Gesammelte Weihnachtsmärchen für Kinder (Illustriert). Walter Benjamin
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Название: Gesammelte Weihnachtsmärchen für Kinder (Illustriert)

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9788075834935

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СКАЧАТЬ hassen. Sie wird mich vielmehr besser lieben lernen, wenn sie nicht mehr an mich gefesselt ist. Sie wird dann die Kette, die ich für sie geschmiedet habe, leichter tragen können. Heut ist der Tag an dem ich sie von ihrem väterlichen Herde wegführte, ohne irgendwie nach ihrem eigenen Glücke zu fragen. Heute soll sie dahin zurückkehren und nichts mehr zu leiden haben. Ihre Eltern werden sogleich hier sein – wir hatten einen kleinen Plan gemacht, wie wir den heutigen Tag miteinander feiern wollten – und sie mögen sie wieder mit nach Hause nehmen. Ich kann mich auf sie verlassen, dort und überall. Sie verläßt mich ohne Schuld, und sie wird auch so leben, das weiß ich ein für allemal. Und wenn ich sterbe – ich kann vielleicht sterben, während sie noch jung ist; ich habe in wenigen Stunden viel von meinem Lebensmut verloren – dann wird sie wissen, daß ich mich ihrer erinnerte und sie bis zur letzten Stunde liebte. Und damit ist es vorbei.«

      »O nein, John, noch nicht vorbei! Noch nicht ganz. Ich habe deine hochherzigen Worte gehört. Ich konnte nicht fortgehen, ohne dir zu sagen, wie unendlich dankbar ich dir bin. Sage nicht, es sei aus, ehe die Uhr noch einmal geschlagen hat!«

      Sie war kurz nach Tackleton eingetreten und dageblieben. Für Tackleton hatte sie keinen einzigen Blick übrig, ihre Augen waren unablässig auf ihren Mann gerichtet. Aber sie hielt sich fern von ihm, soweit wie irgend möglich; und wenngleich sie mit leidenschaftlichem Nachdruck sprach, so trat sie ihm doch noch immer nicht näher. Wie verschieden war sie von ihrem früheren Selbst.

      »Keine Hand kann die Uhr verfertigen, die mir noch einmal die Stunden schlagen wird, die dahin sind«, entgegnete der Fuhrmann mit einem leeren Lächeln. »Aber es sei, wenn du willst, mein Kind. Die Uhr wird bald schlagen. Es hat wenig zu bedeuten, was wir sagen. Ich würde gern versuchen, dir in einer viel schwereren Sache zu Gefallen sein.«

      »Nun!« brummte Tackleton. »Ich muß gehen, denn wenn die Uhr noch einmal schlägt, muß ich auf dem Wege zur Kirche sein. Guten Morgen, John Peerybingle. Es tut mir leid, das Vergnügen Eurer Gesellschaft entbehren zu müssen. Tut mir leid um den Verlust und die Veranlassung dazu!«

      »Habe ich deutlich gesprochen?« fragte der Fuhrmann, indem er ihn bis zur Tür begleitete.

      »O sehr deutlich!«

      »Und werdet Ihr Euch merken, was ich gesagt habe?«

      »Gewiß, gewiß, und – da Ihr mich absolut zwingt, die Bemerkung zu machen –« sagte Tackleton, nicht ohne zuvor die Vorsicht zu gebrauchen, in seinen Wagen zu steigen, »so muß ich sagen, die Sache kam mir so unerwartet, daß ich sie wohl schwerlich je vergessen werde.«

      »Um so besser für uns beide,« versetzte der Fuhrmann. »Gehabt Euch wohl. Viel Glück.«

      »Ich wollte, ich könnte Euch denselben Wunsch zurufen«, sagte Tackleton. »Da das aber nicht möglich ist, so danke ich Euch. Unter uns – ich habs Euch schon einmal gesagt, wie? oder nicht? – unter uns, ich glaube nicht, daß ich in meinem Ehestande darum nicht weniger glücklich sein werde, weil May nicht allzuviel Liebe und Glück gezeigt hat. Laßt es Euch gut gehen und nehmt Euch die Sache nicht allzu sehr zu Herzen!«

      Der Fuhrmann sah ihm nach, bis er in der Ferne kleiner erschien als seines Pferdes Blumen und Bänder in der Nähe. Und dann irrte er seufzend und sich grämend wie ein ruheloser gebrochener Mann zwischen einigen Bäumen in der Nachbarschaft umher; er mochte nicht zurückkehren, bis die Uhr bald schlagen würde.

      Seine kleine Frau, allein geblieben, schluchzte zum Erbarmen; aber sie trocknete sich immer wieder die Augen und drängte die Tränen zurück, um zu sagen, wie gut, wie brav ihr Mann sei, und ein paarmal lachte sie auf, so herzlich, so siegesgewiß, so unbegreiflich – denn sie weinte gleichzeitig – daß Tilly aus dem Schrecken gar nicht herauskam.

