Sherlock Holmes: Seine Abschiedsvorstellung (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Arthur Conan Doyle
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sherlock Holmes: Seine Abschiedsvorstellung (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch) - Arthur Conan Doyle страница 9

СКАЧАТЬ Holmes. Mit dem letzten Zug sind sie abgefahren. Die Dame ist ausgerückt, und ich habe sie unten in einem Wagen.«

      »Ausgezeichnet, Warner!« rief Holmes und sprang auf die Füße. »Watson, die Sache zieht sich unheimlich schnell zusammen.«

      In dem Wagen saß eine Frau, vor nervöser Erschöpfung einem Zusammenbruch nahe. Ihr abgezehrtes knochiges Gesicht verriet eine Tragödie. Ihr Kopf hing ihr wie leblos auf die Brust, aber als sie ihn ein wenig hob und uns mit ihren ausdruckslosen Augen ansah, bemerkte ich, daß ihre Pupillen dunkle Pünktchen waren inmitten der großen grauen Regenbogenhaut. Sie war mit Opium vergiftet.

      »Ich stand am Eingang auf Posten, wie Sie es angeordnet hatten, Herr Holmes«, sagte Warner, der entlassen Gärtner. »Als der Wagen herauskam, folgte ich ihm zur Bahn. Sie war wie eine, die im Schlaf wandelt. Aber als sie versuchten, sie in einen Wagen zu schieben, wurde sie lebendig und setzte sich zur Wehr. Sie schoben sie trotzdem in ein Abteil. Aber sie kämpfte sich wieder hinaus. Ich ergriff sie, führte sie zu dem Wagen, und hier sind wir. Meiner Lebtag werde ich das Gesicht nicht vergessen, das durch das Wagenfenster hereinsah, als wir davonfuhren. Ich hätte nicht mehr lange zu leben, wenn es nach ihm ginge, dem schwarzäugigen, finsterblickenden gelben Teufel.«

      Wir führten Fräulein Burnett hinauf, betteten sie auf das Sofa, und einige Tassen stärksten Kaffees vertrieben ihr bald die Opiumnebel aus dem Kopf. Baynes war von Holmes benachrichtigt worden, und als er kam, wurde ihm rasch das Wichtigste mitgeteilt.

      »Herr Holmes,« sagte er, »Sie haben mir hier den Zeugen verschafft, den ich gesucht habe.« Seine Äuglein glitzerten, und er drückte meinem Freunde warm die Hand. »Von Anfang an verfolgte ich nämlich dieselbe Fährte wie Sie.«

      »Was? Sie waren hinter Henderson her?«

      »Natürlich. Während Sie im Garten von High Gable unten im Gebüsch versteckt saßen, war ich oben in einem der Bäume. Ich sah Sie nahe unter mir. Die Frage war nur, wer von uns beiden zuerst zum Ziel käme.«

      »Aber wozu haben Sie denn dann den Mulatten verhaftet?«

      Baynes lachte laut.

      »Ich nahm als sicher an, daß Henderson, wie er sich hier nennt, bereits gemerkt hatte, daß er im Verdacht stand, und daß er sich also so lange ganz still verhalten würde, als er sich in Gefahr glaubte. Ich verhaftete daher einen Falschen, um Henderson glauben zu machen, unser Verdacht hätte sich von ihm weg auf den Mulatten gelenkt. Ich rechnete, daß er dann alsbald einen Schritt täte, der uns die Möglichkeit gab, Fräulein Burnetts habhaft zu werden.«

      Holmes legte die Hand auf des Inspektors Schulter.

      »Sie werden es noch weit in Ihrem Beruf bringen. Sie haben Instinkt und Ahnungsvermögen,« sagte er.

      Baynes’ Gesicht färbte sich noch röter, und er verbeugte sich.

      »Ich hatte die ganze Woche einen Konstabler in Zivil auf der Station. Er ist beauftragt, die High Gable Leute nicht aus dem Auge zu verlieren. Es muß für ihn ein harter Schlag gewesen sein, als Fräulein Burnett entführt wurde. Nun, es hat sie ja nur ein anderer, statt ihm, weggeschnappt, und ganz zum selben Zweck. Wir können niemand festnehmen ohne ihr Zeugnis, das ist klar, und je früher wir eine Aussage bekommen, desto besser.«

      »Sie kommt mit jeder Minute mehr zu Kräften,« sagte Holmes, mit einem Blick auf die Gouvernante. »Aber sagen Sie mir, Baynes, wer ist dieser Henderson?«

      »Henderson,« antwortete der Inspektor, »ist Don Murillo, einst bekannt als der Tiger von San Pedro.«

