Die vier Jahreszeiten des Sommers. Grégoire Delacourt
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Название: Die vier Jahreszeiten des Sommers

Автор: Grégoire Delacourt

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783455170795

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СКАЧАТЬ ist nicht so viel los«, sagte die Dichterin. »Hier kann ich besser lesen.«

      Der Bankier steckte einen großen gelben Sonnenschirm in den Sand, um die empfindliche Haut seiner Leserin zu schützen; er klappte zwei Trigano-Sessel aus blauem Leinen auf, die wie zwei Wasserpfützen aussahen, und sie ließen sich nieder. Plötzlich sahen sie ganz alt aus. Die Dichterin sah auf ihr Buch. Der Bankier sah aufs Meer. Ihre Blicke trafen sich nicht mehr. Die Ernüchterung hatte gesiegt, hatte die Lust vergiftet.

      Victoria nahm mich bei der Hand, und wir entfernten uns. Wir gehen spazieren, riefen wir, wir kommen gleich zurück! Wir rannten zum Golfplatz, zu den Dünen, dorthin, wo die Kinder sich der Aufsicht ihrer Eltern entziehen können. Und in einem Winkel, von Wind und Blicken geschützt, legten wir uns nebeneinander, ohne die Hände loszulassen. Wir hechelten im gleichen Rhythmus, und ich stellte mir unsere Herzen im gleichen Tempo vor, wenn der Tag kommen würde. Ich zitterte.

      Dann beruhigte sich unser Atem allmählich.

      »Ist dir klar, dass in sechs Monaten vielleicht das Ende der Welt kommt und wir dann alle sterben?«

      Ich lächelte.

      »Kann sein.«

      »Das Ende der Welt! Das Ende von dir, von mir, nie wieder dieser idiotische Witz meines Vaters über meinen Vornamen, Ende, Ende, Ende! Nostradamus hat es angekündigt. Es gibt sogar Leute, die ihr allerletztes Silvester vorbereiten, zum Beispiel in der Wüste. Das ist doch bescheuert.«

      »Finde ich nicht.«

      »Was würdest du machen, wenn es das Ende der Welt wäre?«

      Ich wurde rot.

      »Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass das stimmt.«

      »Das sagst du, weil du in mich verliebt bist, und wenn dann wirklich das Ende der Welt wäre, wärst du umsonst verliebt gewesen.«

      »Überhaupt nicht. Ich bin mit dir sehr glücklich, so, wie es ist.«

      »Möchtest du mich nicht mal küssen?«

      Mein Herz raste.

      Natürlich wollte ich dich küssen, Victoria, und dich berühren, dich streicheln, mich Sachen trauen und dir erzählen, wie lange ich auf dich wartete, von meinem Herzen, das jede Nacht donnerte, von meinen Händen, die zitterten, wenn sie meine Haut berührten und sich vorstellten, es wäre deine, von meinen Fingern, die von deinen fruchtigen Lippen träumten, von diesem hungrigen und grausamen Mund, der manchmal die leidenschaftlichen Worte einer Frau sprach.

      Aber Verliebte können auch sehr schüchtern sein.

      »Doch«, sagte ich schließlich. »Doch. Und wenn das Ende der Welt kommt, wäre das Letzte, was ich mir wünsche, das.«

      »Was?«

      »Ein Kuss.«

      Ihr helles Lachen flog empor. Eine Pusteblume.

      »Da!«

      Plötzlich drehte sie sich um. Ihr Mund presste sich auf meinen, unsere Zähne schlugen aneinander, unsere Zungen schmeckten einander eine Sekunde lang, sie waren salzig, warm, das war alles; schon war sie aufgestanden und lachte.

      »Ein Kuss ist wirklich nicht das Ende der Welt!«

      Dann schwebte sie wie eine Feder über die Düne davon.

      Und mir war zum Heulen.

      Ich traf sie am Strand wieder. Das Meer zog sich zurück. Victoria ging durch den Sand zu ihren Eltern, die nichts mehr erwarteten. Im Wind die lächerlichen Möwenschreie, die mich verhöhnten. Als ich sie einholte, sah sie mich an, ihr Lächeln war traurig und sanft.