      »O bitte, nicht so!« sagte Tilly. »Es könnte ja das Kindchen rein unter die Erde bringen, wenn’s erlauben.«

      »Willst du es bisweilen seinem Vater bringen, Tilly, wenn ich hier nicht mehr wohnen kann und in mein väterliches Haus zurückgekehrt bin?« fragte die Herrin, sich die Augen trocknend.

      »O, o, bitte nicht so!« rief Tilly, den Kopf zurückwerfend und in ein Geheul ausbrechend – sie sah in diesem Augenblick Boxer ungewöhnlich ähnlich. »O, o, bitte nicht so! O, o, was hat denn alle Welt nur aller Welt getan, um alle Welt so unglücklich zu machen! O, o, o, o!«

      Und die gefühlvolle Tilly brach in ein anhaltendes Klagegeheul aus, das um so furchtbarer wurde, je länger sie es zurückzuhalten versucht, so daß sie das Wickelkind unfehlbar geweckt und in einen mit sehr ernsten Folgen – wahrscheinlich mit Krämpfen – verbundenen Schrecken versetzt hätte, wenn ihre Augen nicht Kaleb Plummer begegnet wären, der grade mit seiner Tochter ins Zimmer trat. Da dieser Anblick das Gefühl des Anstandes in ihr wieder zurückrief, blieb sie einige Augenblicke mit geöffnetem Munde schweigend dastehen, und dann nach dem Bett davonstürzend, auf welchem das Kind schlief, begann sie in unheimlicher Weise, als hätte sie den Veitstanz, auf dem Boden umherzuspringen, während sie sich zugleich mit Gesicht und Kopf in die Bettücher hineinwühlte, offenbar viel Erleichterung für ihren Schmerz aus diesen außerordentlichen Operationen schöpfend.

      »Marie!« rief Bertha. »Nicht auf der Hochzeit!«

      »Ich habe ihr gesagt, junge Frau, Ihr würdet nicht mit dabei sein«, flüsterte Kaleb. »Ich habe gestern abend so was gehört. Aber mein Gott«, sagte der kleine Mann, zärtlich ihre beiden Hände drückend, »ich achte nicht darauf, was sie sagen. Ich glaub’ nichts davon. Es ist nicht viel an mir, aber dieses Wenige würde ich erst in Stücke reißen lassen, ehe ich auch nur ein Wort gegen Euch glaubte.«

      Er legte die Arme um sie und herzte sie, wie ein Kind seine Puppe herzt.

      »Bertha konnte es heute morgen zu Hause nicht aushalten«, fuhr Kaleb fort. »Ich weiß, sie fürchtete die Glocken läuten zu hören und hatte nicht das Herz, ihnen an ihrem Hochzeitstage so nahe zu sein. So machten wir uns denn frühzeitig auf den Weg und kamen hierher. Ich habe mir dies alles überlegt«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Ich habe mich ausgescholten, bis ich kaum mehr wußte, was ich tun oder wohin ich mich wenden sollte; denn all ihren Kummer habe ich verschuldet; und da bin ich zu dem Entschlusse gekommen, es sei besser – das heißt – wenn Ihr mir beistehen wollt, junge Frau – ihr die Wahrheit zu sagen. Wollt Ihr mir beistehen?« fragte er, von Kopf bis zu den Füßen zitternd. »Ich weiß nicht, was sie von mir denken wird, ich weiß nicht, ob sie dann noch ihren Vater lieben wird. Aber es ist das beste für sie, daß sie erfährt, daß alles Täuschung war, und ich muß die Folgen tragen, wie ich’s verdient habe.«

      »Marie«, sagte Bertha, »wo ist deine Hand? Ah, hier ist sie, hier ist sie!«

      Sie drückte sie mit einem Lächeln an die Lippen und zog sie unter ihren Arm.

      »Ich hörte sie miteinander flüstern gestern abend und dich wegen irgend etwas tadeln. Sie hatten unrecht.«

      Des Fuhrmanns Frau schwieg. Kaleb nahm das Wort für sie.

      »Sie hatten unrecht«, sagte er.

      »Ich weiß es« rief Bertha stolz. »Und ich hab´s ihnen auch gesagt. Es wäre verächtlich erschienen, auch nur ein einziges Wort anzuhören. Ein Recht haben, Dot zu tadeln!« Und sie drückte die Hand in die ihrige und näherte ihre weiche Wange ihrem Gesicht. »Nein, so blind bin ich nicht.«

      Ihr Vater stellte sich ihr zur Linken, während Dot, noch immer ihre Hand haltend, auf ihrer rechten Seite blieb.

      »Ich kenne euch alle«, sagte Bertha, »besser als ihr glaubt. Aber niemand so gut wie sie. Nicht einmal dich, Vater. In meiner ganzen Umgebung gibt СКАЧАТЬ