Название: Gesammelte Werke von Gustave Flaubert
Автор: Гюстав Флобер
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027209903
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Als er das leichenhafte Antlitz Emmas sah, zog er schon von weitem die Brauen hoch. Sie lag mit offnem Munde auf dem Rücken ausgestreckt da. Während er Canivets Bericht scheinbar aufmerksam anhörte, strich er sich mit dem Zeigefinger um die Nasenflügel und sagte ein paarmal:
»Gut!… Gut!«
Dann aber zuckte er bedenklich mit den Achseln. Bovary beobachtete ihn ängstlich. Sie sahen einander in die Augen, und der Gelehrte, der an den Anblick menschlichen Elends so gewöhnt war, konnte eine Träne nicht zurückhalten, die ihm auf die Krawatte herablief.
Er wollte Canivet in das Nebenzimmer ziehen. Karl folgte ihnen.
»Es steht wohl nicht gut mit meiner Frau? Wie wär es, wenn man ihr ein Senfpflaster auflegte? Ich weiß nichts. Finden Sie doch etwas! Sie haben ja schon so viele gerettet!«
Karl legte beide Arme auf Larivières Schultern und starrte ihn verstört und flehend an. Beinahe wäre er ihm ohnmächtig an die Brust gesunken.
»Mut! Mein armer Junge! Es ist nichts mehr zu machen!« Larivière wandte sich ab.
»Sie gehn?«
»Ich komme wieder.«
Larivière ging hinaus, angeblich um dem Postillion eine Anweisung zu geben. Canivet folgte ihm. Auch er wollte nicht Zeuge des Todeskampfes sein.
Der Apotheker holte die beiden auf dem Marktplatz ein. Nichts fiel ihm von jeher schwerer, als sich von berühmten Menschen zu trennen. So beschwor er denn Larivière, er möge ihm die hohe Ehre erweisen, zum Frühstück sein Gast zu sein.
Man schickte ganz rasch nach dem Goldnen Löwen nach Tauben, zu Tüvache nach Sahne, zu Lestiboudois nach Eiern und zum Fleischer nach Koteletts. Der Apotheker war selbst bei den Vorbereitungen zum Mahle behilflich, und Frau Homais, sich ihre Jacke zurechtzupfend, sagte:
»Sie müssen schon entschuldigen, Herr Professor, man ist in so einer weggesetzten Gegend nicht immer gleich vorbereitet….«
»Die Weingläser!« flüsterte Homais.
»Wer in der Stadt wohnt, der kann sich schnell helfen … mit Wurst und….«
»Sei doch still! – Zu Tisch, bitte, Herr Professor!«
Er hielt es für angebracht, nach den ersten Bissen ein paar Einzelheiten über die Katastrophe zum besten zu geben:
»Zuerst äußerte sich Trockenheit im Pharynx, darauf unerträgliche gastrische Schmerzen, Neigung zum Vomieren, Schlafsucht….«
»Wie hat sich denn die Vergiftung eigentlich ereignet?«
»Habe keine Ahnung, Herr Professor! Ich weiß nicht einmal recht, wo sie das acidum arsenicum herbekommen hat.«
Justin, der einen Stoß Teller hereinbrachte, begann am ganzen Körper zu zittern.
»Was hast du?« fuhr ihn der Apotheker an.
Bei dieser Frage ließ der Bursche alles, was er trug, fallen. Es gab ein großes Gekrache.
»Tolpatsch!« schrie Homais. »Ungeschickter Kerl! Tranlampe! Alberner Esel!«
Dann aber beherrschte er sich plötzlich:
»Ich habe gleich daran gedacht, eine Analyse zu machen, Herr Professor, und deshalb primo ganz vorsichtig in ein Reagenzgläschen….«
»Dienlicher wäre es gewesen,« sagte der Chirurg, »wenn Sie ihr Ihre Finger in den Hals gesteckt hätten.«
Kollege Canivet sagte gar nichts dazu, dieweil er soeben unter vier Augen eine energische Belehrung wegen seines Brechmittels eingesteckt hatte. Er, der bei Gelegenheit des Klumpfußes so hochfahrend und redselig gewesen war, verhielt sich jetzt mäuschenstill. Er lächelte nur unausgesetzt, um seine Zustimmung zu markieren.
