Название: Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027204168
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Gold war nicht wenig verwundert. Comstock Bell erklärte ihm kurz die Zusammenhänge.
»Als ich mich entschlossen hatte, unser gemeinsames Verbrechen zu sühnen, mußte ich vor allem jemand finden, auf den ich mich unbedingt verlassen konnte. Keinesfalls wollte ich, daß meine Mutter oder sonst jemand erfuhr, daß ich im Gefängnis saß – also brauchte ich eine Person, die für die Dauer meines Gefängnisaufenthalts an meine Stelle trat. Glücklicherweise lernte ich Verity kennen. Ich erklärte ihr alles, und sie war bereit, mich zu heiraten. – Meinen Plan hatte ich bis ins letzte Detail ausgearbeitet. Ich kaufte einen Schleppdampfer, damit mein Stellvertreter unbeobachtet London verlassen oder besuchen konnte, denn das war aus vielen Gründen notwendig. Als ich aus England abreiste, um meine Flitterwochen im Ausland zu verbringen, fuhr ich nicht weiter als bis nach Boulogne. Mein Schiff brachte mich wieder zu einem kleinen Hafen Englands, und von dort reiste ich mit meiner Frau nach London zurück. Am Abend stellte ich mich der Polizei. Durch einen unglücklichen Zufall wurde Verity aber in meinem Haus gesehen – ich hatte sie dorthin geschickt, um einen Gummistempel mit meiner Unterschrift zu holen, den ich dummerweise vergessen hatte. Natürlich war meine Handverletzung nur vorgetäuscht. Ich mußte ja dafür sorgen, daß sich niemand darüber wunderte, wenn ich – das heißt mein Vertreter – nur noch mit der Maschine schrieb.«
»Jetzt verstehe ich«, sagte Gold. Die vielen unerklärlichen Einzelheiten fügten sich endlich zu einem verständlichen Ganzen zusammen.
»Der Zeitpunkt meiner Entlassung aus dem Gefängnis wurde meiner Frau mitgeteilt«, fuhr Comstock Bell fort, »und es war ausgemacht, daß sie mich in Southend erwarten sollte. Gleichzeitig sollte sie Ihnen ihre eigene Adresse mitteilen.«
»Das hat sie getan.«
»Zu meinem Erstaunen war sie nicht in Southend. Ich fand dort nur eine Nachricht vor, mit der sie mich aufforderte, nach dem Farmhaus zu kommen.«
»Wir können jetzt nichts anderes tun«, meinte Gold, »als in London so schnell wie möglich die Polizei benachrichtigen und dann zu Ihrem Dampfer fahren. Möglicherweise finden wir Ihre Frau dort.«
Comstock Bell zögerte. »Vielleicht ist sie aber auch in Ihre Wohnung gegangen, um dort Näheres zu erfahren.«
»In diesem Fall brauchten wir uns keine Sorgen zu machen«, sagte Gold. »Auf jeden Fall wird es am besten sein, wir fahren jetzt nach Southend, wo Ihr Schiff liegt.«
Den Rest der Fahrt legten sie schweigend zurück, bis sie in Southend am Ufer der Themse angekommen waren. In einiger Entfernung sahen sie die ›Seabreaker‹ vor Anker liegen, und auf dem Landungssteg stand Captain Lauder, dem es offensichtlich an Bord seines Schiffes zu langweilig geworden war:
Leider hatte er keine guten Nachrichten – Mrs. Bell war nicht zurückgekehrt.
»Gehen wir doch an Bord«, sagte er. »Ich habe so eine Ahnung …«
Sie ließen sich zur ›Seabreaker‹ hinüberrudern? und in der Kajüte erklärte ihnen der Kapitän, was ihm eingefallen war.
»Ich muß vorausschicken, daß es nur ein Verdacht ist«, begann er, »aber irgendwie habe ich das Gefühl, daß meine Beobachtung mit dem Verschwinden Mrs. Bells zusammenhängt. Es handelt sich um folgendes: Wie Sie sich denken können, kenne ich durch meine ständigen Fahrten so ziemlich jedes neue Gebäude, das am Themseufer errichtet wird. Vor drei Monaten nun habe ich gesehen, daß zwischen Tilbury und Barking ein neues Bootshaus gebaut wurde. Ich fand das seltsam, da meiner Meinung nach dieser Liegeplatz für ein Vergnügungsboot nicht sehr günstig gewählt ist.«
»Was verstehen Sie unter einem Vergnügungsboot?« erkundigte sich Gold.
