Название: Gesammelte Krimis (69 Titel in einem Buch: Kriminalromane und Detektivgeschichten)
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788026822240
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»Ja, das stimmt. Aber ich glaube, eine derartige Verwechslung ist vollkommen berechtigt. Essley oder Black«, sagte er dann fest, »Ihr Tag geht zur Neige, und die Nacht zieht herauf.«
Ein kalter Schauer überlief Black. Er versuchte zu sprechen, aber Kehle und Mund waren ihm trocken.
»Heute abend – jetzt?« sagte er mit leiser, fast krächzender Stimme. Seine Hände zitterten wie Espenlaub. Aber er war doch bewaffnet – der Fremde dagegen hatte keine Pistole. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Ein schneller Griff in seine Hüfttasche, und das Schreckgespenst, das ihn terrorisierte, war erledigt. Er zweifelte nicht, daß er einem der ›Vier Gerechten‹ gegenüberstand. Aber er war wie gebannt und vermochte nicht, seine Pistole zu ziehen. Das kühle Selbstvertrauen dieses Mannes hatte ihn gleichsam hypnotisiert. Er hatte nur den einen Wunsch, daß dieser gelassene Fremde sich wieder entfernte. Er fühlte sich wie in einen Schraubstock eingezwängt und sah keinen Ausweg und kein Entkommen.
Der andere schien Blacks Gedanken zu erraten.
»Ich habe Ihnen nur einen Rat zu geben«, sagte er. »Gehen Sie heute abend nicht zu Sandfords Dinner.«
»Warum … warum?« stotterte Black.
Der Fremde ging zum Kamin und klopfte dort die Asche seiner Zigarette ab.
»Weil Sie dann dem Gericht der ›Vier Gerechten‹ verfallen sind, die unschuldige Menschen vor Verrat und Gefahren schützen, wie Ihnen vielleicht bekannt ist. – Andernfalls …«
»Ja, was meinen Sie mit ›andernfalls‹?«
»… sind Sie dem Gesetz ausgeliefert, Oberst Black. Denn in diesem Augenblick hat ein hoher Polizeibeamter einen Haftbefehl gegen Sie beantragt, da Sie unter Mordverdacht stehen.«
Manfred wandte sich um und ging langsam zur Tür.
»Halt!« schrie Black. Er hatte die Pistole in der Hand und zitterte vor Angst und Wut.
Manfred lachte. Er blieb nicht stehen, sondern sah nur über die Schulter zurück.
»Schuster, bleib bei deinem Leisten!« sagte er. »Gift, mein lieber Oberst, ist Ihre Waffe – oder ein Dolch wie neulich bei Jakobs. Der Knall einer Pistole ist nichts für Ihre Nerven.«
Er öffnete die Tür und verließ den Raum.
Black sank in den nächsten Sessel. Seine Lippen bebten, und kalter Schweiß trat auf seine Stirn.
Das war das Ende, seine Kraft war gebrochen. Er ging zum Telefon und wählte eine Nummer. Nach kurzer Zeit erhielt er Antwort.
Ja, der Wagen stand für ihn bereit. Die Polizei hatte noch keine Nachforschungen angestellt. Nacheinander rief er sechs verschiedene Garagen an, bei denen man Autos mieten konnte. Überall gab er den gleichen Auftrag, zwei Wagen für ihn bereitzuhalten, die den Weg fünfzig Kilometer zur Küste zurücklegen konnten, ohne nachtanken zu müssen. Nur den Platz, wo sie warten sollten, wechselte er bei jeder Bestellung.
»Ich werde den einen Wagen benützen, der andere fährt dicht hinter mir her. – Ja, leer. Ich muß in Dover mehrere Leute abholen.«
Er wollte sich nicht der Gefahr einer Panne aussetzen. Der zweite Wagen mußte in der Nähe sein, falls dem ersten ein Unfall zustoßen sollte.
Auch in diesem Augenblick war er noch ein guter Organisator. In der kurzen Zeit am Telefon hatte er die Halteplätze der Autos so disponiert, daß er stets zwei Wagen bereit fand, nach welcher Richtung er auch fliehen mußte.
