Antisemitismus. Achim Bühl
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СКАЧАТЬ verbunden, sodass die Vollendung der gesamten Schöpfung an die Extermination des Prinzips der Finsternis gekoppelt ist. Ohne die endgültige Überwindung des Gegenpols ist der Anbruch einer besseren Welt blockiert.

      »So gibt es zwei Staaten oder Städte, Jerusalem und Babylon, zwei Völker, die Gott liebenden Bürger Jerusalems und die die Welt liebenden Bürger Babylons, und zwei Könige, Christus als König Jerusalems und den Teufel als König Babylons. Zwischen diesen beiden Staaten und zwischen den beiden Völkern und Königen aber herrscht immerfort Krieg, Zwietracht und Kampf; und jeder der beiden kennzeichnet seine Soldaten, Christus die Seinen und der Teufel die Seinen, damit jeder seinen König erkennt und von ihm erkannt wird. […] Die Soldaten Christi aber folgen ihrem König, und die Soldaten des Teufels folgen ihrem König.« (Hugo von St. Viktor: Miscellanea, Sp. 496A, zitiert nach Althoff 1998: 208)

      Das manichäische System umfasst das Motiv einer totalitären Deutung der Welt sowie die heilsgeschichtliche Maxime eines mörderischen Kampfes gegen das Prinzip der Finsternis. Im Vortrag des Hofpredigers Adolf Stöcker mit dem Titel Der Kampf des Lichtes gegen die Finsternis, der Charakter und die Aufgabe der Gegenwart aus dem Jahr 1880 heißt es:

      »Der Kampf zwischen Licht und Finsternis wird nicht an einem Abend oder in einem Jahre ausgekämpft, er dauert so lange, bis wir die müden Augen zur Ruhe senken; wer ein tapferer Kämpfer sein will, der muss sich geloben, getreu zu sein bis in den Tod, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, bis ihm beigelegt wird die Krone der Gerechtigkeit. Für das Licht kämpfen ist nicht leicht, denn die Finsternis ist schlecht, aber schon das Bewusstsein, für die gute Sache zu streiten und hin und wieder doch einen Sieg zu gewinnen, erhebt und begeistert.« (Stöcker 1890: 101)

      Die säkulare Adaption des Manichäismus führt zu einer Pseudoreligion, welche die Erlösung der Welt durch die Vernichtung des „Fremden“ verheißt. Der Manichäismus potenziert die im rassistischen Verständnis angelegten Dualismen in ein mörderisches System, welches nur noch das Überleben oder den Untergang kennt. Die Historie durchläuft im manichäistischen Weltbild drei Phasen: Im Anfangszustand sind die Prinzipien der Finsternis und des Lichts vollständig getrennt, im Lauf der Geschichte befinden sie sich in einem ununterbrochen währenden Kampf miteinander, während die Endzeit auf eine endgültige Trennung per Vernichtung des Fremden hinausläuft.

      »Am Ende aber werden die Bürger Jerusalems mit ihrem König am himmlischen Hof triumphieren, die Bürger Babylons aber werden mit ihrem König im Gefängnis der Hölle mit ewigen Strafen gemartert.« (Honorius Augustodunensis: Speculum, Sp. 1093 D, zitiert nach Althoff 1998: 208)

      Überdeutlich erkennbar ist der Manichäismus beim pangermanistischen Historiker und Schriftsteller Ewald Banse (1883–1953), welcher der NSDAP 1933 beitrat und dessen Publikationen wie das im Jahr 1926 erschienene Werk Abendland und Morgenland dem nationalsozialistischen Rassismus den Weg ebnen halfen. Gleich zu Beginn heißt es hier:

      »Tragik in jedem Menschenleben ist, dass Gut und Böse, helles und dunkles Prinzip, […] mit einem Worte: Gott und Teufel gegeneinander zu Felde liegen und um die Oberhand ringen. […] Gut sein, das heißt, das Böse abtöten. Schlecht werden, heißt das Böse nicht überwinden können. […] Diese Unterscheidung […] findet sich wieder zwischen Rasse und Rasse. Es gibt gute und es gibt schlechte Rassen. Die guten, d. h. schöpferischen Rassen sind die hellen, insbesondere die nordische oder germanische; die schlechten, d. h. nur empfangenden Rassen sind die farbigen, am meisten die schwarze. Nirgends aber auf Erden tritt das Gegenspiel zwischen Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Schaffen und Nachahmen so auffallend, so fesselnd und so lehrreich zutage wie in den beiden Nachbar-Erdteilen Abendland und Morgenland. Beide sind Gegensätze und einander feindselig seit Jahrtausenden. […] So sind Abendland und Morgenland mehr als zwei geographische Begriffe – sie sind schicksalhaft aneinander gefesselt und suchen einander zu überwinden. Es ist der lautlose Kampf von Rasse gegen Rasse, zwischen Herr und Knecht, zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Weiß und Schwarz, zwischen Gut und Böse – nun eben zwischen Gott und Teufel.« (Banse 1926: 7/8)

