Wenige Minuten später erschien Joe Cassidy. „Donegan und McBrady kommen mit ihren Söhnen, und auch Jesse Donegans Vater wird mit von der Partie sein. Jeder von ihnen ist fest entschlossen, die Sache morgen zu erledigen, und zwar ein für alle Mal.“
Ich war zufrieden. Wir würden ein Dutzend Männer sein. Zu meiner Zufriedenheit gesellte sich ein hohes Maß an Sicherheit, am kommenden Tag die Angelegenheit zu Gunsten der Siedler entscheiden zu können.
*
Als die Sonne ihre ersten Strahlen ins Land schickte, ritt ich in den Hof der Triangle-S Ranch. Ich führte ein Pferd an der Longe, über dessen Rücken der Mann lag, der auf dem Cassidy-Land sein Leben gelassen hatte.
Auf der Ranch hatte der Betrieb noch nicht begonnen. Die Arbeiter und die wenigen Cowboys, die nicht auf irgendeiner Weide Herdenwache halten mussten, saßen noch beim Frühstück. Das Tor der Schmiede war noch geschlossen.
Ich ritt bis vor das Haupthaus und hielt an. Einige Männer traten aus dem Küchenbau, in dem auch der Speiseraum untergebracht war. Sie kamen langsam näher. Die Gesichter waren finster verkniffen, die Blicke wenig freundlich. Ich sah unter ihnen einige Cowboys, die Revolver umgeschnallt hatten.
„Ich will zu Dave Thompson!“, rief ich.
„Ich bin hier, Logan!“, erklang es.
Ich drehte den Kopf und sah den Vormann am Fenster des kleinen Gebäudes, in dem das Ranch Office untergebracht war. Er hatte die Arme in die Seiten gestemmt und verströmte eine steinerne Ruhe.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich die Cowboys hinter mir auf dem Hof verteilten. Die Ranchhelfer, von denen keiner bewaffnet war, versammelten sich vor dem Küchenbau.
„Ich bringe Ihnen einen Ihrer Männer, Thompson!“, rief ich. „Er starb gestern Abend auf John Cassidys Parzelle. Seinen Tod müssen Sie sich an Ihre Fahne heften.“
Thompson lachte giftig auf. „Ich! Wieso?“
„Sie haben ihn geschickt. Er sollte mit einigen weiteren Leuten bei den Siedlern für Furore sorgen. Ihre Schießhunde hatten einen klaren Auftrag, Thompson.“
Der Vormann verschwand vom Fenster und verließ gleich darauf das Haus. Er hatte sich einen Revolver umgeschnallt. Mit schleppenden Schritten kam er näher. Bei dem Pferd mit dem Toten angelangt griff er in dessen Haare und hob seinen Kopf etwas an. „Das ist Jeff Barner. Haben Sie ihn umgelegt, Logan?“
„Er starb, als er versuchte, Ihre verbrecherischen Anordnungen auszuführen, Thompson.“ Blitzschnell zog ich den Revolver, schlug ihn auf den Vormann an und spannte den Hahn. „Sie sind verhaftet. Heben Sie die Hände und drehen Sie sich um. Ich bringe Sie nach Amarillo, wo der Staatsanwalt Klage gegen Sie erheben wird.“
Thompson schaute mich an, als hätte ich eben kompletten Unsinn von mir gegeben. Das Schießeisen in meiner Faust ignorierte er völlig. Nach einer Weile stieß er hervor: „Sie sind größenwahnsinnig, Logan. Wenn ich meinen Männern einen Wink gebe, schießen die Sie ohne mit der Wimper zu zucken in Fetzen.“
„So, meinen Sie?“ Ich drückte ab. Die Kugel schleuderte zwischen Thompsons Füßen den Staub hoch. Der dumpfe Knall prallte gegen die Fassaden der Gebäude ringsum und wurde zurückgeworfen. Hinter Schuppen, Scheunen und Stallungen traten die Siedler hervor, die Gewehre im Anschlag, unumstößliche Entschlossenheit in den Gemütern, was der Ausdruck ihrer Gesichter nur allzu verdeutlichte.
Die Cowboys, deren Hände bei meinem Schuss zu den Revolvern gezuckt waren, erstarrten.
