Название: Die Abenteuer des Sherlock Holmes
Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Reclam Taschenbuch
isbn: 9783159617220
isbn:
Arthur Conan Doyle
Die Abenteuer des Sherlock Holmes
Aus dem Englischen übersetzt von Silvia Böcking, Ursula Geiger, Ulrike Jung-Grell, Ingrid Krüger-Dürr, Hans-Christian Oeser, Karin Polz, Evi Spreitzer, Klaus Timmermann und Ulrike Wasel
Nachbemerkung von Alexander Reck
Reclam
1989, 2007, 2020 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung
Coverabbildung: © Alamy Stock Foto / Sira Anamwong (Sherlock); © shutterstock.com / DUYGU YALCIN (Violine)
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2020
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961722-0
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020595-2
Inhalt
Das Geheimnis vom Boscombe-Tal
Skandal in Böhmen
I
Für Sherlock Holmes ist sie stets die Frau. Selten hörte ich, dass er sie unter einem anderen Namen erwähnt hätte. In seinen Augen überragt und überschattet sie ihr ganzes Geschlecht. Nicht, dass er für Irene Adler irgendeine der Liebe vergleichbare Empfindung verspürt hätte. Alle Gefühle, insbesondere aber dieses eine, waren seinem leidenschaftslosen, peniblen, aber bewundernswert ausgeglichenen Gemüt ein Gräuel. Er war, wie ich meine, der perfekteste Denk- und Beobachtungsapparat, den die Welt je erblickt hat; der Rolle des Liebhabers indes wäre er nicht gewachsen gewesen. Niemals sprach er von den zarteren Regungen anders als mit Spott und Hohn. Dem Beobachter waren sie ein hochgeschätzter Gegenstand, eine vortreffliche Gelegenheit, den Schleier, der über den Motiven und Handlungen der Menschen liegt, zu lüften. Doch für den geschulten Denker hieße derartige Einbrüche in sein eigenes heikles, feingestimmtes Temperament zu dulden einen Störfaktor einzuführen, der alle seine Denkresultate in Zweifel ziehen mochte. Staub in einem empfindlichen Instrument oder ein Sprung in einem seiner Vergrößerungsgläser könnte nicht störender wirken als ein heftiges Gefühl in einer Natur wie der seinigen. Und doch gab es nur eine Frau für ihn, und diese Frau war die kürzlich verstorbene Irene Adler zweifelhaften und fragwürdigen Angedenkens.
Ich hatte in letzter Zeit wenig von Holmes gesehen. Durch meine Heirat hatten wir uns auseinandergelebt. Mein vollkommenes Glück und die häuslichen Aufgaben, welche einem Mann erwachsen, der sich erstmals in der Lage findet, Herr eines eigenen Hausstandes zu sein, beanspruchten meine Aufmerksamkeit zur Genüge, während Holmes, der jede Form von Gesellschaft mit der Vehemenz des Bohemiens verabscheute, in unserer möblierten Wohnung in der Baker Street blieb, sich unter seinen alten Büchern vergrub und von Woche zu Woche zwischen Kokain und Ehrgeiz wechselte, zwischen der Einschläferung durch die Droge und der unbändigen Tatkraft seines lebhaften Charakters. Nach wie vor schlug ihn das Studium des Verbrechens in seinen Bann und verschaffte er seinen gewaltigen Fähigkeiten und seiner außergewöhnlichen Beobachtungsgabe Nahrung, indem er den Anhaltspunkten nachging und die Geheimnisse enträtselte, deren Lösung die Polizei als hoffnungslos aufgegeben hatte. Von Zeit zu Zeit drangen unbestimmte Berichte über seine Tätigkeit an mein Ohr: seine Vorladung nach Odessa im Mordfall Trepoff, die Aufklärung der ungewöhnlichen Tragödie um die Gebrüder Atkinson in Trincomalee und endlich der Auftrag für das holländische Herrscherhaus, den er so überaus taktvoll zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hatte. Außer diesen Anzeichen seiner Tätigkeit, die ich lediglich mit allen Lesern der Tagespresse teilte, wusste ich indessen nur wenig von meinem früheren Freund und Gefährten.
Eines Nachts – es war der 20. März 1888 – kehrte ich von einem Patientenbesuch zurück (ich hatte nämlich meinen Zivilberuf inzwischen wiederaufgenommen), als mich mein Weg durch die Baker Street führte. Als ich an der mir wohlbekannten Tür vorüberkam, die sich in meiner Erinnerung stets mit der Zeit, da ich auf Freiersfüßen ging, und mit den mysteriösen Vorfällen um die Studie in Scharlachrot verband, überkam mich das heftige Verlangen, Holmes wiederzusehen und zu erfahren, wie er seine außerordentlichen Gaben einsetzte. Seine Räume waren hell erleuchtet, und als ich hinaufschaute, sah ich eben die dunkle Silhouette seiner hohen, hageren Gestalt zweimal hinter der Jalousie vorübergehen. Rasch, ungeduldig schritt er im Zimmer auf und ab, den Kopf auf die Brust gesenkt und die Hände auf dem Rücken verschränkt. Für mich, der ich alle seine Stimmungen und Gewohnheiten kannte, sprachen seine Haltung und sein Gebaren für sich. Er war wieder bei der Arbeit. Er hatte sich aus seinen von der Droge genährten Träumen gerissen und war einem neuen Problem dicht auf der Spur. Ich läutete und wurde zur Kanzlei hinaufgeführt, die ich seinerzeit mit ihm geteilt hatte.
Sein Verhalten war nicht überschwänglich – das war es selten –, aber er war, glaube ich, doch angetan, mich zu sehen. Ohne viel Worte zu verlieren, aber mit einem wohlgefälligen Blick winkte er mich zu einem Lehnsessel, warf sein Zigarrenetui herüber und wies auf eine Kredenz und ein Sodasiphon in der Ecke. Dann blieb er vor dem Kamin stehen und musterte mich auf seine ungewöhnliche, durchdringende Art.
»Die Ehe bekommt Ihnen«, stellte er fest. »Ich glaube, Watson, Sie haben siebeneinhalb Pfund zugenommen, seit ich Sie das letzte Mal sah.«
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