Die Kleinbürger. Оноре де Бальзак
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Название: Die Kleinbürger

Автор: Оноре де Бальзак

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783955013363

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СКАЧАТЬ dass er gut zu essen bekommt, der arme junge Mensch!‹

      Eine soziale Erscheinung, die gewiss schon beobachtet, aber noch nicht formuliert oder, wenn man will, schriftlich festgehalten worden ist, obgleich sie konstatiert zu werden verdient, ist die Wiederkehr der Gewohnheiten, der Gedanken, der Manieren der früheren Situation bei Leuten, die von der Kinderzeit bis ins Alter aus ihrem ursprünglichem Stande empor gestiegen sind. So war Thuillier innerlich wieder der Portierssohn geworden; er wendete Scherzworte seines Vaters an und ließ schließlich auf der äußeren Oberfläche seines im Abstieg befindlichen Lebens die Spuren seiner Herkunft deutlich werden. Fünf-, sechsmal im Monat pflegte er, wenn die fette Suppe gut war, wie einen ganz neuen Einfall zu äußern, während er seinen Löffel auf den leeren Teller legte: »Das ist besser als ein Fußtritt, selbst wenn man ihn aufs Schienbein bekommt! ...«

      Als er diesen Scherz zum erstenmal hörte, verlor Theodosius, der ihn noch nicht kannte, seinen würdevollen Ernst und lachte so herzlich los, dass Thuillier, der schöne Thuillier, sich in seiner Eitelkeit geschmeichelt fühlte wie nie zuvor. Seitdem begleitete Theodosius diese Redensart immer mit einem kleinen verständnisvollen Lächeln. Dieser kleine Umstand mag erklären, warum Theodosius am Morgen des Tages, an dessen Vorabend er den Disput mit dem jungen Staatsanwaltsgehilfen gehabt hatte, zu Thuillier, mit dem er im Garten nach den Folgen des Frostes sah, sagen könnte:

      »Sie sind viel geistreicher, als Sie glauben!«

      Und er hatte zur Antwort bekommen:

      »In jeder andern Laufbahn, mein lieber Theodosius, hätte ich sehr viel erreicht, aber der Sturz des Kaisers hat mir den Hals gebrochen.«

      »Es ist noch nicht zu spät«, hatte der junge Advokat gesagt. »Was hat denn eigentlich Colleville, dieser Hanswurst, getan, dass er das Kreuz erhalten hat?«

      Damit hatte de la Peyrade einen wunden Punkt berührt, den Thuillier vor allen Augen verbarg, und zwar so, dass selbst seine Schwester nichts davon wusste; aber der junge Mann, in dessen Interesse es lag, das Wesen dieser Bourgeois zu studieren, hatte den heimlichen Neid, der am Herzen des ehemaligen Vizechefs nagte, geahnt.

      »Wenn Sie, der Sie so erfahren sind, mir die Ehre erweisen wollen, meinem Rat zu folgen«, hatte der Philantrop hinzugefügt, »und vor allem niemals mit jemandem von unsrer Abmachung zu sprechen, selbst nicht mit Ihrer vortrefflichen Schwester, wenn ich nicht meine Zustimmung gebe, so verpflichte ich mich, Ihnen den Orden unter dem Beifall des ganzen Viertels zu verschaffen.«

      »Oh, wenn wir das erreichen könnten!« hatte Thuillier ausgerufen; »Sie wissen nicht, was ich dann für Sie tun könnte ...«

      Das mag erklären, weshalb Thuillier sich so in die Brust warf, als Theodosius eben die Kühnheit gehabt hatte, ihm seine Ansicht unterzuschieben.

      In der Kunst – und Molière hat wohl die Heuchelei zur Höhe der Kunst erhoben, indem er Tartüff für immer zum Komödiantentypus gemacht hat – gibt es einen Höhepunkt der Vollkommenheit, bis zu dem das Talent nicht heranreicht, sondern allein das Genie. Zwischen den Werken der Genies und denen der Talente besteht nur ein geringer Unterschied, und nur geniale Menschen können diesen Unterschied empfinden, der Raphael von Correggio, Tizian von Rubens trennt. Ja noch mehr: der Durchschnittsmensch lässt sich täuschen. Denn das Zeichen des Genies ist gewissermaßen die Leichtigkeit, mit der das Werk geschaffen zu sein scheint. Es muss, mit einem Wort, auf den ersten Anblick ganz einfach erscheinen, weil es immer ganz natürlich, selbst bei den erhabensten Sujets, ist.

