Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf. Selma Lagerlöf
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Название: Ausgewählte Werke von Selma Lagerlöf

Автор: Selma Lagerlöf

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9788027207015

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СКАЧАТЬ Sinn, die Geschwindigkeit zu mäßigen, sondern sie streckte die Flügel wie bisher.

      »Steht es so!« sagte der Gänserich. Es ward ihm plötzlich klar, daß die wilden Gänse nie daran gedacht hatten, ihn mit nach Lappland hinaufzunehmen. Sie hatten ihn nur des Scherzes halber mitgelockt.

      Nein, wie er sich ärgerte, daß ihn die Kräfte jetzt im Stich ließen, so daß er den Landstreichern nicht zeigen konnte, daß eine zahme Gans auch zu etwas zu gebrauchen ist. Und das allerärgerlichste war, daß er in Akka von Kebnekajses Schar hineingeraten war. Denn wenn er auch nur eine zahme Gans war, hatte er doch von einer Führergans gehört, die Akka hieß und fast hundert Jahre alt war. Sie war so angesehen, daß sich die besten wilden Gänse, die es nur gab, ihr anzuschließen pflegten. Niemand aber verachtete zahme Gänse so sehr wie Akka und ihre Schar, und er hätte ihr gern gezeigt, daß er ihnen ebenbürtig sei.

      Er flog langsam hinter den andern drein, während er sich mit sich selbst beriet, ob er umkehren oder weiterfliegen sollte. Da sagte plötzlich der kleine Knirps, den er auf dem Rücken hatte: »Lieber Gänserich Martin, du kannst doch wohl begreifen, daß es für dich, der du nie geflogen hast, unmöglich ist, mit den wilden Gänsen ganz bis nach Lappland hinaufzukommen. Willst du nicht lieber umkehren, ehe du dich ganz zuschanden machst?«

      Aber der Gänserich kannte nichts Schlimmeres als diesen Häuslerjungen, und kaum ward es ihm klar, daß der armselige Bursche ihm nicht zutraute, die Reise zurücklegen zu können, als er sich auch schon entschloß, auszuhalten. »Sagst du noch ein Wort davon, so schmeiße ich dich in die erste Mergelgrube, über die wir hinfliegen,« sagte er, und im selben Augenblick verlieh ihm der Zorn solche Kräfte, daß er fast ebenso gut fliegen konnte wie irgendeine von den andern.

      Er hätte jedoch kaum so weiter fliegen können, aber das tat auch nicht nötig, denn jetzt sank die Sonne schnell, und gerade bei Sonnenuntergang nahmen die Gänse den Kurs abwärts. Und ehe der Junge und der Gänserich sich’s versahen, waren sie an das Ufer des Bombsees niedergeschwebt.

      »Es scheint die Absicht zu sein, daß wir hier übernachten,« dachte der Junge und hüpfte von dem Rücken des Gänserichs herunter.

      Er stand an einem schmalen Sandufer und vor ihm lag ein ziemlich großer See. Der war häßlich anzusehen, denn er war fast ganz mit einer Eiskruste bedeckt, die schmutzig und uneben und voller Risse und Löcher war, so, wie das Eis im Frühling ist. Das Eis hatte scheinbar seine längste Zeit gesehen, drinnen am Lande hatte es sich schon gelöst und ringsherum hatte es einen breiten Gürtel von schwarzem, blankem Wasser. Aber noch lag es da und verbreitete Kälte und winterliche Unheimlichkeit um sich.

      An der andern Seite des Sees schien es hell und frei und bebaut zu sein, aber da, wo sich die Gänse niedergelassen hatten, war eine große Tannenschonung. Und es sah so aus, als wenn der Tannenwald imstande wäre, den Winter festzuhalten. An allen andern Stellen war der Boden frei von Schnee, aber unter den dichten Tannenzweigen lag Schnee, der geschmolzen war und wieder gefroren, geschmolzen und gefroren, bis er hart war wie Eis.

      Dem Jungen war es, als sei er in eine Wildnis, in ein Winterland gekommen, und ihm ward so unheimlich zumute, daß er gern laut geschrien hätte.

      Er war hungrig. Er hatte den ganzen Tag nichts zu essen bekommen. Aber woher sollte er Essen bekommen? Im Monat März wächst nichts Eßbares weder an der Erde noch an den Bäumen.

      Ja, wo sollte er Essen herbekommen, und wer würde ihm ein Dach über dem Haupte geben, und wer würde ihm sein Bett machen, und wer würde ihn an seinem Feuer erwärmen, und wer würde ihn gegen wilde Tiere beschützen?

      Denn jetzt war die Sonne fort, und die Kälte stieg vom See herauf, und die Finsternis senkte sich vom Himmel herab, und die Angst kam in den Spuren der Dämmerung geschlichen, und im Walde fing es an zu pusseln und zu rascheln.

