Unsagbare Dinge. Sex Lügen und Revolution. Laurie Penny
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Название: Unsagbare Dinge. Sex Lügen und Revolution

Автор: Laurie Penny

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия: Nautilus Flugschrift

isbn: 9783864381737

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СКАЧАТЬ und ein sauberes T-Shirt. Für Frauen dagegen bedeutet »Schönheit«, dass sie, um sich überhaupt in vertretbaren Rahmen zu bewegen, schon Leid und Geld investieren müssen. Unser Körper ist das Wichtigste an uns, und wenn wir ihn sich selbst überlassen, verrät er uns, wird dick und unkontrollierbar.

      In Italien gibt es die Tradition des sciopero bianco, des weißen Streiks. Auf Deutsch würde man »Dienst nach Vorschrift« sagen: Angestellte, die nicht streiken dürfen, wehren sich gegen ihren Chef, indem sie buchstabengetreu nur noch ihren Arbeitsvertrag erfüllen. Krankenschwestern gehen ab 17.01 Uhr nicht mehr ans Telefon. Bahntechniker führen so strenge Sicherheitskontrollen durch, dass die Züge stundenlang Verspätung haben. Bei Essstörungen und anderen Formen der gefährlichen Selbstverletzung wird der weiße Streik auf die Spitze getrieben: Frauen, Angestellte in prekären Arbeitsverhältnissen, junge Leute, die, völlig erschöpft vom modernen Leben, in akute Not geraten und für soziale Normkonformität einen hohen Preis zu zahlen hätten, setzen sich zur Wehr, indem sie nur noch tun, was sie tun müssen, und zwar aufs Extremste. Arbeite hart, iss weniger, konsumiere wie wahnsinnig; sei dünn und perfekt und nett, sei fügsam und folgsam, verlange dir alles ab, bis du zusammenbrichst. Es ist kein Zufall, dass Essstörungen häufig mit zwanghafter Überarbeitung und Perfektionismus in der Schule, am Arbeitsplatz oder zu Hause einhergehen. Wir haben alle Regeln befolgt, scheinen die Betroffenen zu sagen – und nun seht, wozu ihr uns getrieben habt.

      In der Schule und im Beruf sind Mädchen leichter zu steuern als Jungs. Sie sind eher bereit, für Prüfungen auswendig zu lernen, Anordnungen zu befolgen, Pflichten zu erfüllen,20 und als Belohnung werden sie oder Mädchen wie sie auf der Titelseite der örtlichen Zeitung abgebildet, wie sie im knappen Top, mit guten Noten und knackigem Hintern in die Luft springen, in der Hand das Diplom, mit dem sie den begehrten Marketing-Job an Land ziehen werden.

      Mädchen rebellieren seltener als Jungen. Zu viel steht für sie auf dem Spiel. Wir wissen, dass man uns nicht nachgibt, wenn wir zornig werden, man hat uns beigebracht, unsere Wut nach innen zu richten, eher uns weh zu tun als anderen. Wir folgen dem Stereotyp, nach dem rebellische junge Männer andere verletzen, durchgedrehte junge Frauen dagegen sich selbst, zwanghaft, gefährlich. Essstörungen und Selbstverletzung, Fressattacken, Erbrechen, Hungern, Ritzen und Brennen – das alles wird zu einer wortlosen Sprache der weiblichen Not. Wenn ihr es in eurer Jugend nicht auch gemacht habt, kennt ihr sicher jemanden. Wir erfahren dieses Trauma am eigenen Leib. Es ist körperlich. Es tut verdammt weh.

       Work it, Baby

      Der »Neue Feminismus«, wie er sich nannte – das war, ehe der Begriff den Frauenmagazinen zu brisant wurde –, predigte Frauen und Mädchen hingebungsvoll, sie könnten selbstermächtigt, unabhängig, politisch und trotzdem schön sein. Oder zumindest könnten sie sich, wenn sie nicht schön seien, den sozial vorgegebenen Ritualen der Schönheit hingeben. Bis heute befassen sich Zeitschriftenartikel und Fernsehsendungen in diesem Bereich mit den prosaischsten und intimsten Fragen: Darf sich eine selbstermächtigte Frau die Beine rasieren? Kann ich Feministin sein, wenn ich gern Lippenstift und neckische Kleider trage? Dieser Blödsinn ist zu einem Gutteil noch als Reaktion auf das abgehalfterte Stereotyp zu verstehen, nach dem Feminismus unschön ist, und unschön zu sein – also hässlich – ist das Allerschlimmste, was einer Frau passieren kann.

      Dieses Stereotyp reicht zurück zu den Feministinnen der zweiten Welle in den 1970er und 1980er Jahren, die zum Teil tatsächlich Hosen trugen und sich nicht rasierten – doch in den USA gab es neben Andrea Dworkin im Overall auch Gloria Steinem, die wie eine klassische Sexbombe aussah und so undercover als Playboy Bunny in Hugh Hefners New Yorker Playboy Club gelangen konnte; sie verfasste einen vernichtenden Text über den Umgang mit Frauen in dieser bizarren Welt. Und da war Germaine Greer mit Beinen bis zu den Ohrläppchen, die auf einem Titelbild der Londoner Untergrundzeitschrift Oz halbnackt als völlig neuartiges Sexsymbol ihre markanten Wangenknochen, die schlanken gespreizten Oberschenkel und eine ungenierte Libido zur Schau stellte.

