Название: Tom Jones
Автор: Генри Филдинг
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Große verfilmte Geschichten
isbn: 9783955012229
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Dieser Grenznachbar war eben zu Pferde in einer geringen Entfernung von ihnen, und als er den Schuß fallen hörte, ritt er augenblicks nach der Stelle zu und entdeckte den armen Jones, denn der Wildmeister war in ein Dickicht des Tangelbusches gesprungen, woselbst er sich glücklich verborgen hielt.
Nachdem der Junker den Burschen durchsucht und das Feldhuhn bei ihm gefunden hatte, gelobte er ihm bittere Rache und schwur: er wolle es Herrn Allwerth anzeigen. Er hielt redlich Wort, denn er ritt von der Stelle nach seinem Hause und beklagte sich über den Einfall in sein Gehege mit ebenso kräftigen Worten und bittern Redensarten, als ob man Einbruch in sein Haus gethan und das köstlichste Gerät daraus gestohlen hätte. Er fügte hinzu, daß noch ein anderer Bursche dabei gewesen, ob er ihn gleich nicht hätte entdecken können, weil zwei Gewehre fast in einem Augenblick wären abgeschossen worden, »und«, sagt' er, »ich habe wohl nur dies eine Stück gefunden, aber Gott weiß, welchen großen Schaden sie mir angerichtet haben.«
Bei seiner Heimkunft ward Tom augenblicklich vor Herrn Alwerth zu erscheinen beordert. Er gestand die That ein, und führte nichts zur Entschuldigung an, als was wirklich wahr war, nämlich, daß das Volk in der eigenen Markung des Herrn Alwerth aufgestiegen wäre. Hierauf ward Tom befragt, wen er bei sich gehabt hätte? Und Herr Alwerth erklärte ihm, daß er das ein für allemal wissen wolle; dabei er ihm den Umstand mit den beiden Flinten vorhielt, welchen der Junker und seine beiden Bedienten in der Klage urgiert hatten; allein Tom beharrte standhaft dabei, er sei allein gewesen, doch stockte er die Wahrheit zu sagen anfangs ein wenig, welches dann Herrn Alwerths Glauben bestärkt haben würde, wofern das, was der benachbarte Junker und seine beiden Bedienten denunziert hatten, einer weiteren Bekräftigung bedurft hätte.
Der Wildmeister ward, als sonst bereits anrüchig, herbeigeholt und ihm die Frage vorgelegt; er aber, der sich auf das Versprechen, was ihm Tom gethan hatte, verließ, verneinte ganz kecker Weise, daß er in der Gesellschaft des jungen Herrn gegangen wäre, oder ihn nur den ganzen Nachmittag mit Augen gesehen hätte.
Hierauf wandte sich Herr Alwerth an Tom mit mehr als gewöhnlichem Verdruß im Gesicht, und riet ihm zu bekennen, wer mit ihm gewesen wäre, mit nochmaliger Wiederholung, er bestehe darauf, es zu wissen! Der junge Mensch blieb indes fest auf seiner Entschließung, und ward von Herrn Alwerth in großem Zorn entlassen, der ihm sagte: bis zum nächsten Morgen habe er noch Bedenkzeit, dann solle er von einer andern Person und auf eine andere Art verhört werden.
Der arme Knabe hatte eine sehr melancholische Nacht! Um so mehr, da er seinen gewöhnlichen Kameraden vermißte; denn der junge Herr Blifil war mit seiner Mutter auf einen Besuch gegangen. Furcht vor der Strafe, die ihm bevorstand, war bei dieser Gelegenheit sein geringster Kummer. Seine größeste Angst war, es möchte ihn seine Standhaftigkeit verlassen und er dahin gebracht werden, den Wildmeister zu verraten, wodurch dieser, wie er wußte, völlig unglücklich werden müßte.
Der Wildmeister brachte seine Zeit ebenfalls nicht viel ruhiger hin. Er hatte mit dem Jüngling einerlei Besorgnis, für dessen Ehre er gleichfalls mehr Zärtlichkeit empfand, als für dessen Haut.
Als Tom des folgenden Morgens Sr. Ehrwürden, Herrn Schwöger (der Mann, dem Herr Alwerth den Unterricht der beiden Jünglinge anvertrauet hatte) aufwartete, wurden ihm von diesem Herrn dieselbigen Punkte wieder vorgelegt, worüber er des Abends vorher war befragt worden, auf die er eben dieselbige Antwort gab; die Folge davon war ein so derber Schilling, daß die Schmerzen davon vielleicht nahe an die Tortur grenzten, womit man in einigen Ländern den Verbrechern das Geständnis abnötigt.
Tom ertrug diese Züchtigung mit großer Standhaftigkeit, und obgleich ihn sein Lehrer zwischen jedem Hiebe fragte: Will man gerne bekennen? so wollte er sich doch lieber die Haut abschinden lassen, als seinen Freund verraten oder sein gegebenes Wort brechen.
