Der Ursprung des Christentums. Karl Kautsky
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Название: Der Ursprung des Christentums

Автор: Karl Kautsky

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788026841548

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СКАЧАТЬ also auf den beschränkten Standpunkt der römischen Cäsaren und Großgrundbesitzer und ihres Anhanges an Höflingen, Künstlern und Literaten stellt, dem erscheint freilich zur Zeit des Kaisers Augustus die gesellschaftliche Situation als glänzend. Unendliche Reichtümer strömten in Rom zusammen, einzig zu dem Zwecke, dem Genießen zu dienen; genußfrohe reiche Prasser taumelten von Fest zu Fest, mit vollen Händen mitteilend von ihrem Überflusse, den für sich allein zu verbrauchen ihnen ganz unmöglich war. Viele Künstler und Gelehrte erhielten von den Mäzenaten materielle Mittel in ausgiebigem Maße, riesige Bauten entstanden, deren ungeheure Größe und künstlerisches Ebenmaß wir heute noch anstaunen, die ganze Welt schien Reichtum aus allen Poren zu schwitzen – und doch war diese Gesellschaft damals schon dem Tode geweiht.

      e. Der ökonomische Niedergang

      Eine Ahnung davon, daß es abwärts ging, erstand frühzeitig in den herrschenden Klassen, die ausgeschaltet wurden aus jeder Tätigkeit, alle Arbeit immer mehr von Sklaven besorgen ließen, selbst die Wissenschaft, selbst die Politik. In Griechenland hatte die Sklavenarbeit zunächst dazu gedient, den Herren volle Muße zu gewähren für die Verwaltung des Staates und das Nachdenken über die wichtigsten Probleme des Lebens. Aber je mehr sich die Überschüsse steigerten, die durch die Konzentration des Grundbesitzes, die Ausdehnung der Latifundien und die Vermehrung der Sklavenmassen in den Händen weniger vereinigt wurden, desto mehr wurde das Genießen, die Verschwendung dieser Überschüsse die vornehmste gesellschaftliche Funktion der herrschenden Klassen, desto mehr entbrannte unter ihnen der Konkurrenzkampf der Verschwendung, der Wetteifer, einander an Glanz, Üppigkeit, Nichtstun zu überbieten. Das vollzog sich in Rom noch leichter als in Griechenland, weil jenes in seiner Kulturhöhe verhältnismäßig rückständiger war, als es diese Produktionsweise erreichte. Die griechische Macht hatte sich hauptsächlich barbarischen Völkern gegenüber ausgedehnt, dagegen war sie in Kleinasien und Ägypten auf starke Hindernisse gestoßen. Ihre Sklaven waren Barbaren, von denen die Griechen nichts lernen konnten, denen sie nicht die Staatsverwaltung überlassen durften. Und die Reichtümer, die man aus den Barbaren herauszuholen vermochte, waren relativ gering. Die Römerherrschaft dehnte sich dagegen rasch über die ganzen uralten Kulturstätten des Ostens bis nach Babylonien (oder Seleukia) hinaus; aus diesen neu eroberten Provinzen zogen die Römer nicht bloß unendliche Reichtümer, sondern auch Sklaven, die ihren Herren an Wissen überlegen waren, von denen diese zu lernen hatten, denen sie leicht die Staatsverwaltung überlassen durften. An Stelle der großgrundbesitzenden Aristokraten als Verwalter des Staates traten in der Kaiserzeit immer mehr Sklaven des kaiserlichen Hauses und ehemalige Sklaven des Kaisers, Freigelassene, die dem früheren Herrn verpflichtet blieben.

      So blieb den Latifundienbesitzern und ihrem zahlreichen Anhang an Schmarotzern keine andere Funktion in der Gesellschaft übrig als die des Genießens. Aber der Mensch wird gegen jeden Reiz abgestumpft, der dauernd auf ihn einwirkt, gegen die Freude wie gegen den Schmerz, gegen die Wollust wie gegen die Todesfurcht. Das ununterbrochene bloße Genießen, das keine Arbeit, kein Kampf unterbrach, erzeugte zunächst eine stete Jagd nach neuen Genüssen, durch die man die alten zu überbieten, die abgestumpften Nerven aufs neue zu kitzeln suchte, was zu den unnatürlichsten Lastern, zu den ausgesuchtesten Grausamkeiten führte, aber auch die Verschwendung aufs höchste und sinnloseste steigerte. Alles hat jedoch seine Grenzen und war der einzelne einmal so weit, aus Mangel an Mitteln oder an Kräften, infolge finanziellen oder körperlichen Bankrotts, daß er nicht mehr die Genüsse zu steigern vermochte, dann trat bei ihm der schlimmste Katzenjammer, Ekel vor jedem Gemäß, ja völliger Lebensüberdruß ein, das Empfinden, daß alles irdische Dichten und Trachten eitel sei – vanitas, vanitatum vanitas. Verzweiflung, Todessehnsucht, aber auch die Sehnsucht nach einem neuen, höheren Leben trat ein – so tief wurzelte jedoch die Abneigung gegen die Arbeit in den Gemütern, daß auch dies neue, ideale Leben nicht als ein Leben freudiger Arbeit gedacht wurde, sondern als eine völlig tatlose Seligkeit, die ihre Freude nur daraus zog, daß sie von allen Schmerzen und Enttäuschungen der leiblichen Bedürfnisse und Genüsse befreit war.