      »Ich weiß nicht, ob ich in dich verliebt bin, Louis, auch wenn du mein bester Freund bist. Liebe ist, wenn man für jemanden sterben könnte. Wenn einem die Hände kribbeln, die Augen brennen, wenn man keinen Hunger mehr hat. Und bei dir kribbeln meine Hände nicht.«

      Ihre Unschuld brachte mich um.

      In der Nähe des Bankiers und der Leserin versuchte ein altes Paar trotz Wind und ungelenken Fingern sein Strandtuch auf dem Sand auszubreiten.

      Als ich ihnen zusah, stellte ich mir Victoria und mich vor, am Ende eines Lebens zu zweit, einer wunderbaren Odyssee, die hier auf einem Moped begonnen hatte. Ein halbes Jahrhundert später waren wir hierher an den Ort unseres ersten Kusses zurückgekehrt, wo wir versuchten, zusammen unser Strandtuch auszubreiten.

      Aber Victoria stürmte in eine Welt ohne mich. Eine Welt, in der meine geduldige Liebe und mein ungeduldiges Begehren nicht vorkamen.

      Sie war mein erster Liebeskummer. Und der letzte.

      Als ich aus Le Touquet zurückkam, war meine Mutter beunruhigt.

      Mütter sind Hexen. Sie wissen, welchen Schaden die Mädchen in den Herzen ihrer Söhne anrichten können. Sie blieb da, bei mir, für den Fall der Fälle.

      Und als die Tränen flossen, nahm sie mich in die Arme, wie früher, nach dem Unglück mit dem roten Wagen. Ihre warmen und zärtlichen Arme empfingen meine ersten Tränen, die die Welt wertvoller machten, wie sie mir damals erklärte, die meinen Eintritt in die Welt der Erwachsenen markierten. Meine Taufe.

      Victoria wartete auf mich im Garten der Delalandes.

      Sie saß auf dem Beckenrand, ihre Füße im Wasser sahen aus wie zwei rosige Fischchen.

      Sie trug ein weißes Blüschen über dem Bikini und eine Brille à la Audrey Hepburn, mit der sie wie eine kleine Erwachsene aussah. Zum ersten Mal sah ich sie mit knallroten Fingernägeln, zehn kleine, glitzernde Blutstropfen. An ihrem Hals nahm ich einen Hauch von Schnittlauch, Vanille und Orangenblüte wahr, das Parfum, das die Frauen aus den vornehmen Vierteln von Lille und die aufgedonnerten Mädchen hinter dem Bahnhof benutzten.

      Ich setzte mich neben sie und steckte wie sie die Füße ins Wasser, ließ sie kreisen, wie die von Victoria. Dann wurden die Kreise größer, unsere neugierigen Füße streiften einander, berührten sich in einem aufregenden Wasserballett. Ich sorgte dafür, dass meine Füße ihre streichelten, sich in der Intimität des Wassers einen Moment mit ihnen vereinten. Sie lächelte. Ich senkte den Kopf und erwiderte ihr Lächeln.

      Die Körperteile, die am weitesten von unseren Herzen entfernt waren, lernten einander kennen.

      Ich tastete mich mit den Fingern vor: Meine Hand näherte sich ihrer in dem langsamen Tempo fünf kleiner Blindschleichen; doch als mein kleiner Finger ihren kleinen Finger streifte, schnellte ihre Hand hoch, wie eine Heuschrecke, und landete auf ihrem Bauch, auf der Wärme ihres Bauches, und es kam mir vor, als wäre es um uns herum plötzlich ganz still, wie im Kino vor der spannendsten Szene.

      Ich sah sie an. Sie wich meinem Blick aus. Ihre Stimme war ernst geworden.

      »Ich kann nicht mehr mit dir Weißer Hai spielen, Louis. Auch nicht das idiotische Water Polo, obwohl du so witzig bist, wenn du eine Bombe machst, um mich zu beeindrucken.«

      »I-Ich …!«

      »Ich bin kein kleines СКАЧАТЬ