Название: DIE GRENZE
Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958353060
isbn:
»Hier werden wir alle sterben«, fuhr Dave fort. »Wir halten das hier nicht durch. Das ist es, was unmöglich ist.« Er warf JayDee einen schnellen, finsteren Blick zu. »Ich habe herumgefragt, ob jemand etwas von einem Ort namens White Mansion gehört hat. Soweit kein Ergebnis. Ich habe gefragt, ob jemand einen Straßenatlas hat, aber wieder … nein. Vielleicht fällt jemandem dazu etwas ein, vielleicht auch nicht. In der Zwischenzeit: Ich weiß, dass es in der Highschool eine Bibliothek gibt.« Von der Schule hatten sie einen großen Teil von JayDees medizinischen Vorräten geholt, ebenso einen Teil der Konserven, aber Daves letzter Ritt dorthin war schon einige Monate her. »Ich nehme mir morgen früh ein Pferd, reite hin und versuche, etwas zu finden, was uns weiterhilft … ein paar Landkarten, vielleicht … irgendetwas, das helfen könnte.«
»Du kannst auf keinen Fall allein gehen«, sagte Olivia. »Du hättest auch nicht allein gehen sollen, als du Ethan geholt hast. Das war leichtsinnig. Und du weißt auch, dass du überhaupt nicht nach draußen gehen solltest, außer du suchst nach Essen und Munition.«
»Ja, aber ich gehe trotzdem. Ich werde niemanden bitten, mich zu begleiten, ich bekomme das allein hin.«
Olivia hielt inne und betrachtete erneut ihre Buchstabensteine. Sie beschloss, ihren Blankostein aufzuheben und legte dart auf das Spielbrett. Dann zog sie drei weitere Buchstaben, darunter das gefürchtete Z. »Glaubst du daran?«, fragte sie leise, während die Öllampen ein leises Rauschen von sich gaben. »Dass Ethan zu einem tatsächlich existierenden Ort will? Dass er das Gefühl hat … wie soll ich es sagen … herbeigerufen zu werden? Und dass dieses White Mansion nicht irgendwo am anderen Ende der Welt ist?«
»Herbeigerufen?« JayDee zeigte ein schiefes Lächeln, das aber schnell verschwand. »Herbeigerufen von wem? Einer Stimme im Traum? Das ist deine Basis, auf der du weitermachen willst?« Die Frage war an Dave gerichtet.
»Ich muss weitermachen mit dem, was der Junge mir gesagt hat«, erwiderte Dave fest. »Sicher, das ist alles, was ich habe … aber ich weiß, dass ich das Erdbeben gesehen habe. Und auch gespürt. Ich glaube, er wusste, dass die Quelle da war, bevor der Boden aufbrach. Ich glaube, er hat es gefühlt. Frag mich nicht wie, ich kann es nicht erklären.« Er beugte sich leicht nach vorn und sah von John Douglas zu Olivia und wieder zurück. »Er hat mich gebeten, ihm zu helfen, diesen Ort zu finden. Er denkt, sein Ziel gibt es wirklich, und er sagt, es zieht ihn an. Ob wir es finden können?« Dave zuckte mit den Schultern. »Ist es fünfzig Meilen entfernt? Einhundert? Tausend? Keine Ahnung. Ich muss morgen zu dieser Bibliothek und versuchen, ein paar Karten aufzutreiben. Das ist das Beste, was ich im Moment tun kann. Und John … du weißt, wie diese Prellungen auf seiner Brust und seinem Rücken ausgesehen haben. Du hast es selbst gesagt … du warst überrascht, dass seine Lunge nicht gerissen war und er noch atmete.«
»Richtig, das habe ich«, antwortete JayDee, aber in seiner Stimme war eine Spur Mitleid. »Ich bin erstaunt, dass er noch lebt. Aber Dave … das heißt nicht, dass er gestorben und dann von den Toten auferstanden ist.«
Dave schwieg eine Weile. Der Regen prasselte härter auf die krummen Dächer und die eingerissenen Wände der Panther Ridge Apartments, deren einstiger Glanz jetzt nur noch eine ferne Erinnerung war.
