Название: The Trial and Death of Socrates
Автор: Plato
Издательство: Ingram
Жанр: Философия
isbn: 9780486111346
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»Stille, ums Himmels willen stille!« bat das Mädchen. »Es ist Balsam, und Balsam aus der Medizintasche des großen Miko. Er wird deine Wunde heilen. Aber die Bäume haben Ohren und der Wind bläst von unten herauf. Ich bin es, Canondah ist es«, wisperte sie mit einer Stimme, deren Zittern sie Lügen strafte.
»Es ist Canondah«, wiederholte sie, indem sie noch einige Tropfen Balsams in seine Wunden goß, sie dann mit Bandagen umwand und endlich verband.
»Hier«, flüsterte sie, »ist der Saft von Trauben. Hier ist gebratenes Fleisch von unsern Wasservögeln und Wildbret. Und dies wird dich warm halten«, fuhr sie fort, ihn in die Wolldecke hüllend. Noch einmal wandte sie sich, als sie am Ausgange stand und dann kletterte sie wieder zurück über den Stamm und floh ihrer Wohnung zu. Je näher sie der Hütte kam, desto langsamer, schwankender wurden ihre Schritte. Als sie in die Laube trat, suchte ihr Auge die Gestalt Canondahs.
»Rosa«, murmelte die Indianerin. »Was hast du getan? Der Miko hat nach dir gefragt?«
»Hier«, erwiderte das Mädchen, ihr atemlos die Phiole reichend.
»Komm!« sagte die erstere, und sie bei der Hand fassend, traten beide in die Stube.
»Die weiße Rosa hat das Blut von ihren Wangen verloren; seit den letzten zwei Monden sind ihre Augen mit Wasser gefüllt. Der Häuptling der Salzsee wird sie trocknen«, sprach der alte Mann.
Ein tiefer Seufzer entstieg der Brust des Mädchens. Sie begann zu schluchzen und laut zu weinen.
»Die weiße Rosa«, fuhr der Miko kalt und ruhig fort, »wird das Weib eines großen Kriegers sein, der ihr Wigwam mit der Beute seiner Feinde füllen wird. Ihre Hände werden nie arbeiten dürfen, und sie wird von allen Squaws beneidet sein.« Und mit diesen Worten streckte er seine Schenkel auf die Bank, hüllte sich in seine Wolldecke und legte sich zur Ruhe. Canondah ergriff Rosas Hand, und sie sanft mit sich in das zweite Gemach ziehend, führte sie sie gleichfalls ihrem ländlichen Diwan zu und drückte sie sanft auf diesen nieder.
Rosa legte sich schweigend, aber vergeblich bemühte sie sich, ihre Augen zu schließen. Die blasse, sterbende Gestalt des Fremden stand vor ihrem Blicke und raubte ihr Ruhe und Rast. Eine Stunde verging nach der andern, und sie war noch immer wach. Endlich ließ sich ein Geräusch in der Vorderstube hören, das andeutete, daß der Miko bereits aufgestanden war.
Canondah sprang vom Lager, näherte sich Rosen, bog sich über das Mädchen, legte ihren Zeigefinger auf ihre Lippen und eilte in ihres Vaters Stube. Der Häuptling war mit Anstalten zu einem weiten Ausfluge beschäftigt, der großen Herbstjagd nämlich, die bei diesen Stämmen mehrere Wochen und selbst Monate dauert und sich über Landstrecken von Hunderten von Meilen ausdehnt. Seine Vorbereitungen waren bald getroffen. Er nahm einen großen Beutel, mit Tabak gefüllt, einen andern mit Blei, legte beide sorgfältig in seine Jagdtasche und hing diese über seine Schulter. Hierauf steckte er sein Schlachtmesser in seinen Gürtel und nahm den doppelläufigen Stutzen. Ein junger Indianer trat herein, dem er Bogen, Pfeile und einen Sack, mit Lebensmitteln gefüllt, übergeben ließ. Seine Tochter hatte dies schweigend getan. Sie stand nun mit gefalteten Händen und erwartete die Befehle ihres Vaters. Dieser legte seine flache Rechte auf ihre Stirne, blickte ihr eine Weile teilnehmend ruhig ins Gesicht – dann schienen seine Züge sich zu mildern, die Augen von Vater und Tochter begegneten sich, und gleichsam als ob sie sich verständigt hätten, wandte sich ersterer der Türe zu.
An fünfzig Männer waren bereits vor der Hütte versammelt, vollkommen gerüstet und bewaffnet. Still und schweigend waren sie gekommen; kein Laut, kein Fußtritt war zu vernehmen gewesen. Kaum war ihr Häuptling in ihrer Mitte, als sie eben so still sich ihm anschlossen und mit einer Heimlichkeit der Uferbank zueilten, die im Zwielichte beinahe Grauen erregte.