      Der Tiger von San Pedro! Die ganze Geschichte des Mannes kam mir blitzartig in Erinnerung. Er hatte sich seinen Namen gemacht als der ausschweifendste und blutdürstigste Tyrann, der je ein Land beherrschte, das einigen Anspruch erhob, zu den zivilisierten zu zählen. Stark, furchtlos, energisch – diese Eigenschaften gestatteten es ihm, zehn oder zwölf Jahre lang seine Laster an einer unterdrückten Bevölkerung zu üben. Sein Name wurde mit Schrecken in ganz Mittelamerika genannt. Am Ende dieser Zeit fand eine allgemeine Erhebung gegen ihn statt. Aber er war ebenso schlau wie grausam. Auf die ersten Anzeichen von Unruhen hin hatte er heimlich seine Schätze auf ein Schiff bringen lassen, das mit seinen ergebensten Anhängern bemannt war. Als die Insurgenten seinen Palast stürmten, war er leer. Der Diktator, seine beiden Kinder, sein Sekretär und seine Reichtümer, alles war ihnen entgangen. Von da an war er von der Welt verschwunden, und in der europäischen Presse war seitdem wiederholt sein möglicher Aufenthaltsort erörtert worden.

      »Jawohl, Herr Holmes, Don Murillo, der Tiger von San Pedro,« sagte Baynes. »Wenn Sie es nachschlagen, so werden Sie finden, daß die Farben von San Pedro grün und weiß sind, wie die Farben in der Botschaft, Herr Holmes. Er nannte sich Henderson, aber ich habe ihn zurückverfolgt, – Paris, Rom, Madrid und Barcelona. In Barcelona ist sein Schiff damals gelandet. Sie haben ihn die ganze Zeit gesucht, um Rache zu nehmen, aber erst jetzt vor kurzem haben sie ihn ausfindig gemacht.«

      »Vor einem Jahr haben sie ihn entdeckt,« sagte unerwartet Fräulein Burnett, die sich aufgerichtet hatte und nun mit angestrengtester Aufmerksamkeit der Unterhaltung folgte. »Einmal schon wurde ein Anschlag auf sein Leben gemacht; aber ein böser Geist nahm ihn in Schutz. Nun, beim zweiten Versuch, ist der edle ritterliche Garcia gefallen, während das Ungeheuer lebt. Aber andere werden kommen, einer nach dem andern, bis eines Tages der Gerechtigkeit genügt ist. Das ist so gewiß wie, daß morgen die Sonne aufgeht.« Ihre dünnen Finger krampften sich zusammen und ihr abgehärmtes Gesicht wurde noch blasser vor leidenschaftlichem Haß.

      »Aber wie sind Sie in diese Geschichten hineingekommen, Fräulein Burnett?« fragte Holmes. »Wie kann eine englische Dame sich einer solchen Mordverschwörung anschließen?«

      »Weil es keinen anderen Weg auf der Welt gibt, um der Gerechtigkeit zu dienen. Was kümmert sich das englische Gesetz um die Ströme von Blut, die vor Jahren in San Pedro vergossen wurden? Oder um die Schiffsladung voll Schätze, die der Mann zusammengestohlen hat? Für euch sind das Verbrechen, die auf einem anderen Planeten verübt sind. Aber für uns nicht! Wir haben unter Qualen und Ängsten die Wahrheit erfahren. Für uns gibt es keinen Dämon der Hölle, der Juan Murillo gliche, und keinen Frieden in unserem Leben, solange seine Opfer nach Rache schreien.«

      »Kein Zweifel,« sagte Holmes, »er war ein Tyrann, wie Sie ihn schildern. Ich hörte früher, er sei einfach fürchterlich. Aber wieso berührt Sie das so nahe?«

      »Ich will Ihnen alles sagen. Die Politik dieses Schurken bestand darin, zu morden, unter diesem oder jenem Vorwand jeden zu beseitigen, der einmal ein gefährlicher Nebenbuhler hätte werden können. Mein Mann – ja, mein richtiger Name ist Signora Viktor Durando – war Vertreter San Pedros in London. Er lernte mich in London kennen und heiratete mich hier. Ein besserer Mann hat nie auf Erden gelebt. Unglücklicherweise hörte Murillo, daß er sich in England hervortue, rief ihn unter einem Vorwand zurück und ließ ihn erschießen. Als ob er eine Ahnung gehabt, welches Schicksal ihm drohte, hatte mein Mann mich hier zurückgelassen. Sein Grundbesitz wurde eingezogen, und ich blieb hier zurück, mit kaum genug zum Leben und mit einem gebrochenen Herzen.

      Dann kam das Ende seiner Tyrannenmacht. Er entfloh, wie Sie es soeben erzählt haben, aber die vielen, deren Leben er vernichtet hatte, deren liebste und nächste Angehörige Marter und Qual und Tod durch ihn erlitten haben, die gaben sich mit seiner Flucht nicht zufrieden. Sie verbanden sich zu einer geheimen Gesellschaft, die nicht eher aufgelöst werden sollte, bevor ihr Zweck erreicht war. Nachdem wir in Henderson den einstigen Despoten entdeckt hatten, fiel mir die Aufgabe zu, mich seinem Haushalt anzuschließen und die anderen über alle seine Bewegungen auf dem laufenden zu erhalten. Zu diesem Behufe nahm ich bei seinen Töchtern die Stelle СКАЧАТЬ