Dave sah JayDee direkt in die Augen. Er sagte mit leiser, verhaltener Stimme: »Aber was ist, wenn es wahr ist?«
JayDee schlug mit beiden Händen auf die Tischkante, was die Spielsteine und Wörter durcheinanderwirbelte. Er stand auf, ein Stirnrunzeln lag auf seinem Gesicht. »Ich höre mir das nicht länger an. Danke für eure Gesellschaft. Ich werde jetzt etwas schlafen, gute Nacht euch beiden.« Er deutete auf die Tür. »Ihr müsst etwas kräftiger drücken, sie klemmt.«
Dave und Olivia sagten JayDee gute Nacht. Dave hob seine Uzi in ihrem Holster auf, die neben seinem Stuhl auf dem Boden lag, und Olivia nahm ihr Gewehr. Dave musste tatsächlich kräftig gegen die Tür drücken, damit sie aufging. Im Korridor gingen sie gemeinsam auf die Treppe zu.
»Es scheint mir«, sagte Olivia und durchbrach das Schweigen, »dass du unbedingt an etwas glauben willst.«
»Ja, das ist wahrscheinlich richtig. Traurig, nicht wahr?«
»Das ist nicht traurig. Ich muss sagen … ich frage mich selbst, was das mit Ethan zu bedeuten hat. John geht es auch so, er will es nur nicht direkt zugeben. Es ist schwer, überhaupt noch an irgendetwas zu glauben. Dass noch irgendetwas einen Sinn hat.« Sie blieb stehen, Dave ebenso. »Also glaubst du, dass das, was Ethan tun will, einen Sinn hat? Und dass es uns irgendwie weiterbringt? Was könnte das sein?«
»Keine Ahnung. Aber das, was er bisher getan hat, hat uns bereits geholfen. Ich weiß nicht, was er ist oder warum er hier ist, aber ich denke … wenn er uns helfen kann, dann muss ich ihm bei dem helfen, worum er mich bittet. Und wenn das bedeutet, etwas zu verfolgen, was er im Traum gehört hat … nun, dann bin ich dafür. Du solltest es auch sein. Wir alle sollten dafür sein. Sonst warten wir nur darauf, den Friedhof zu füllen, und das ist nichts, worauf ich warten will.«
»Hm«, meinte Olivia, und sie dachte nach, bevor sie wieder sprach. Regenwasser strömte zu ihrer Rechten vom Dach herunter. Blitze zuckten durch die unruhige Dunkelheit. »Ich nehme an … vielleicht habe ich Angst, zu glauben. Das würde bedeuten, sich wieder zu öffnen, nicht wahr? Ich schätze, es ist sicherer, in einem Raum mit einem Bild von deinem toten Ehemann zu sitzen und zu denken … nicht mehr lange, und wir werden wieder vereint sein.«
»Gib nicht auf«, sagte Dave.
»Auf einen Jungen vertrauen, der sein Gedächtnis verloren hat? Auf zwei Wörter aus einem Traum vertrauen? Das bedeutet, sich an den letzten Strohhalm zu klammern, denke ich.«
»Sicher ist es das. Aber es bedeutet auch, dass es etwas gibt, an das man sich klammern kann.«
Olivia nickte und lächelte schwach. Es lag so viel Schmerz hinter dem Lächeln, dass Dave seinen Kopf senken und wegschauen musste.
»Ich gehe morgen mit dir«, sagte sie zu ihm.
»Das musst du nicht. Wir müssen nicht zu zweit reiten.«
»Vielleicht will ich mich auch noch etwas länger an etwas klammern. Außerdem sind es meine Pferde.« Die Herde hatte sie von der Ranch mitgebracht, die ihr mit Vincent gehört hatte. Zu sehen, wie sie nacheinander geschlachtet und gegessen wurden, war zunächst verheerend gewesen. Jetzt war es eine Frage des Überlebens.
»Okay.« Dave legte eine Hand auf ihre Schulter. »Wir treffen uns um acht vor dem Stall?«
»Ich werde da sein.«
Daran hatte Dave keinen Zweifel. Sie schützten sich vor dem Regen, so gut sie konnten, und trennten sich am Fuß der Treppe. Dave kehrte zu seiner Wohnung und seinem Schlafsack auf dem grauen Sofa zurück. Olivia ging in ihre Wohnung, zündete mit einem Streichholz den Docht der Lampe an und setzte sich an ihren Schreibtisch. Dort nahm sie den Magic Eight Ball, den Vincent ihr geschenkt hatte. Sie drehte ihn zwischen den Händen und erinnerte sich an den Tag, an dem der Ball in rotes Papier mit silbernem Geschenkband eingepackt gewesen war. Das war, so schien es, vor langer Zeit gewesen.
Und jetzt musste sie gegen jede Logik und gegen jede Vernunft eine Frage stellen. Sie flüsterte, als spräche sie in Vincents Ohr.