Название: Lebenssplitter
Автор: Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961124756
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Herz aus Plastik.
Niere aus Kunststoff.
Gelenke aus Metall.
Und die vielen, vielen hübschen Prothesen, die es gibt.
Nur Mut!
Das Experimentierfeld ist groß
und Ärzte wollen ja schließlich auch leben.
Und wenn gar nichts mehr geht,
übernimmt eine Maschine sogar unser Denken.
Und wir liegen dann ganz unbeweglich,
ganz ruhig,
die nächsten Wochen,
die nächsten Monate
oder Jahre -
im KOMA.
Aber noch ist es ja nicht so weit.
Auf geht’s und gute Fahrt.
Denn wer stirbt schon tausend Tode?
Der Feigling
Wie beschreibt man einen Feigling? Oder, was ist ein Feigling? Was bedeutet es "feige" zu sein?
Fragen über Fragen und keine Antwort. Oder doch? Vielleicht gibt diese Geschichte Antwort. Vielleicht kann diese helfen, Antworten zu finden. Warst Du schon einmal so richtig feige? Kennst Du das Gefühl der Feigheit? War es mehr Angst oder Unmut? War es mehr eine Charakterschwäche, vielleicht resultierend aus Deiner Kindheit, sozusagen ein psychologisches Erziehungsproblem, das Deine Moralvorstellung geprägt hat, oder war es ein beklemmendes Angstgefühl, ganz tief drinnen, dass keine intimen Gespräche darüber zulässt und sich einschließt, sich ummauert und verschanzt, wenn es berührt wird? Eventuell liegt es ja an Deiner Sensibilität. Sozusagen ein Feingefühl, welches nicht angekratzt werden darf.
Angst vor Schmerzen? Eigenen Schmerzen in Situationen der Wahrheitsbeichte oder Mutunterdrückung bei richtigen hautnahen Prügeleien. Angst vor Schmerzen und Angst davor, Tränen des Schmerzes danach zeigen zu müssen. Angst vor der Verspottung dieser Tränen. Angst vor der Lächerlichkeit die in der Verspottung liegt. Angst davor, in der Lächerlichkeit als Hampelmann vor anderen Leuten zu stehen. Wer sind diese anderen Leute, die Dir sagen, dass Du immer mutig, immer stark, immer kraftvoll sein musst? Wer sind die Leute die Dir sagen, dass Du keine Gefühlsregungen offen zeigen darfst, die Dich wegen Deiner Gefühle auslachen dürfen? Wer?
Es ist Frau Saubermann vom dritten Stock, die etwas über Deine Familienverhältnisse weiß und wenn die Quatschtante so richtig bei den Nachbarn auf den Putz haut, bist Du gesellschaftlich unten durch.
Es ist auch der stramme Max aus dem Fitness-Studio, der mit seinen Muskelpaketen prahlt und auf mindestens tausend und eine Beischlafnacht zurückblicken kann und das obwohl er erst zwanzig Jahre alt oder vielmehr jung ist.
Und Du stehst neben ihm und hast erst eine Freundin gehabt und diese noch nicht einmal aufs Kreuz legen können. Und die "dumme" Pute hat diese Geschichte auch noch rumerzählt und auch der stramme Max weiß inzwischen, wie es um Dich steht und der lacht nur über Dich.
Dann könnte es natürlich auch noch Freddy sein. Freddy hat schon immer ein großes Maul gehabt, und Dir schon oft eins übergebraten. Er ist der Schläger der Schule gewesen und alle Mädchen waren hinter ihm her. Und Du trautest Dich so gar nicht mehr aus Dir heraus. Warst lieber ganz ruhig und still. Bloß nicht auffallen. Hast Dich ganz klein gemacht und Dich dann verkrochen oder warst Du Freddy sogar dienlich, nur damit er Dich in Ruhe lässt?
Es sind meist diese verdammten Urängste der Feiglinge, die oft auf zu viel Gefühlsleben aufbauen und das Gefühl der Feigheit keimen lassen.
Die Feiglinge schlagen sich nicht. Können die gar nicht. Es steckt einfach nicht in ihnen drin. Die können die Arme nicht erheben, höchstens zum Schutz, aber zuschlagen – nie. Sie greifen nicht ein. Nicht körperlich. Sie können nur verbal zurückschlagen.
