»Aber es ist schade um den schönen Humpen!« erwiderte der Böhme in etwas widerspenstigem Tone.
Darauf entgegnete Macko: »Habe keine Furcht, ich thue nichts ohne Ueberlegung, denn wenn mir der Herr Jesus in seiner Barmherzigkeit gestattet, diesen Deutschen niederzuwerfen, werde ich auch den Becher zurückgewinnen und zugleich viele andere kostbare Dinge nebenbei.«
Nun begannen die beiden Männer sowie Jagienka sich miteinander zu beraten, was weiter zu thun sei. Abermals fuhr es Macko durch den Sinn, er könne diese und die Tochter Sieciechowas unter dem Schutze der Fürsten Alexandra in Plock zurücklassen, wobei es ihm wiederum hauptsächlich um des Abtes Testament zu thun war, das sich in den Händen des Bischofs befand. Aber dem widersetzte sich Jagienka mit der ganzen Kraft ihres unbeugsamen Willens. Wohl wäre es leichter gewesen, ohne sie die Fahrt fortzusetzen, weil man dann in den Nachtherbergen keine besondere Schlafkammer ausfindig machen, überhaupt keine Rücksicht nehmen und den Gefahren nicht aus dem Wege gehen mußte. Sie hatten jedoch Zgorzelic nicht verlassen, um in Plock zu bleiben. Das Testament war gut geborgen in des Bischofs Händen, und wenn die Mägdlein tatsächlich unterwegs irgendwo zurückbleiben sollten, waren sie sicherer unter dem Schutze der Fürstin Anna, als unter dem der Fürstin Alexandra, weil man am Hofe der ersteren den Kreuzrittern weniger zugethan, Zbyszko aber sehr geneigt war. Zwar behauptete Macko, daß Verstand nicht der Frauen Sache sei und daß es sich nicht gezieme, sich einem Weibe gegenüber in Erörterungen einzulassen wie einem verständigen Menschen gegenüber, dessen ungeachtet blieb er aber nicht bei seinem Vorsatze und gab bald vollständig nach, da Jagienka ihn auf die Seite führte und mit Thränen in den Augen sagte: »Wisset! – Gott sieht in mein Herz – daß ich vom Morgen bis zum Abend für ihr – für Danusias und für Zbyszkos Glück bete. Unser Gott im Himmel weiß dies am besten. Aber Hlawa und auch Ihr sagt ja, daß sie verschwunden ist und daß sie nicht lebend aus den Händen der Kreuzritter entkommen werde. Und ist dem so, dann …«
Hier zauderte sie ein wenig, die bis jetzt zurückgehaltenen Thränen flossen langsam über ihre Wangen herab, und leise fügte sie hinzu: »Dann möchte ich Zbyszko nahe sein!«
Diese Worte und ihre Thränen rührten Macko tief, gleichwohl antwortete er: »Wenn sie zu Grunde geht, wird Zbyszkos Herzeleid so groß sein, daß er Dich auch nicht einmal anschaut.«
»Daß er mich anschaut, wünsche ich gar nicht, ich wünsche nur, bei ihm zu sein.«
»Du weißt doch, daß ich ganz dasselbe will, was Du willst, aber im ersten Kummer wird er sogar im stande sein, Dir harte Worte zu sagen.«
»Mag er mir immerhin harte Worte sagen!« antwortete sie mit traurigem Lächeln. »Doch wird er es nicht thun, weil er nicht weiß, daß ich es bin.«
»Er wird Dich erkennen!«
»Nein, er wird mich nicht erkennen. Ihr erkanntet mich ja auch nicht. Sagt ihm, ich sei es nicht, sondern Jasko, und Jasko gleicht mir ja auf ein Haar. Sagt ihm, daß Jasko sehr gewachsen ist, und es wird Zbyszko nicht in den Sinn kommen, daß ich es bin.«
Da begann der alte Ritter abermals von den einwärts gebogenen Knien zu sprechen, weil aber auch die Knie von Knaben zuweilen einwärts gebogen sind, konnte dieser Einwurf nicht gelten, vornehmlich da Jagienka von ihrem Bruder, der in der letzten Zeit seine Haare hatte wachsen lassen und sie in einem Netze trug wie andere edle Jünglinge und Ritter, tatsächlich kaum zu unterscheiden war. Aus diesem Grunde gab Macko schließlich nach, und nun ward über die weitere Fahrt beraten. Am folgenden Morgen wollten sie aufbrechen. Macko beschloß, in das Ordensland einzudringen, sich nach Brodnica zu begeben, daselbst Kundschaft einzuziehen und, wenn sich der Großmeister trotz der Angaben Lichtensteins noch in Marienburg befand, dorthin zu gehen, im entgegengesetzten Falle aber in der Richtung von Spychow längs der Grenze des Ordenslandes vorzurücken und unterwegs nach dem jungen polnischen Ritter und dessen Gefolge zu fragen.