Die Tochter hatte ihren Vater nicht weiter als bis zur Türe begleitet, wo der Wink des letztern sie stillstehen hieß. Horchend stand sie eine Weile, bis der leise Wasserschlag der Ruderer gehört wurde; dann schloß sie die Türe und eilte ins innere Gemach.
»Sie sind gegangen«, sagte sie.
»Dann laß uns zum Fremden eilen«, erwiderte Rosa.
»Die weiße Rosa«, sprach die Indianerin im milden, aber ernsten Tone, »muß schlafen, sonst wird ihr blasses Gesicht verraten, was in ihrem Busen begraben ist. Meine roten Schwestern sind fein und verschlagen, ihre Augen weit offen. Sie würden die Spuren leicht finden, die wir gestern im Rohrfelde gelassen haben. Ein Mädchen könnte nun den Miko einholen. Canondah will nach dem Fremden sehen; aber ihre Schwester muß ausruhen.« Sie preßte ihre Freundin sanft auf das Lager und verschwand hinter dem Vorhange.
War es die ruhige, milde Sprache der Indianerin, deren Treue und schwesterliche Liebe ihr wohl bekannt sein mochte, oder Müdigkeit? Rosa fiel nach wenigen Minuten in einen tiefen Schlaf.
Fünftes Kapitel
Der Indianer hat neben vielen edlen und großartigen Zügen, die zusammengenommen seinen Nationalcharakter bilden, und zwar einen Nationalcharakter, dessen moralische Höhen und Tiefen bei weitem noch nicht gehörig gewürdigt sind, einen, der ihn minder vorteilhaft kleidet und den der Sittenmaler seiner Nation gerne vermissen würde. Es ist dies die auffallend rohe, selbstische Gleichgültigkeit oder vielmehr Fühllosigkeit, mit der sie ihre Weiber behandeln: eine Fühllosigkeit, die zwischen den unglücklichen Geschöpfen und einem Haustier nur wenig Unterschied kennt. Vielleicht sind dieser Fühllosigkeit einzig und allein jene schwarzen Flecken zuzuschreiben, die ihrem häuslichen und öffentlichen Leben den so widerlichen Stempel tierischer Grausamkeit und Unempfindlichkeit und hinwieder der stupidesten Indolenz aufdrücken: ein Stempel, der aus einem indianischen Sittengemälde bloß eine fortgesetzte Szene von Grausamkeiten oder ekelhaftem Faulleben bildet, nur selten durch eines jener sanftern Reliefe aufgehellt, die ein höherer Grad von Achtung gegen das weibliche Geschlecht notwendig erzeugen müßte. Die indianischen Völkergeschichten haben auffallend bewiesen, daß Nationen, wo bloß die eine Hälfte Menschenrechte genießt, immer nur Wilde oder Barbaren sein werden, und daß jene Reibung im gesellschaftlichen Leben, wo das Weib dem Manne mit gleichem Rechte gegenüber steht, zur Veredlung des Geschlechtes unumgänglich nötig sei.
Ein Volk, bei dem das Weib auf einer, ihrer ursprünglichen Würde nicht angemessenen Stufe steht, wird jederzeit mehr oder weniger barbarisch sein, und der richtigste Maßstab der Aufklärung eines Volkes wäre wohl das Verhältnis, in welchem die zweite Hälfte zur erstem in ihren Privat- und öffentlichen Verhältnissen steht. Des Weibes Bestimmung ist weder die des Lasttieres, noch der Sklavin der sinnlichen Begierden des Mannes – sie soll weder das frivole Spielwerk müßiger Stunden, noch die Abgöttin seiner törichten Leidenschaften sein. Sie soll sein die Teilnehmerin an dem Wohl und Wehe ihres Mannes – seiner drückenden sowie erhebenden Gefühle innigste Vertraute, die Freundin seines Herzens, der Leuchtturm seines Verstandes, der ihn auf seinem Lebenspfade leitet, der schützende Genius seiner Kinder, der künftigen Generation. Des Mannes ertötender Sinn soll sie aufregen, und so wie sie die beschützende Gottheit des häuslichen Heiligtums ist, soll sie wehren helfen durch Mut und Festigkeit, daß keine verruchte Hand sich an diesem vergreife. Nur die Nation, wo das Weib dieses errungen, sich so hoch emporgeschwungen, – nur sie ist zur Freiheit geboren. Und nie wird diese Göttin einkehren, wo sie nicht ihren häuslichen Herd unbeschränkt besitzen und dem Tyrannenknecht das Eindringen in ihr Heiligtum wehren darf СКАЧАТЬ