      In Wahrheit soll das Stereotyp der BH-verbrennenden Feministin mit den behaarten Beinen suggerieren, dass Feminismus, ja dass Politik eine Frau hässlich macht. Dass die Frauenemanzipation eine Gefahr darstellt für die traditionelle Vorstellung von Weiblichkeit und von der sozialen Rolle einer Frau. Was natürlich so ist und schon immer so war.

      Die Furcht der Frauen, nicht als schön zu gelten, ist durchaus begründet. Wie jüngste Studien nachweisen, sind sich die meisten von uns schon in ihrer Jugend tief und schmerzhaft bewusst, dass sich die Abweichung von der Norm dessen, was unsere Gesellschaft als »schön« betrachtet, für jede Frau und jedes Mädchen negativ auswirkt. Frauen und Mädchen, die im Erscheinungsbild, im Gewicht, im Stil, in der Hautfarbe oder in der Gender-Präsentation von gängigen Schönheitsnormen abweichen, erleben Diskriminierung am Arbeitsplatz und messbare Hürden bei Lohnerhöhung und Beförderung. Die Definition von »Schönheit« ist heutzutage dermaßen eng, überhöht und verwestlicht, dass ihr im echten Leben fast keine Frau gerecht werden kann, selbst wenn sie das Glück hat, von Natur aus mit einem Gesicht und einer Figur gesegnet zu sein, die sie für eine Modelkarriere prädestinieren. Und genau das ist der Zweck der Sache.

      Sehr viele Frauen sind zudem der Schönheitskultur alternativlos ausgeliefert; das trifft besonders diejenigen, die in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und immer mehr Zeit, Mühe und Energie darauf verwenden müssen, Kunden schöne Augen zu machen, sie zu bedienen, ihnen Wärme, Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Weil ich zu Hause arbeite, sitze ich ungeschminkt mit zurückgekämmtem Haar am Schreibtisch, doch wäre ich so zu meinem Job als Verkäuferin in Camden Market erschienen, wäre ich schneller gefeuert worden, als ich hätte »Doppelmoral« sagen können. Allerdings sollte, wer am Arbeitsplatz, aber auch anderswo ernst genommen werden will, auch wieder nicht zu hübsch sein.

      Hübsche Mädchen sind Anfeindungen von anderen Mädchen gewöhnt. Sie sind aber nicht der Feind. Wer mit einem unvorteilhaften Äußeren aufwächst, mag schnell zu einer solchen Ansicht gelangen. Ich hatte früher eine Heidenangst vor den Mädchen, denen das Mädchenhafte nur so zuzufliegen schien, den umwerfenden anmutigen Wesen, die flirtend und SMS schreibend hinten im Schulbus saßen. Ich brauchte Jahre, bis ich begriff, dass das Privileg, hübsch zu sein, auch so seine Probleme mit sich bringt. Auch die hübschen Mädchen müssen sich mit Schikane und Gewalt arrangieren, mit dem Druck, Fleisch und Verlangen zu drosseln, mit dem Gefühl, abgeurteilt und abqualifiziert zu werden.

      Eine hübsche junge Frau ist ein Widerspruch in sich, denn sie entfacht gleichzeitig Begierde und Abscheu. Sie hat eine Macht, die angeblich alle Frauen haben wollen, die einzige Macht, die sie haben darf, nämlich zu gefallen und bei Männern sexuelle Beachtung zu finden – und daher ist es unabdingbar, ihre Macht in die Schranken zu weisen. Wer in dem Hübsches-Mädel-Spiel Erfolg hat, und sei er noch so kurzlebig, ist dem Misstrauen und den Anfeindungen anderer Frauen ebenso ausgesetzt wie der schmachtenden Verachtung der Männer. Das hübsche Mädel gilt als belanglos, intellektuell uninteressant; sie ist nur zum Vergnügen der anderen da. Bestenfalls ist sie eine Muse, faszinierend und rätselhaft. Verborgene Tiefgründigkeit gesteht man ihr zu, solange sie genau da bleibt – im Verborgenen.

      Mädchen und erwachsene Frauen werden angehalten, um jeden Preis schön zu sein und mit anderen Frauen um Liebe, um Aufmerksamkeit, um die wenigen Trostpreise zu buhlen, die die bekommt, die sich am meisten anstrengt. Hübschen Mädchen und hässlichen Mädchen wird beigebracht, einander zu fürchten: Wenn Macht ein Produkt des »erotischen Kapitals« ist, kann es zwischen denen, die sich um die Trostpreise reißen, schließlich keine Solidarität geben. Du kannst nicht gewinnen. Wenn sich eine Frau dazu entschließt, ein politisches Statement abzugeben, indem sie weniger Zeit auf die Körperpflege verwendet, wird sie ins Lager der BH-verbrennenden Emanzen mit Haaren an den Beinen gesteckt, doch wenn sie sich konventionelle Schönheitsstandards zu eigen macht oder einfach nur Gefallen daran findet, gilt sie als oberflächliche manipulative Schlampe.

      Interessanterweise СКАЧАТЬ