Название: Tom Jones
Автор: Генри Филдинг
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Große verfilmte Geschichten
isbn: 9783955012229
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Diese Fürbitten waren indes vergebens; denn obgleich Herr Alwerth nicht dachte wie einige neuere Schriftsteller, daß Gnade bloß in Bestrafung der Verbrecher bestehe, so war er doch ebenso weit entfernt, zu denken, es gezieme dieser vortrefflichen Eigenschaft besonders, ein Verbrechen, ohne irgend einige Ursache, aus bloßer Willkür, zu verzeihen. Der geringste Zweifel bei der Thatsache oder irgend ein mildernder Umstand wurden allemal in Betracht gezogen: aber die Bitten eines Verbrechers oder die Fürsprachen von andern, erschütterten ihn nicht im geringsten. Kurz, er verzieh niemals deswegen, weil der Verbrecher oder seine Freunde es ungerne sahen, daß er bestraft würde.
Rebhuhn und seine Frau waren also beide genötigt, ihr Schicksal zu ertragen, welches wirklich schwer genug war: denn so weit war er davon entfernt, seinen Fleiß wegen verringerter Einnahme zu verdoppeln, daß er sich gewissermaßen der Verzweiflung überließ. Und weil er von Natur schon faul und träge war, so gewann dieser Fehler immer mehr Wachstum, und er verlor dadurch die kleine Schule, die er hatte. Solchergestalt würden weder seine Frau noch er einen Bissen Brod gehabt haben, wäre nicht die Barmherzigkeit irgend eines guten Christen ins Mittel getreten und hätte sie mit dem versorgt, was zur bloßen Unterhaltung ihres Lebens hinreichte.
Da ihm dieser Unterhalt von unbekannter Hand gereicht wurde, so bildeten sie sich ein, und das wird, wie ich nicht zweifle, der Leser gleichfalls thun, daß Herr Alwerth ihr heimlicher Wohlthäter sei; welcher zwar öffentlich kein Laster aufmuntern mochte, jedoch heimlich das Elend, selbst lasterhafter Personen, zu lindern trachtete, wenn es zu bitter, oder, verhältnismäßig gegen ihr Verschulden, zu groß ward. In welchem Lichte die Not dieser Leute dem Glücke selbst erschien; denn dieses erbarmte sich endlich des Elendes dieses Ehepaars und erleichterte den jammervollen Zustand Rebhuhns dadurch nicht wenig, daß sie das Lebensende seiner Ehefrau verkürzte, welche bald darauf die Kinderpocken bekam und starb.
Die Gerechtigkeit, mit welcher Herr Alwerth den Rebhuhn gerichtet hatte, fand anfangs allgemeinen Beifall: sobald aber hatte er nicht davon die Folgen empfunden, als seine Nachbarn begannen, weichherzig zu werden und seinen Zufall zu bedauern und bald darauf dasjenige als Härte und Strenge zu tadeln, was sie vorher als Gerechtigkeit gepriesen hatten. Nunmehr schalten sie auf das Strafen bei kaltem Blute und sangen Loblieder auf Barmherzigkeit und Gnade.
Dieses Geschrei ward um ein merkliches durch den Tod von Rebhuhns Frau verstärkt, welchen einige, ob sie gleich an der vorgenannten Seuche starb, welche keineswegs eine Folge von Armut oder Kummer ist, sich nicht schämten, auf die Rechnung der Strenge oder wie sie es jetzt nannten, Grausamkeit des Herrn Alwerth zu setzen.
Rebhuhn, der nunmehr seine Frau, seine Schule und sein Jahrgeld verlor, entschloß sich, nachdem die unbekannte Person die vorhin erwähnten milden Gaben nicht weiter fortsetzte, den Schauplatz zu verändern, und verließ, zum allgemeinen Bedauern seiner Nachbarn, das Land, in welchem er Gefahr lief, zu verhungern.
Siebentes Kapitel.
Eine kleine Skizze von derjenigen Glückseligkeit, welche kluge Eheleute aus dem Hasse erzielen können; nebst einer kleinen Schutzrede für solche Leute, welche die Fehler ihrer Freunde übersehen.
Obgleich der Kapitän den armen Rebhuhn wirklich zu Grunde gerichtet hatte, so erntete er doch nicht die Früchte, welche er von seiner Mühe hoffte, nämlich den Findling aus Herrn Alwerths Hause zu bringen.
Dieser edle Mann ward vielmehr von Tag zu Tag verliebter in seinen kleinen Tom, gerade als ob er seiner Strenge gegen den Vater durch außerordentliche Liebe und Güte zu dem Sohne, das Gegengewicht halten wollte.
Dies verpfefferte die Gemütsart des Kapitäns nicht wenig; so wie alle die täglichen Beweise von Herrn Alwerths Freigebigkeit: denn er betrachtete alle solche milde Gaben als eine Verminderung seines eigenen Reichtums.