Er vollendete seine Toilette für den Abend. Statt der Furcht beseelte ihn jetzt brennender Haß gegen den Mann, der seiner Laufbahn ein so plötzliches Ende bereitet hatte. Aber am meisten war ihm Sandford verhaßt, der ihn hätte retten können.
Er beachtete die Warnung der ›Vier Gerechten‹ nicht – er würde auch den Kampf mit der Polizei aufnehmen. Merkwürdigerweise fürchtete er die Polizei am allerwenigsten.
Jetzt war noch der letzte Schlag zu führen – er wollte den Mann tödlich treffen, dessen Widerstand ihn ruiniert hatte.
Zorn und Wut raubten ihm jede vernünftige Überlegung, er dachte nur noch an seinen Racheplan. Er ging in sein Zimmer, schloß den Schrank auf und nahm die kleine grüne Flasche heraus. Die Feder brauchte er heute abend nicht. Heute wollte er ganze Arbeit tun.
Nachdem er das Geld sorgfältig in verschiedenen Taschen untergebracht hatte, steckte er die Flasche in die Westentasche. Er sah sich noch einmal in dem Raum um, und ein schadenfrohes Leuchten lag in seinen Augen. Dann setzte er entschlossen den Hut auf, nahm seinen Mantel über den Arm und ging fort.
20
Im ›Great South Central Hotel‹ war eine fröhliche Gesellschaft versammelt. May Sandford hatte noch eine Freundin eingeladen, und Mr. Sandford hatte einen Geschäftsfreund aus der City mitgebracht.
Black verspätete sich und kam erst eine Viertelstunde nach der festgesetzten Zeit. Sandford hatte bereits den Auftrag gegeben, das Essen zu servieren, als der Oberst erschien.
»Nehmen Sie Platz, Black«, sagte Sandford. Zwischen ihm und seiner Tochter war ein Platz frei, und dort ließ sich der Oberst nieder.
Seine Hand zitterte, als er die Serviette aufhob. Beim Entfalten fiel ein Brief heraus – eines jener grauen Kuverts, die er kannte. Er steckte den Umschlag in die Tasche, ohne ihn zu öffnen.
»Sie haben jetzt viel zu tun, Black, wie?« fragte Sandford lächelnd. Der freundliche Herr mit dem kurzen, weißen Backenbart hatte ein anziehendes Gesicht. Wenn er in guter Stimmung war, gab es keinen umgänglicheren und liebenswürdigeren Menschen als ihn. »Sie müssen mir eigentlich dankbar dafür sein, daß ich nicht in die Fusion der Hüttenwerke einwilligte. Sie hätten sich sonst zu Tode gearbeitet.«
»Ja, Sie haben recht«, erwiderte der Oberst kurz und schob den Unterkiefer vor. Diese Bewegung zeigte an, daß er beunruhigt war.
»In gewisser Weise sind Sie eigentlich ein bewunderungswürdiger Mann. Wenn Sie nur etwas konsequenter und solider wären, würden Sie erfolgreicher sein.«
»Halten Sie mich denn nicht für erfolgreich?«
»Darauf könnte ich mit Ja und Nein antworten. Sie sind jedenfalls nicht wirklich erfolgreich, Sie haben Ihre Erfolge zu schnell erzielt.«
Oberst Black ging nicht weiter auf das Thema ein und ermutigte den Millionär auch nicht, das Gespräch fortzusetzen. Er wartete auf eine günstige Gelegenheit. Im Augenblick mußte er geduldig sein, sich den anderen anpassen und sich möglichst unauffällig an der Unterhaltung beteiligen, die um ihn herum im Gange war.
Zu seiner Linken standen die Gläser von Miss Sandford. Sie lehnte die Tischweine ab und protestierte lachend gegen die Einladung ihres Vaters.
»Aber mein Liebling, an deinem Geburtstag mußt du doch wenigstens Champagner trinken!«
»Nun gut, Champagner СКАЧАТЬ