      Viele Bauernweiber halten ihr Kind ebenso wie die berühmte Dresdener Madonna. Nun, bei einem Mann von der Fähigkeit Theodosius' war der Gipfel der Kunst, dass man nachher von ihm sagen musste: »Jeder wäre darauf hereingefallen!« Er sah also im Salon Thuillier einen Zwist aufkeimen, er verstand Collevilles ziemlich klarsehende Natur und das kritische Wesen des Künstlers, der seinen Beruf verfehlt hat. Der Advokat wusste, dass er Colleville missfiel, der, infolge von Umständen, die zu berichten überflüssig wäre, Grund hatte, an die Geheimwissenschaft der Anagramme zu glauben. Bei keinem seiner Anagramme hatte er sich getäuscht. Man hatte sich auf dem Amte über ihn mokiert, als er, auf die Frage nach Minards Anagramm, verkündet hatte: »Ich werde ein großes Vermögen zusammenraffen,« und zehn Jahre später hatte sich das Anagramm bestätigt. Theodosius' Anagramm war fatal. Das seiner Frau hatte ihn erschreckt, und niemals hatte er es laut werden lassen, denn Flavia-Minard-Colleville ergab: »Die alte C***, ein beschimpfter Name, stiehlt.«

      Mehrmals bereits hatte Theodosius dem jovialen Sekretär der Stadtverwaltung sich nähern wollen, war aber immer einer kühlen, bei einem so entgegenkommenden Manne wenig natürlicher Abweisung begegnet. In dem Augenblick, wo die Bouillottepartie beendet war, zog Colleville Thuillier in eine Fensternische und sagte zu ihm:

      »Du lässt diesen Advokaten hier bei dir zu festen Fuß fassen, er hat heute abend das große Wort geführt.«

      »Ich danke dir, lieber Freund, ein Mann, der gewarnt ist, ist so klug wie zweie«, antwortete Thuillier, während er sich heimlich über Colleville lustig machte.

      Theodosius, der in diesem Augenblick gerade mit Frau Colleville plauderte, hatte seinen Blick auf die beiden Freunde gerichtet, und mit dem Ahnungsvermögen, das die Frauen zu gebrauchen verstehen, wenn sie wissen wollen, ob und in welcher Weise von ihnen die Rede ist, merkte er, dass Colleville ihm bei dem schwachen unbedeutenden Thuillier zu schaden versuchte.

      »Gnädige Frau,« sagte er leise zu der fromm gewordenen Dame, »glauben Sie mir, wenn hier jemand imstande ist, Sie richtig zu würdigen, so bin ich es. Wenn man Sie ansieht, so möchte man sagen: eine Perle, die in den Schmutz gefallen ist; Sie sind noch nicht zweiundvierzig Jahr alt, denn eine Frau ist so alt, wie sie aussieht, und viele Frauen von dreißig Jahren, die nicht an Sie heranreichen, würden glücklich sein, wenn sie eine solche Figur hätten und ein so entzückendes Gesicht, das von der Liebe erzählt, die niemals die Sehnsucht Ihres Herzens zu befriedigen vermocht hat. Sie haben sich Gott zugewendet, ich weiß es, und ich empfinde zu viel Mitgefühl, als dass ich etwas anderes für Sie zu sein begehrte als Ihr Freund; aber Sie haben das nur getan, weil Sie niemals einen Ihrer Würdigen gefunden haben. Gewiss, geliebt sind Sie worden, aber Sie haben nie empfunden, dass man Sie anbetete, ich habe das geahnt ... Und Ihr Mann hier hat niemals verstanden, Ihnen eine Ihres Wertes würdige Stellung zu verschaffen; er hasst mich, als ob er fürchtete, dass ich Sie liebe, und will mich daran hindern, Ihnen zu sagen, dass ich eine Möglichkeit gefunden zu haben glaube, Sie in eine Sphäre zu bringen, die Ihrer Bestimmung entspricht ...

      Nein, gnädige Frau«, sagte er laut und erhob sich, »nicht der Abbé Gondrin wird dieses Jahr in der Fastenzeit in unsrer bescheidenen Kirche Saint-Jaques du Haut-Pas predigen, sondern Herr d'Estival, ein Landsmann von mir, der sich dem Predigerberuf aus Mitgefühl für die Armen geweiht hat, und Sie werden da einen der weihevollsten Redner, die ich kenne, zu hören bekommen, einen Priester, der zwar kein sehr angenehmes Äußere hat, aber was für eine Seele! ...«

      »Mein Wunsch wird also erfüllt werden,« sagte die arme Frau Thuillier; »ich habe die berühmten Prediger nie verstehen können!«

      Ein Lächeln erschien auf Fräulein Thuilliers Lippen und auf denen mehrerer anderen.

      »Sie befassen sich zu sehr mit theologischen Erklärungen, das ist schon lange meine Ansicht«, sagte Theodosius; »aber ich spreche niemals über Religion, und ohne Frau Colleville ...«

      »Gibt es denn in der Theologie Erklärungen?« fragte der Mathematikprofessor naiv und geradezu.

      »Ich will nicht annehmen,« erwiderte Theodosius und sah Felix Phellion an, »dass Sie diese Frage im Ernst gestellt haben.«

      »Felix,« sagte der alte Phellion und kam schwerfällig seinem Sohn СКАЧАТЬ