      Jetzt war es vorbei mit dem frischen Mut, den der Junge gehabt hatte, während er oben in der Luft war, und in seiner Angst sah er sich nach seinen Reisegefährten um. Er hatte ja sonst niemand, an den er sich halten konnte.

      Da entdeckte er, daß es mit dem Gänserich noch schlimmer stand als mit ihm. Er war an demselben Fleck liegen geblieben, wo er hinabgeschwebt war, und es sah so aus, als wenn er im Begriff war zu sterben. Der Hals lag schlaff an der Erde, die Augen waren geschlossen, und sein Atmen war nur noch ein schwaches Röcheln.

      »Lieber Gänserich Martin,« sagte der Junge, »du mußt versuchen, einen Trunk Wasser zu nehmen! Es sind kaum zwei Schritt bis an den See hinab.«

      Aber der Gänserich rührte sich nicht.

      Der Junge war ja früher hart gegen alle Tiere gewesen, auch gegen den Gänserich, aber jetzt fand er, daß Martin die einzige Stütze war, die er hatte, und er war schrecklich bange, ihn zu verlieren. Er machte sich sofort daran, ihn zu schieben und zu stoßen, um ihn ans Wasser hinabzubefördern. Der Gänserich war groß und schwer, daher war es ein hartes Stück Arbeit für den Jungen, aber schließlich gelang es ihm.

      Der Gänserich kam kopfüber in den See hinein. Einen Augenblick lag er regungslos im Schlamm, aber bald steckte er den Kopf heraus, schüttelte das Wasser aus den Augen und prustete. Dann schwamm er stolz zwischen dem Röhricht und den Rohrkolben dahin.

      Die wilden Gänse lagen schon vor ihm draußen im See. Sie hatten sich weder nach dem Gänserich noch nach dem Gänsereiter umgesehen, sondern sich sofort ins Wasser gestürzt. Sie hatten gebadet und sich geputzt, und nun lagen sie da und schlabberten halbverfaultes Entengrün in sich hinein.

      Der weiße Gänserich war so glücklich, einen kleinen Barsch zu erblicken. Er schnappte ihn schnell auf, schwamm damit ans Ufer und legte ihn vor den Jungen hin. Den sollst du zum Dank dafür haben, daß du mir ins Wasser hineinhalfst,« sagte er.

      Das war das erstemal im Laufe des ganzen Tages, daß der Junge ein freundliches Wort hörte. Er war so erfreut, daß er Lust hatte, dem Gänserich um den Hals zu fallen, aber er konnte sich doch nicht dazu entschließen. Und auch über das Geschenk freute er sich. Zuerst meinte er, es sei unmöglich, rohen Fisch zu essen, aber dann bekam er doch Lust, den Versuch zu machen.

      Er fühlte nach, ob er sein Dolchmesser mitbekommen hatte, und glücklicherweise hing es noch an dem Hosenknopf, aber es war freilich so klein geworden, daß es nicht größer war als ein Streichholz. Nun, er konnte es auf alle Fälle gebrauchen, um den Fisch auszunehmen und die Schuppen zu entfernen, und der Barsch war schnell verzehrt.

      Als der Junge gut gesättigt war, überkam ihn ein Gefühl der Scham, daß er etwas hatte essen können, was roh war. »Es scheint wirklich, als ob ich kein Mensch mehr bin, sondern ein richtiger Kobold,« dachte er bei sich.

      Die ganze Zeit, während der Junge aß, blieb der Gänserich neben ihm stehen, und als er den letzten Bissen heruntergeschluckt hatte, sagte er mit schwacher Stimme: »Wir haben uns ja mit einem wilden Gänsevolk eingelassen, das alle zahmen Vögel verachtet.« – »Das habe ich freilich auch schon bemerkt,« sagte der Junge. – »Es würde sehr ehrenvoll für mich sein, wenn ich ganz bis nach Lappland hinauf mit ihnen fliegen und ihnen zeigen könnte, daß eine zahme Gans doch auch zu etwas taugt.« – »Hm, ja,« sagte der Junge ein wenig zögernd, denn er glaubte nicht, daß der Gänserich das würde durchführen können, aber er wollte ihm nicht widersprechen. – »Aber ich glaube nicht, daß ich mich allein auf einer solchen Reise zurechtfinden kann,« sagte der Gänserich, »deshalb möchte ich gern wissen, ob du nicht mit mir kommen und mir helfen willst.«

      Der Junge hatte natürlich gar nichts anderes gedacht, als daß er so schnell wie möglich wieder nach Hause zurückkehren wollte, und er war so überrascht, daß er gar nicht wußte, СКАЧАТЬ