Hierin war er, wie wir gesagt haben, nicht einerlei Sinnes mit seiner Gattin, so wie freilich überhaupt in keinen Dingen. Denn obgleich eine Liebe, die auf den Verstand gefallen ist, von vielen weisen Personen für viel dauerhafter geachtet wird, als eine auf Schönheit gegründete Zärtlichkeit, so zeigte sich doch hier in diesem Falle gerade das Widerspiel. Ja sogar war der Verstand für dieses Ehepaar der eigentliche Zankapfel und eine große Ursache manchen Zwistes, der sich von Zeit zu Zeit unter ihnen hervorthat, und welcher zuletzt abseiten der Dame in eine herzliche Verachtung ihres Eheherrn, und abseiten des Herrn Gemahls, in völlige Verabscheuung seiner Gattin ausschlug.
Als diese beiden ihre Talente vorzüglich aufs Forschen in der Schrift verwendet hatten, so war diese, von ihrer ersten Bekanntschaft an, der gewöhnlichste Stoff ihrer Gespräche. Der Kapitän hatte, wie ein Mann von Lebensart, vor der Heirat allemal seine Meinung der Dame unterworfen, und zwar nicht auf die plumpe und grobe Art eines eigenwilligen Dummkopfs, welcher, indem er den Gründen eines Vornehmern nachgibt, sich gern merken läßt, daß er bei alledem doch recht habe; vielmehr überließ der Kapitän, ob er gleich einer der stolzesten Gesellen von der Welt war, seiner Gegnerin den Sieg so völlig, daß sie, die nicht den geringsten Zweifel an seiner Aufrichtigkeit hatte, sich allemal mit Bewunderung ihres eigenen Verstandes und mit Verliebtheit in den seinigen aus dem Dispute zog.
Jedoch, obgleich diese Gefälligkeit gegen eine Person, welche der Kapitän durchaus verachtete, ihm nicht so schwer ankam, als wenn Hoffnung auf Beförderung eine gleiche Unterwerfung gegen einen examinierenden Generalsuperintendenten oder irgend sonst einen berühmten Gottesgelehrten nötig gemacht hätte, so kostete ihn doch diese schon so viel, um solche ohne einen Bewegungsgrund auszuhalten. Nachdem also die Heirat alle diese Bewegungsgründe gehoben hatte, ward er dieses Nachgebens müde, und fing an, die Meinungen seiner Frau mit einem solchen beleidigenden Stolze abzufertigen, den niemand, als der, welcher selbst einige Verachtung verdient, bezeigen, und nur der, welcher keine Verachtung verdient, ertragen kann.
Als der erste Strom von Zärtlichkeit abgeflossen war, und in den ruhigen und langen Zwischenzeiten ihrer Anwandlungen, die Vernunft die Augen der Dame zu öffnen begann, und sie dann diese Aenderung im Betragen des Kapitäns gewahr ward, welcher auf alle ihre Gründe endlich nichts anders antwortete, als: Poh! pah! so war sie nichts weniger als gewillt, solche Ungezogenheiten mit zahmer Unterwürfigkeit zu ertragen. Es brachte sie wirklich im Anfang in einen solchen Zorn, daß daraus eine tragische Begebenheit hätte entstehen können, hätte ihr Verdruß nicht dadurch eine unschädlichere Wendung genommen, daß sie die völligste Verachtung für den Verstand ihres Ehemanns faßte, welches denn ihren Haß gegen ihn etwas minderte, ob sie gleich davon noch einen so ziemlichen Vorrat behielt.
Der Haß des Kapitäns gegen sie war von reinerer Art. Denn wegen eines Mangels an Wissenschaften oder an Verstand verachtete er sie ebensowenig, als deswegen, daß sie keine sechs Fuß hoch war. In seiner Meinung vom weiblichen Geschlecht trieb er die Scheelsucht noch weiter als selbst Aristoteles. Er betrachtete ein Weib als ein Tier vom häuslichen Gebrauch, von etwas mehr Vorzug als eine Katze, weil ihre Dienste von etwas größerer Wichtigkeit wären. Den Unterschied zwischen beiden aber hielt er für so gering, daß es ihm bei seiner Verheiratung mit Herrn Alwerths Gütern und Ländern so ziemlich einerlei gewesen wäre, welche von beiden er mit in den Kauf bekommen hätte. Und doch war sein Stolz so zart, daß er die Verachtung fühlte, welche jetzt seine Frau gegen ihn zu zeigen anfing, und dieses, vereint mit der Sättigung, die er schon längst vor ihrer Liebe gespürt hatte, erzeugte bei ihm einen Grad von Ekel und Abscheu, die wohl schwerlich ihresgleichen haben möchten.
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