend. „Ich werde dafür sorgen, dass dir niemand ein Pferd gibt. Denke über das, was ich sagte, nach. Ich kann meinen einzigen Sohn nicht dem Henker überantworten. Niemand kann das verlangen. In ein paar Tagen, wenn du darüber nachgedacht hast, verstehst du mich vielleicht. Bis dahin wirst du dieStadt nicht verlassen."
Big John wendet sich schroff ab und geht in den Saloon zurück.
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