Der Wildmeister war nun von seiner Angst befreit, und Herr Alwerth selbst begann mit Tom und seinen Schmerzen Mitleid zu fühlen; denn überdem, daß Herr Schwöger, der sich heftig darüber erboste, daß er den Knaben nicht dahin bringen konnte, zu sagen, was ihm beliebte, die Strenge sehr viel weiter trieb, als die Meinung des guten Pflegevaters war: so fing dieser letzte auch an zu mutmaßen, der Junker Nachbar könne sich geirrt haben, welches sein außerordentlicher Eifer und Aerger wahrscheinlich zu machen schien, und was das Zeugniß der Bedienten zur Bekräftigung ihres Herrn anlangte, so hielt er das nicht eben für sehr wichtig. Da nun Grausamkeit und Ungerechtigkeit zwei Ideen waren, deren Verschuldung sich bewußt zu sein, er nicht eine einzige Minute aushalten konnte, so ließ er Tom zu sich rufen und sagte zu ihm nach mancher sanften und freundlichen Vermahnung: »Ich bin überzeugt, mein liebstes Kind, daß ich dir mit meinem Verdachte zu wehe gethan habe; es thut mir leid, daß du darüber so strenge gezüchtigt bist.« Und schenkte ihm zuletzt zum Schmerzensgelde ein kleines Pferd, wobei er nochmals sein Bedauern über das Vorgegangene bezeugte.
Hierdurch ward sein Gewissen zu weit schärfern Bissen gereizt, als durch alle Strenge hätte geschehen können. Er konnte die Hiebe des ehrwürdigen Schwögers leichter ertragen, als die Großmut des Herrn Alwerth. Die Thränen stürzten ihm aus den Augen, und er fiel auf die Kniee und rief aus: »Ach liebster Herr Vater, Sie sind zu gütig gegen mich! Gewiß, das sind Sie! In der That, ich bin's nicht wert.« Und in eben dem Augenblicke hätte er fast aus voller Herzensergießung das ganze Geheimnis verraten. Allein der gute Genius des Wildmeisters flüsterte ihm zu, was es für Folgen über den armen Kerl bringen würde, und diese Rücksicht versiegelte ihm die Lippen.
Schwöger that alles, was er konnte, um Herrn Alwerth auszureden, dem Knaben Güte und Mitleiden zu bezeigen und sagte dabei: »er sei auf einer Unwahrheit bestanden,« und ließ sich soviel merken, eine zweite Geißelung möchte wohl die Wahrheit herausholen können.
Herr Alwerth aber weigerte sich rund aus, zu diesem Versuche seine Einwilligung zu geben. Er sagte, der Knabe habe bereits genug für die Verhehlung der Wahrheit gelitten, wenn er auch schuldig wäre; indem man sähe, er könne dabei keinen andern Bewegungsgrund haben, als eine mißverstandene Ehrliebe.
»Ehrliebe!« rief Herr Schwöger mit einiger Hitze, »klare Hartnäckigkeit! Barer Starrsinn! Kann Ehrliebe jemand lehren, Lügen zu sagen? Kann die geringste Ehre ohne Religion bestehen?«
Dies Gespräch fiel am Tische, zu Ende der Mittagsmahlzeit vor und waren dabei Herr Alwerth, Herr Schwöger und noch ein dritter Herr, der sich nun mit in die Untersuchung mischte und den wir, ehe wir einen Schritt weiter gehen, ganz in der Eile unserm Leser zur nähern Bekanntschaft präsentieren wollen.
Drittes Kapitel.
Charaktere des Herrn Quadrat, des Philosophen und des Herrn Schwöger, des Theologen, mit einer Disputation über – – –
Der Name dieses Herrn, der sich einige Zeit in Herrn Alwerths Hause aufgehalten hatte, hieß Quadrat. Seine Naturgaben waren eben nicht von der ersten Klasse. Sie waren aber durch eine gelehrte Erziehung um ein Großes ausgebildet. Er besaß eine tiefe Belesenheit in den Alten und alle Werke des Plato und Aristoteles wußte er auf den Fingern auswendig. Nach diesen großen Mustern hatte er sich hauptsächlich gebildet und hing zuweilen an der Meinung des einen und zuweilen an der Meinung des andern. In der Moral war er ein offenbarer Platoniker und in der Religion hing er auf die Seite der Aristotelianer.
Allein, ob er gleich, wie wir gesagt haben, das System seiner Moral aus dem Plato abstrahiert hatte, so war er dabei doch einstimmig mit dem Aristoteles, insoferne er diesen großen Mann mehr in dem Lichte eines spekulativen Philosophen als eines Gesetzgebers betrachtete. Diese Meinung trieb er sehr weit; so weit in der That, daß er alle Tugend als einen bloßen СКАЧАТЬ