Der alte Ritter dachte, er könne in Spychow oder am Hofe des Fürsten Janusz zu Warschau eher etwas von Zbyszko erfahren, als anderswo. So machte er sich denn am folgenden Morgen auf den Weg. Der Frühling hatte schon begonnen und damit auch die Ueberschwemmungen. Skowa und Doweca waren ausgetreten, so daß die Reisenden erst am zehnten Tage nachdem sie Plock verlassen hatten, die Grenze überschritten und Brodnica erreichten. Das Städtchen zeichnete sich durch Reinlichkeit und Ordnung aus, aber gleich beim ersten Schritt ward man an die Strenge deutscher Herrschaft gemahnt, denn an einem außerhalb der Stadt auf dem Wege nach Gorezenica errichteten ungeheuren Galgen mit gemauertem Untergrund hingen noch die Leichname einiger Gerichteten, unter denen sich auch eine Frau befand. Auf der Warte und auf dem Schlosse wehte eine Fahne, welche eine rote Hand in weißem Felde zeigte. Den Komtur trafen die Reisenden nicht an Ort und Stelle, denn er hatte sich mit einem Teil der Besatzung an der Spitze der benachbarten Edelleute nach Marienburg begeben. Diese Mitteilung erhielt Macko von einem alten blinden Kreuzritter, welcher einst Komtur von Brodnica gewesen war und jetzt aus Anhänglichkeit an die Stadt und die Burg seine letzten Lebenstage hier verbrachte. Nachdem der Kaplan des Ortes ihm den Brief Lichtensteins vorgelesen hatte, nahm er Macko gastfreundlich auf, und da er inmitten einer polnischen Bevölkerung wohnte, verstand er die polnische Sprache vortrefflich, sodaß es Macko nicht schwer fiel, mit ihm zu verhandeln. Zufälliger Weise war er gerade sechs Wochen zuvor in Marienburg gewesen, wohin man ihn als erfahrenen Ritter zu einem Kriegsrat berufen hatte, daher wußte er genau, was dort vorging. Nach dem jungen polnischen Ritter befragt, sagte er, des Namens erinnere er sich nicht mehr, doch habe er von einem Jüngling gehört, welcher vornehmlich deshalb Staunen erregt habe, weil er trotz seiner Jugend schon gegürtet und dann auch, weil er stets siegreich bei dem Turnier gewesen sei, welches der Großmeister, der Sitte gemäß, für die fremden Gäste veranstaltet hatte, bevor er zum Feldzug auszog. Allgemach kam dem alten Kreuzritter sogar auch in Erinnerung, daß der mannhafte, edelgesinnte, wenn schon jähzornige Ulrich von Jungingen, der Bruder des Meisters, jenen Jüngling liebgewonnen und in seinen besondern Schutz genommen, ja daß er ihm eiserne Briefe mitgegeben hatte, und daß der junge Ritter dann später, wahrscheinlich gen Osten aufgebrochen sei. Diese Kunde erfreute Macko ungemein, da er nicht den geringsten Zweifel hegte, daß Zbyszko jener Ritter war. In Anbetracht dessen lag nun kein Grund mehr vor, sich nach Marienburg zu begeben, denn obgleich der Großmeister der Johanniter oder andere Würdenträger und Ritter des Ordens, welche dort geblieben waren, noch bessere Fingerzeige hätten geben können, vermochten sie doch nicht auszusagen, wo Zbyszko gegenwärtig weilte. Zudem wußte Macko selbst am besten, wo er seinen Bruderssohn finden könne. War es doch nicht schwer zu erraten, daß dieser in der Gegend von Szczytno umherstreife, und wenn er Danusia dort nicht fand, seine Nachforschungen in den entfernteren Schlössern und Komtureien des Ostens fortsetze.
Ohne Zeit zu verlieren, zogen die Reisenden nun durch das Ordensland gen Szczytno. Sie kamen rasch vorwärts, da die zahlreichen Städte und Städtchen durch Landstraßen verbunden waren, welche von den Kreuzrittern, vornehmlich aber von den in den Städten seßhaften Kaufleuten in gutem Stand erhalten wurden und den polnischen fast gleich kamen, die man unter der umsichtigen, thatkräftigen Regierung СКАЧАТЬ