Ein Buch für Keinen. Stefan Gruber
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Название: Ein Buch für Keinen

Автор: Stefan Gruber

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783347043282

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СКАЧАТЬ jeder in der Region weiß, dass B vertrauenswürdig ist. Der Händler kann aber nun mit diesem Schuldtitel zu B gehen, um sich sein Geld ausbezahlen zu lassen. B, der nach wie vor kein Bargeld flüssig hat, hat nun zwei Möglichkeiten, wie er an Bargeld kommt, um es dem Händler auszubezahlen:

      1) Er könnte entweder Vermögenswerte am Markt verkaufen und so zu Bargeld kommen.

      2) Er könnte den Schuldtitel annehmen und sich jemanden suchen, der diesen Schuldtitel während der Laufzeit des Kredits von A gegen Hereinnahme zu Bargeld macht. Das ist der berühmte »Dritte«, der in Paul C. Martins Beispiel einen Wechsel diskontiert. Dieser Dritte würde den Schuldtitel natürlich nicht ohne Eigennutz zu Bargeld machen, sondern gegen einen Zins (in unserem Beispiel aufgeschlagen statt diskontiert). Sobald der Kreditnehmer A nach der Fälligkeit seines Kredits der wohlhabenden Person B seinen gesamten Kredit samt Zinsen in bar überreicht hat (in Raten oder endfällig), geht Person B zum Dritten, gibt ihm das Bargeld von A (zuzüglich des verlangten Zinses), nimmt seinen Schuldtitel wieder zurück und vernichtet ihn.

      Dieses Beschaffen von gesetzlichem Zahlungsmittel (Bargeld) nennt sich »Refinanzierung« und wird im modernen Geldsystem von den Zentralbanken (Bank der Banken) ermöglicht. Sie sind dieser Dritte, der entweder Vermögenswerte der Geschäftsbanken gegen Bargeld aufkauft (üblicherweise nur zeitlich befristet gegen eine Rückkaufvereinbarung) oder eben einen Schuldtitel der Geschäftsbank während der Laufzeit gegen einen Leitzins in Bargeld umwandelt. Dieser Punkt ist tatsächlich auch der einzige fundamentale rechtliche Unterschied zwischen der Kreditvergabe von Privatpersonen und der Kreditvergabe von Geschäftsbanken. Privatpersonen müssen sich diesen Dritten am Markt suchen, Geschäftsbanken haben darüber hinaus die Zentralbank.

      Es gibt aber auch noch eine dritte Möglichkeit, wie B den Händler zufriedenstellen kann, und diese dritte Möglichkeit kennt jeder von uns, auch wenn er noch nie bewusst darüber reflektiert hat: Er bietet dem Händler an, den Schuldtitel hereinzunehmen und zu verzinsen, wenn dieser im Gegenzug vorerst auf eine Auszahlung verzichtet. Das ist der Grund für die (geringe) Verzinsung von Giralgeld am Konto oder auf Sparbüchern1. Die Bank erspart sich durch eine Verzinsung der Giralgeldguthaben die Refinanzierungskosten, weil dadurch viel weniger Menschen ihr Geld in bar nachfragen. Daneben müsste eine Geschäftsbank Giralgeldabflüsse, die durch eine Überweisung von einer Geschäftsbank zur anderen stattfinden, beim sogenannten »Clearing« in Zentralbankgeld ausgleichen. Auch das soll durch eine positive Zinszahlung verhindert werden. So viel Vertrauen haben eben die Geschäftsbanken untereinander nicht, dass sie fremdes Giralgeld akzeptieren. In unserem Beispiel hat die wohlhabende Person B die Refinanzierungskosten (anfallende Kosten bei Veräußerung von Vermögenswerten bzw. Zinszahlung an den Dritten zur Erlangung von Bargeld), bzw. die Zinskosten für den Verzicht auf die Auszahlung des Schuldtitelhalters, bereits zu Beginn dem A auf seinen Zins aufgeschlagen.1 Sie rechnet also von Anfang an damit, dass der Schuldtitel noch vor Fälligkeit auf Sicht vorgelegt und die Ausbezahlung verlangt wird. Dasselbe machen die Geschäftsbanken. Auch sie schlagen dem Kreditnehmer etwaige Refinanzierungskosten auf seinen Zins auf. Deshalb ist es Zentralbanken möglich, durch eine Änderung des Leitzinses (= Kosten für die Refinanzierung der Geschäftsbanken) indirekt Einfluss auf die Kreditvergabe zu nehmen. Erhöht sie den Leitzinssatz, wird dieser von den Geschäftsbanken an die Kreditnehmer weitergegeben und drosselt so die Kreditvergabe.

      Das »echte« Geld, das sogenannte »gesetzliche Zahlungsmittel«, wird also, neben dem Verkauf von Vermögenswerten der Geschäftsbank an die Zentralbank, hauptsächlich gegen Hereinnahme notenbankfähiger Sicherheiten2 der Geschäftsbanken »verliehen«3, d.h. hier treten die Geschäftsbanken als Schuldner auf, hinterlegen Sicherheiten bei der Zentralbank und bekommen dafür gesetzliches Zahlungsmittel in der Höhe des Werts der beliehenen Sicherheit. Geld – gleichgültig ob Giralgeld oder gesetzliches Zahlungsmittel – entsteht also stets durch einen Gläubiger-Schuldner-Kontrakt und verschwindet, wenn der Kredit getilgt ist: Tilgt der Kreditnehmer seinen Kredit, verschwindet auch das Giralgeld. Zahlt die Geschäftsbank ihr geliehenes Bargeld an die Zentralbank zurück und löst damit ihre Sicherheiten aus, verschwindet auch das Bargeld in den Tresoren der Zentralbank. Geld entsteht im Kapitalismus also immer durch ein Rechtsgeschäft zwischen Gläubiger (die Geschäftsbank oder die Notenbank) und Schuldner (der Kreditnehmer oder die Geschäftsbank). Es erblickt durch einen kreditären Akt das Licht der Welt und verschwindet nach Tilgung der Schuld im Nichts, aus dem es kam.