Es gibt tausend Arten feige zu sein. Und in der nachfolgenden Geschichte wirst Du einem Feigling begegnen der einige Arten der Feigheit erlebt hat.
Eine wirklich jammervolle, mitleiderregende und zu tränenrührende Geschichte. Die Geschichte von einem Ober-ober-ober-Feigling. Einem einfachen und richtig netten Menschen, aber eben feige.
Sein Name war Dieter. (Das sagt doch wohl alles!) Er konnte nicht schlicht und einfach, kurz und knapp nur Klaus heißen. Nein Dieter war sein Name und dieser verwandelt sich leicht in den Kosenamen Didi. Bei Namen wie Michael oder Ullrich ist die Verniedlichung ja fast schon vorprogrammiert. Aus Michael wird Michi und aus Ulrich wird Ulli. Genauso formen sich aus Elisabeth leicht die klangvollen Kosungen wie Ellie, Lissi oder Betti und aus Dieter wird eben Didi. Ganz klar. Aber es gibt noch etwas, das auf den D-Namen lastet, und zwar der Anfangsbuchstabe, das große D. Allen D-Namen voran steht Detlef an erster Stelle der Namen, die sofort in eine Richtung der Sexualpraktiken eingestuft werden. Detlef wird nicht nur in die Kosung Dete verwandelt, sondern erhält die besondere Note in der weichen, gekünstelten und gezogenen Sprechweise. So wird schnell ein langes Deeeetleeeef aus Detlef. Die vielen Sprüchlein einer ganzen Generation in den siebziger Jahren mussten sich die Deeeetleeeefs gefallen lassen. So zum Beispiel: "Mein Name ist Deeeetleeef und wie geht deine Hose auf?", oder: "Mein Name ist Deeeetleeeef, mit weichem D wie Damentoilette". Diesen Damentoilettentouch bekamen nicht nur die Detlefs zu spüren, sondern auch die Dieters. So auch unser Dieter.
Dieter hätte aber auch Egon oder Emil heißen können, das spielte schon gar keine Rolle mehr, denn es war die Art wie er aufwuchs, mit wem er sich abgab, zu wem er sich hingezogen fühlte, die ihm schon früh die Spitznamen Muttersöhnchen und Weiberheld (= abfällige Betitulierung von Jungen über Jungen die mit Mädchen spielen, obwohl jeder weiß, dass Jungen normalerweise nur mit Jungen zu spielen haben), einbrachten.
Man hatte ihm sogar schon einige Male gesagt, dass er zu schön sei. Zu schön im Gesicht. Zu schön für einen Jungen, einen Mann oder Kerl. Bekannte sagten sogar direkt, dass so was Hübsches bestimmt ein Mädchen sei. So bekam er also auch desöfteren das "Mädchen" um die Ohren gehauen. Als Schimpfwort sozusagen. Irgendwie war Dieter ja stolz darauf als "schön" zu gelten und es auch zu sein. Aber in der nächsten Minute schämte er sich gleich wieder dafür.
Betrachten wir uns jetzt Dieters Werdegang einmal von Anfang an. Der kleine Dieter, zwischen dem dritten und dem fünften Lebensjahr, war jähzornig und schrie oftmals am Tag wie am Spieß durch die kleine Wohnung nach seiner Mama, um sich, besonders auch bei seinen zwei älteren Schwestern, durchzusetzen.
In den Kindergarten wollte er nicht. Seine Mutter schliff ihn hinter sich her. Jeden Morgen das gleiche Theater. Er wollte nicht und sollte doch. Auf dem ganzen Weg in den Kindergarten weinte, brüllte und jammerte er und bettelte um Gnade. Seine Mutter fand aber Kindergärten damals noch sehr nützlich, für das Leben schulend und gewinnbringend für das Kind, so dass sie mehrere Wochen diese Mühen auf sich nahm und das wimmernde Kind in den Kindergarten schleppte.
War Dieter erst einmal im Kindergarten mit den anderen Kindern zusammen, beruhigte er sich einigermaßen schnell und spielte dann meist in einer sogenannten Puppenecke.
Natürlich gab es da Puppen und Puppenhäuschen, Puppengeschirr und Puppenkleidchen, Puppenmöbel, Puppenkämme und Puppenbesteck, СКАЧАТЬ