      Die antisemitische Ideologie adaptierte das manichäistische System nicht erst in den Schriften des dt. Nationalsozialismus, sondern bereits im 4. Jh. nach Christi in Gestalt der Konzeption des Antichristen, der das Prinzip der Finsternis bzw. der Antigöttlichkeit verkörpert, für dessen Existenz die Ermordung Christi verantwortlich gemacht wurde. In der Vorstellungswelt der mittelalterlichen Judenfeindschaft bekämpfte der Antichrist als apokalyptische Figur gemeinsam mit den „roten Juden“ als den Mächten der Finsternis Christus bei dessen Wiederkunft. Erst der Sieg Christi beendet die weltliche Gemengelage von Gut und Böse und führt schließlich zur Verheißung.

      In Abrede gestellt werden soll damit nicht, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s der Antisemitismus seinen ideologischen Charakter, seine politischen Erscheinungsformen, seine Träger als auch seine Funktionalität veränderte, aber es ist bemerkenswert, dass die moderne Rassenideologie dem manichäistischen Weltbild verhaftet blieb und der „Rassenkampf“ als Endzeitkampf zwischen dem Prinzip des Bösen in der Person des „Semiten“ und dem Prinzip des Guten in Gestalt des „Ariers“ im Mittelpunkt der pseudobiologisch gestützten nationalsozialistischen Weltanschauung und ihres Vernichtungsantisemitismus stand. An die Stelle von Christus trat nunmehr der „Arier“ als Lichtgestalt, als Weltenretter, der die Menschheit vom „Semiten“ erlöst.

      Die Kontinuität derlei manichäistischer Denkmuster auf säkularer Grundlage verdeutlicht das klassische Werk des „Rassenantisemitismus“ nämlich Eugen Dührings im Jahr 1881 erschienene Schrift Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage. Erst dem dt. Nationalsozialismus und Autoren wie Hitler und Rosenberg gelang es, Dührings Manichäismus noch zu steigern, insofern in ihren Schriften „der Jude“ als Sinnbild alles nur erdenklich Bösen sowie als »Urstoff alles Negativen« erscheint. Der 1833 geborene Berliner Philosoph Dühring war zu Lebzeiten einer der einflussreichsten Antisemiten des Wilhelminischen Kaiserreichs. Die sogenannte „Judenfrage“ stellte sich für Dühring als Eigenheit eines elementaren Rassengegensatzes dar, der aus dem Tatbestand resultiere, dass es sich beim Judentum um den Feind aller Kulturvölker handele. Bereits bei Dühring stellen die Juden das „Prinzip der Finsternis“ dar, gegen das sich alle anderen Völker, die das „Prinzip des Lichts“ verkörpern, zu wehren hätten. Bei Dühring handelt es sich um einen endzeitlichen Kampf, der über Untergang oder Überleben entscheidet. Die „jüdische Rasse“ verfolge die Absicht, die Weltherrschaft zu erobern, alle anderen Völker zu unterdrücken wie auszubeuten und sei ein schädlicher „Parasit“, dessen „Wirt“ auf absehbare Zeit absterben werde, wenn es ihm nicht gelinge, den Überlebenskampf aufzunehmen und sich des tödlichen Feindes mittels eines Notwehraktes zu erwehren. Der Manichäismus liegt bei Dühring in aller Klarheit vor, obwohl dieser die Definition des Judentums als einer Religion für irrig hielt. Der Berliner Philosoph sah die jüdische Religion vielmehr als Ausdruck »jüdischer Rasseeigenschaften« und verstand den Monotheismus in antichristlich gewendeter Intention als Eigenheit »jüdischer Intoleranz«. Da der Rassebegriff bei Dühring zentral ist, lehnte dieser folglich eine Taufe bzw. die Konversion entschieden ab, da es so zur »Rassenmischung« komme.

      Das »praktische Programm« Dührings sah die »völkerrechtliche Internierung« der Juden vor, die »Ausgliederung« von Juden sowie ihre »Deportation« bei Landesverrat, die Kontrolle ihres Vermögens sowie die Beseitigung ihres Einflusses auf dem Gebiet des Staatsapparats, der Presse und der Erziehung sowie ein Verbot von Mischehen. Als Endziel der von ihm gewünschten Politik bezeichnete Dühring explizit die »Ausscheidung des Judentums«, so heißt es etwa:

      »Darum kann auch für die bis jetzt absehbaren Verhältnisse nicht auf die Anwendung jenes leitenden Grundsatzes verzichtet werden, Ausnahmeschädlichkeiten auch mit Ausnahmemitteln zu behandeln. […] Der allgemeine Weg zu einer nicht halben, sondern ganzen Lösung der Judenfrage […] kann kein blos geistiges Princip und auch kein Princip der Judenbesserung sein. Er muss in Einschränkungen von Ausnahmenatur bestehen, die allein für die Angehörigen des Judenstammes gültig СКАЧАТЬ