      In den besten unter den Ausbeutern erstand aber auch ein Gefühl der Scham darüber, daß ihr Wohlleben sich aufbaute auf dem Untergang zahlreicher freier Bauern, auf der Mißhandlung Tausender von Sklaven in den Bergwerken und Latifundien. Der Katzenjammer erweckte auch Mitleid mit den Sklaven – ein seltsamer Widerspruch gegen die rücksichtslose Grausamkeit, mit der man damals über deren Leben verfügte –, wir erinnern nur an die Gladiatorenspiele. Endlich erweckte der Katzenjammer auch Abscheu gegen die Gier nach Gold, nach Geld, die damals schon die Welt beherrschte.

      „Wir wissen,“ ruft Plinius im 33. Buche seiner Naturgeschichte, „daß Spartakus (der Führer eines Sklavenaufstandes) in seinem Lager verbot, Gold oder Silber bei sich zu führen. Wie sehr übertreffen uns unsere entlaufenen Sklaven an Geistesgröße! Der Redner Messala schreibt, der Triumvir Antonius habe sich zu aller schmutzigen Notdurft goldener Gefäße bedient ... Antonius, der das Gold zur Schändung der Natur so herabwürdigte, hätte die Ächtung verdient. Aber es hätte ein Spartakus sein müssen, der ihn ächtete.“

      Unter dieser herrschenden Klasse, die teils in toller Genußsucht, Geldgier und Grausamkeit verkam, teils von Mitleid mit den Armen und Abscheu vor Geld und Genuß, ja von Todessehnsucht erfüllt wurde, breitete sich eine ungeheure Schar von arbeitenden Sklaven aus, die schlechter gehalten wurden, als unsere Lasttiere, aus den verschiedensten Völkern zusammengeholt, vertiert und verroht durch die stete Mißhandlung, durch das Arbeiten in Ketten, unter Peitschenhieben, voll Erbitterung, Rachsucht und Hoffnungslosigkeit, stets zu gewaltsamer Empörung geneigt, aber durch den intellektuellen Tiefstand ihrer barbarischen Elemente, der Mehrheit unter ihnen, außerstande, die Ordnung des gewaltigen Staatswesens umzustürzen und eine neue zu begründen, wenn auch einzelne hervorragende Geister unter ihnen derartiges anstreben mochten. Die einzige Art der Befreiung, die ihnen gelingen konnte, war nicht der Umsturz der Gesellschaft, sondern die Flucht aus der Gesellschaft, die Flucht entweder ins Verbrechertum, das Räubertum, dessen Scharen sie immer wieder schwellten, oder die Flucht über die Reichsgrenze zu den Reichsfeinden.

      Über diesen Millionen der Unglückseligsten aller Menschen wieder erhoben sich viele Hunderttausende von Sklaven, oft in Üppigkeit und Wohlleben, stets die Zeugen und Objekte des wüstesten und wahnsinnigsten Sinnentaumels, Mithelfer bei jeder erdenklichen Korruption und entweder von dieser Korruption erfaßt und ebenso verderbt wie ihre Herren, oder, ebenfalls wie viele dieser und oft noch früher als sie, weil sie die bittere Seite des Genußlebens weit eher zu verkosten bekamen, aufs tiefste angeekelt von der Verderbnis und dem Genußleben und voll Sehnsucht nach einem neuen, reineren, höheren Leben.

      Und neben allen diesen wimmelten noch Hunderttausende von freien Bürgern und freigelassenen Sklaven, zahlreiche, aber dürftige Überreste der Bauernschaft, verelendete Pächter, armselige städtische Handwerker und Lastträger, sowie endlich großstädtische Lumpenproletarier, mit der Kraft und dem Selbstbewußtsein des freien Bürgers, und doch ökonomisch überflüssig in der Gesellschaft, ohne jegliches Heim, ohne jegliche Sicherheit, völlig auf die Abfälle angewiesen, die ihnen die großen Herren aus ihrem Überfluß zuwarfen, aus Freigebigkeit oder Furcht, oder aus dem Wunsch nach Ruhe.

      Wenn das Evangelium des Matthäus Jesus von sich sagen läßt: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel der Luft ihre Nester, der Menschensohn aber hat nichts, wo er sein Haupt hinlegen könnte“ (8, 20), so spricht es bloß für die Person Jesu einen Gedankengang aus, dem Tiberius Gracchus bereits 130 Jahre vor Christi Geburt für das ganze Proletariat Roms Ausdruck gegeben hatte: „Die wilden Tiere Italiens haben ihre Höhlen und ihre Lager, auf denen sie ruhen, die Männer aber, die für Italiens Herrschaft kämpfen und sterben, besitzen nichts als Luft und Licht, weil man ihnen diese nicht rauben kann. Ohne Hütte und Obdach irren sie mit Weib und Kind umher.“

      Ihr Elend und die stete Unsicherheit ihrer Existenz mußte sie um so mehr erbittern, je schamloser und üppiger der Reichtum der Großen demgegenüber zur Schau getragen wurde. Grimmiger Klassenhaß der Armen gegen die Reichen entstand, aber dieser Klassenhaß war ganz anderer Art als der СКАЧАТЬ