Thompson duckte sich ein wenig. Sein nervöser Blick sprang in die Runde, Rastlosigkeit prägte seine Züge und irrlichterte in seinen Augen. Er vermittelte den Eindruck eines Mannes, der sich im nächsten Moment herumwerfen und die Flucht ergreifen würde.
Ehe er sich von seiner Betroffenheit erholen konnte, saß ich ab und ging auf ihn zu. Der Hahn meines Revolvers befand sich wieder in der Feuerrast. „Umdrehen, Thompson!“, kommandierte ich.
„Zur Hölle mit Ihnen, Logan!“ Thompson duckte sich noch mehr. Er wirkte sprungbereit und belauerte mich, einen heimtückischen Ausdruck auf dem Grund seiner Augen, dem die Unruhe gewichen war. „Sie haben nicht den geringsten Beweis gegen mich in Händen.“
„O doch, Thompson. Ich habe vier Gefangene. Und von denen haben sich schon zwei bereit erklärt, gegen Sie auszusagen. Und die anderen beiden werden sicher nicht länger schweigen, wenn sie feststellen, dass es mit Ihrer Herrlichkeit vorbei ist.“
Einen Schritt vor dem Vormann hielt ich an.
„Ich sage es jetzt zum letzten Mal, Thompson!“, knurrte ich. „Drehen Sie sich um.“
Wir starrten uns an. Es war ein stummes Duell, ein Messen der psychischen Kräfte, und nur der Mann mit den besseren Nerven konnte gewinnen. Plötzlich schien sich der Vormann zu entspannen. Er drehte sich langsam um. Ich trat noch einen halben Schritt vor und griff nach dem Knauf seines Revolvers. In diesem Moment wirbelte Thompson herum. Seine plötzliche Bereitschaft, sich geschlagen zu geben, war nichts weiter als eine niederträchtige Finte gewesen. Jetzt versuchte er das Blatt zu wenden und mich zu überrumpeln. Es war zugleich der Auftakt zu einer blutigen Tragödie. Denn die Cowboys griffen nach den Revolvern.
Schüsse krachten. Ein höllisches Intermezzo. Der Satan schlug den Takt …
Ich fackelte nicht und schlug mit dem Revolver zu. Thompson drehte sich genau in meinen Schlag hinein. Er ging zu Boden, war aber nicht besinnungslos. Seine Faust mit dem Revolver schwang hoch, für den Bruchteil einer Sekunde schaute ich in die Mündung, dann bäumte sich in meiner Faust der Colt auf. Mit dem Brechen meines Schusses ließ ich mich zur Seite fallen.
Thompsons Hand mit dem Sechsschüsser sank nach unten.
Jetzt wurde mir bewusst, dass kein Schuss mehr fiel.
Das tödliche Lied der Revolver und Gewehre war verstummt. Es war still wie auf einem Boot Hill um Mitternacht – totenstill.
Ich rollte auf den Bauch und schaute mich um. Die Cowboys der Triangle-S lagen im Staub. Bei den Siedlern zerflatterte Pulverdampf. Die Ranchhelfer beim Küchenbau wagten sich nicht zu rühren. Ich erhob mich, ging zu Thompson hin und beugte mich über ihn. Seine Lippen bewegten sich, sie formten tonlose Worte. In seinen Augen wob das Entsetzen. Aus der Wunde in seiner Brust pulsierte Blut, der dunkle, feuchte Fleck auf seinem Hemd wurde schnell größer.
Von irgendwo her vernahm ich ein lang gezogenes Röcheln.
Ich erkannte, dass es mit Thompson zu Ende ging. „War Ihre Aktion gegen die Siedler mit Porter Kelly abgesprochen?“, fragte ich.
Sein Atem rasselte. Seine Brust hob und senkte sich unter stoßartigen Atemzügen. Ihm entrangen sich einige Wortbrocken, die ich nicht verstehen konnte. Ein Blutfaden sickerte aus seinem Mundwinkel. Plötzlich bäumte er sich auf, fiel zurück, sein Kopf rollte auf die Seite, mit einem zerrinnenden Gurgeln starb er.
Meine Frage würde nie beantwortet werden. Ich würde dem Ranchboss nichts am Zeug flicken können. Es war frustrierend.
*
Vier Tage später klopfte ich an die Tür zum Büro des Richters. Er forderte mich СКАЧАТЬ