Homais strahlte vor Hausherrenstolz. Selbst der betrübliche Gedanke an Bovary trug – in egoistischer Kontrastwirkung – unbestimmt zu seiner Freude bei. Die Anwesenheit des berühmten Arztes stieg ihm in den Kopf. Er kramte seine ganze Gelehrsamkeit aus. Kunterbunt durcheinander schwatzte er von Kanthariden, Pflanzengiften, Manzanilla, Schlangengift usw.
»Ich habe sogar einmal gelesen, Herr Professor, daß mehrere Personen nach dem Genusse von zu stark geräucherter Wurst erkrankt und plötzlich gestorben sind. So berichtet wenigstens ein hochinteressanter Aufsatz eines unserer hervorragendsten Pharmazeuten, eines Klassikers meiner Wissenschaft,… ein Aufsatz des berühmten Cadet de Gassicourt!«
Frau Homais erschien mit der Kaffeemaschine. Homais pflegte sich nämlich den Kaffee nach Tisch selbst zu bereiten. Er hatte ihn auch eigenhändig gemischt, gebrannt und gemahlen.
» Saccharum gefällig, Herr Professor?« fragte er, indem er ihm den Zucker anbot.
Dann ließ er alle seine Kinder herunterkommen, da er neugierig war, die Ansicht des Chirurgen über ihre »Konstitution« zu hören.
Als Larivière im Begriffe stand aufzubrechen, bat ihn Frau Homais noch um einen ärztlichen Rat in betreff ihres Mannes. Er schlief nämlich allabendlich nach Tisch ein. Davon bekäme er dickes Blut.
Der Arzt antwortete mit einem Scherze, dessen doppelten Sinn sie nicht verstand, dann ging er zur Türe. Aber die Apotheke war voller Leute, die ihn konsultieren wollten, und es gelang ihm nur schwer, sie loszuwerden. Da war Tüvache, der seine Frau für schwindsüchtig hielt, weil sie öfters in die Asche spuckte; Binet, der bisweilen an Heißhunger litt; Frau Caron, die es am ganzen Leibe juckte; Lheureux, der Schwindelanfälle hatte; Lestiboudois, der rheumatisch war; Frau Franz, die über Magenbeschwerden klagte. Endlich brachten ihn die drei Pferde von dannen. Man fand aber allgemein, daß er sich nicht besonders liebenswürdig gezeigt habe.
Nunmehr wurde die Aufmerksamkeit auf den Pfarrer Bournisien gelenkt, der mit dem Sterbesakrament an den Hallen hinging.
Seiner Weltanschauung treu, verglich Homais die Geistlichen mit den Raben, die der Leichengeruch anlockt. Der Anblick eines »Pfaffen« war ihm ein Greuel. Er mußte bei einer Soutane immer an ein Leichentuch denken, und so verwünschte er jene schon deshalb, weil er dieses fürchtete.
Trotzdem verzichtete er nicht auf die gewissenhafte Erfüllung seiner »Mission«, wie er es nannte, und kehrte mit Canivet, dem dies von Larivière dringend ans Herz gelegt worden war, in das Bovarysche Haus zurück. Wenn seine Frau nicht völlig dagegen gewesen wäre, hätte er sogar seine beiden Knaben mitgenommen, damit sie das große Ereignis, das der Tod eines Menschen ist, kennen lernten. Es sollte ihnen eine Lehre, ein Beispiel, ein ernster Eindruck sein, eine Erinnerung für ihr ganzes weiteres Leben.
Sie fanden das Zimmer voll düstrer Feierlichkeit. Auf dem mit einem weißen Tischtuch bedeckten Nähtische stand zwischen zwei brennenden Wachskerzen ein hohes Kruzifix; daneben eine silberne Schüssel und fünf oder sechs Stück Watte. Emmas Kinn war ihr auf die Brust hinabgesunken, ihre Augen standen unnatürlich weit offen, und ihre armen Hände tasteten über den Bettüberzug hin, mit einer jener rührend-schrecklichen Gebärden, die Sterbenden eigen sind. Man hat die Empfindung, als bereiteten sie sich selber ihr Totenbett. Karl stand am Fußende des Lagers, ihrem Antlitz gegenüber, bleich wie eine СКАЧАТЬ