      Wenn also grundsätzlich jeder Giralgeld erzeugen kann, warum konzentriert sich die Geldschöpfung dann fast ausschließlich bei den Geschäftsbanken? Was macht eine Geschäftsbank zu etwas Besonderem? Nun, wie wir gesehen haben, wird das Giralgeld ja vom Schuldner am Markt ausgegeben, d.h. irgendjemand hat dann den aufgenommenen Kredit des Schuldners in seiner Hand bzw. auf seinem Konto. Ein Gläubiger einer traditionellen Wechselforderung kann in das Vermögen eines, bestenfalls mehrerer Indossanten zwangsvollstrecken. Reichen die Sicherheiten nicht bzw. sind diese stark im Wert gefallen, fährt der Gläubiger einen Verlust ein. Ein Gläubiger eines »Bankwechsels« dagegen kann in das Vermögen der gesamten Bank zwangsvollstrecken, mit dem sie für diese Forderung (lautend auf Bargeld) haftet. Geht nämlich der Kreditnehmer, der das Giralgeld zusammen mit der Geschäftsbank geschaffen hat, pleite, muss die Geschäftsbank diesen Verlust bilanziell anderweitig ausgleichen, notfalls mit ihrer Gewinnrücklage. Sie haftet also für die Werthaltigkeit des von ihr ausgegebenen Giralgeldes und sie muss stets genügend notenbankfähige Pfänder auf ihrer Aktiv-Seite haben, um die Nachfrage nach Bargeld bedienen zu können.

      Daneben bezahlen Geschäftsbanken auch beim Ankauf von Wertpapieren oder Sachvermögen mit neu erschaffenem Geld, aber auch hier müssen sich Vermögen und Verbindlichkeiten der Bankbilanzen die Waage halten, d.h. jede Kreditvergabe und jeder Ankauf von Wertpapieren oder Sachvermögen stellt eine Bilanzverlängerung dar, während jede Kredittilgung oder der Verkauf von Wertpapieren oder Sachvermögen einer Bilanzverkürzung entspricht. Dem Vermögen einer Geschäftsbank (Kreditforderungen, Wertpapiere, Sachvermögen) stehen also immer Verbindlichkeiten in gleicher Höhe gegenüber. Das bedeutet, dass eine Geschäftsbank natürlich nicht nach Belieben die halbe Welt mit neu geschöpftem Giralgeld aufkaufen kann – verringert sich nämlich nach Ankauf der Preis der Sachvermögen oder Wertpapiere, entsteht ein Ungleichgewicht in der Bankbilanz, das die Bank mit ihrem eigenen Geld (Gewinnrücklage) bzw. ihrem Eigenkapital decken muss. Kann sie das nicht, ist sie pleite. Wenn also eine Bank Vermögenswerte mit frisch gedrucktem Geld aufkauft, ist sie zwar Eigentümerin dieser Vermögenswerte, sie hat aber gleichzeitig Verbindlichkeiten in der gleichen Höhe in ihrer Bilanz stehen. Sie hat somit keinerlei Gewinn damit gemacht. Erst wenn diese Vermögenswerte im Preis steigen, hat sie Gewinn. Sinken sie, muss sie Verluste schreiben.

      Diese – schon allein anhand der Bankbilanzen – leicht nachprüfbare Tatsache wird von neoklassischen und libertären Ökonomen, die in Geld einfach ein Tauschmittel, d.h. de facto eine Ware sehen, einerseits völlig ignoriert und von Verschwörungstheoretikern – die ironischerweise im Gegensatz zur etablierten Lehre den Elefanten im Raum beim Namen nennen – wiederum als gigantischer Betrug angeprangert. Letztere sprechen dann gern von »Fiatgeld1«, d.h. von Geld aus dem Nichts, das seinen Wert nur durch den Glauben an diesen Wert erhält, während Warengeld (wie Gold) einen »intrinsischen Wert« hätte, weil es erst durch Arbeitsaufwand aus dem Boden geholt wurde. Wie wir im Laufe dieses Kapitels sehen werden, könnte nichts ferner von der Wahrheit sein, da Geld anders als auf Basis eines Gläubiger-Schuldner-Kontrakts gar nicht vorstellbar ist. Ja, Banken schaffen Giralgeld tatsächlich aus dem Nichts, sie tun dies aber gänzlich innerhalb der Rechtssphäre zwischen zwei freien Rechtssubjekten, indem auf beiden Seiten Vermögen belastet wird, um Forderungen und Verbindlichkeiten zu erstellen. Wir haben es hier also mit einem gewöhnlichen Rechtsgeschäft zu tun, das auch zwei Privatpersonen abschließen könnten, wie wir am Beispiel der Kreditschöpfung gesehen haben. Ebenso kann eine Privatperson A ihr Vermögen belasten, einen Schuldtitel ausstellen und damit beispielsweise ein Haus kaufen, wenn dieser Schuldtitel aufgrund des Vertrauens zu A als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Auch wenn A nun Eigentümer eines Hauses ist, ist dabei sein Vermögen zu keinem Zeitpunkt angewachsen, weil er ja auf der Passiv-Seite der Bilanz eine Verbindlichkeit СКАЧАТЬ