»Nun, eben ein Motorboot, das nur für Vergnügungsfahrten benutzt wird. Dieses Motorboot ist aber etwas Besonderes. Es hat einen ungewöhnlich starken Motor und ist meiner Meinung nach auf kürzeren Strecken ohne weiteres seetüchtig. Ich will damit sagen, daß das Boot für irgendeinen bestimmten Zweck gebaut worden sein muß. Einmal habe ich es im Wasser gesehen – der Besitzer machte eine Probefahrt damit; seit dieser Zeit aber liegt es in einem Schuppen an Land und wird nur ab und zu von einem Mann kontrolliert. Eines Tages lagen wir in der Nähe, um auf Mrs. Bell zu warten, und mein Sohn unterhielt sich ein wenig mit diesem Mann, einem arbeitslosen Mechaniker, Dabei erfuhr er, daß das Boot genügend Brennstoff und Vorräte an Bord hat, um sich einige Wochen lang auf hoher See zu halten.«
»Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, meinte Gold nachdenklich. »Das wäre für Helder eine Möglichkeit, England zu verlassen, wenn er eine Katastrophe für sich herannahen sieht. Ich muß sagen, ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß Helder jetzt auf diese Weise zu entkommen versucht.«
»Ganz richtig«, warf Captain Lauder eifrig ein. »Der Mann, der mit meinem Sohn sprach, erzählte nämlich noch, daß der Besitzer des Bootes ein Amerikaner sei.«
»Schön«, sagte Bell. »Dann wird es am besten sein, wir fahren sofort zu diesem geheimnisvollen Bootshaus. Finden wir dort nichts Verdächtiges vor, dann lassen wir einen Beobachtungsposten zurück und dampfen nach London.«
Der Kapitän lief zur Kommandobrücke, und einige Minuten später hatte die ›Seabreaker‹ die Anker gelichtet und keuchte den Strom hinauf.
Die Nacht war sehr dunkel. Drei große Schiffe passierten sie, die mit der Ebbe zur offenen See hinausfuhren, aber sie sahen nichts von dem Motorboot, bis sie an Tilbury vorbeikamen.
Captain Lauder hatte die schärfsten Augen. Er stieß einen lauten Ruf aus und legte gleichzeitig das Steuer herum, sodaß der Schlepper eine scharfe Kurve beschrieb.
»Dort!« rief der Kapitän und deutete auf den Fluß. Ein langgestrecktes, schnittiges Motorboot war in voller Fahrt an der ›Seabreaker‹ vorübergeglitten. Deutlich hörten sie das Dröhnen seiner schweren Maschine.
Die kleine hintere Kabine des Motorbootes war hell erleuchtet, aber plötzlich erloschen die Lichter.
»Es fährt ein wenig zu schnell für unser Schiff«, knurrte der Kapitän, »Wenn wir aufs offene Meer hinauskommen, wird sich das aber schon ändern – wir haben ziemlichen Wellengang.«
Bell hatte sich einen Feldstecher geholt und schaute unentwegt zu dem schwarzen Schatten hinüber, der vor ihnen dahinglitt. Captain Lauder ließ das Letzte aus den Maschinen herausholen, und die ›Seabreaker‹ brachte es fertig, daß sich die Entfernung etwas verringerte.
»Natürlich könnte es auch irgendein anderes Fahrzeug sein«, meinte Gold. »Eigentlich glaube ich das aber nicht – es ist schon verdächtig genug, daß es mit vollständig abgeblendeten Lichtern fährt.«
»Ich glaube …«, begann Comstock Bell eben, als über das Wasser herüber zwei schrille Schreie drangen. Sie konnten von dem Motorboot kommen«.
In der Kabine flammte plötzlich wieder Licht auf, und zwei Gestalten hoben sich einen Augenblick silhouettenhaft gegen die Kabinenfenster ab.
Comstock Beil konnte durch sein Fernglas deutlich einen Mann und eine Frau unterscheiden, die an der Reeling miteinander rangen – im nächsten Augenblick trennten sie sich, und die eine Gestalt fiel mit einem Aufschrei in das dunkle Wasser.
»Es ist eine Frau …«, sagte er mit heiserer, erstickter Stimme.
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