Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер
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Название: Gesammelte Werke von Gustave Flaubert

Автор: Гюстав Флобер

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027209903

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СКАЧАТЬ vor sich hinredend, nahe am Hinfallen, lief Karl im Zimmer umher, wobei er an die Möbel anrannte und sich Haare ausraufte. Der Apotheker hatte noch nie ein so fürchterliches Schauspiel gesehen.

      Er ging nach Hause, um an den Doktor Canivet und den Professor Larivière zu schreiben. Er hatte selber den Kopf verloren. Er brachte keinen vernünftigen Brief zustande. Schließlich mußte sich Hippolyt nach Neufchâtel aufmachen, und Justin ritt auf Bovarys Pferd nach Rouen. Am Wilhelmswalde ließ er den Gaul lahm und halbtot zurück.

      Karl wollte in seinem Medizinischen Lexikon nachschlagen, aber er war nicht imstande zu lesen. Die Buchstaben tanzten ihm vor den Augen.

      »Ruhe!« sagte der Apotheker. »Es handelt sich einzig und allein darum, ein wirksames Gegenmittel anzuwenden. Was war es für ein Gift?«

      Karl zeigte den Brief. Es wäre Arsenik gewesen.

      »Gut!« versetzte Homais. »Wir müssen eine Analyse machen!«

      Er hatte nämlich gelernt, daß man bei allen Vergiftungen eine Analyse machen müsse. Bovary hatte in seiner Angst alle Gelehrsamkeit vergessen. Er erwiderte ihm:

      »Ja! Machen Sie eine. Tun Sie es! Retten Sie sie!«

      Dann kehrte er in ihr Zimmer zurück, warf sich auf die Diele, lehnte den Kopf gegen den Rand ihres Bettes und schluchzte.

      »Weine nicht!« flüsterte sie. »Bald werde ich dich nicht mehr quälen!«

      »Warum hast du das getan? Was trieb dich dazu?«

      »Es mußte sein, mein Lieber!«

      »Warst du denn nicht glücklich? Bin ich schuld? Ich habe dir doch alles zuliebe getan, was ich konnte!«

      »Ja … freilich … Du bist gut … du!«

      Sie strich ihm langsam mit der Hand über das Haar. Die süße Empfindung vermehrte seine Traurigkeit. Er fühlte sich bis in den tiefsten Grund seiner verzweifelten Seele erschüttert, daß er sie verlieren sollte, jetzt, da sie ihm mehr Liebe bewies denn je. Er fand keinen Ausweg; er wußte keinen Zusammenhang; er wagte keine Frage. Und die Dringlichkeit eines Entschlusses machte ihn vollends wirr.

      Sie dachte bei sich: »Nun ist es zu Ende mit dem vielfachen Verrat, mit allen den Erniedrigungen und den unzähligen, qualvollen Sehnsüchten!« Nun haßte sie keinen mehr. Ihre Gedanken verschwammen wie in Dämmerung, und von allen Geräuschen der Erde hörte Emma nur noch die versagende Klage eines armen Herzens, matt und verklungen wie der leise Nachhall einer Symphonie.

      »Bring mir die Kleine«, sagte sie und stützte sich leicht auf.

      »Es ist nicht schlimmer, nicht wahr?« fragte Karl.

      »Nein, nein!«

      Das Dienstmädchen trug das Kind auf dem Arm herein. Es hatte ein langes Nachthemd an, aus dem die nackten Füße hervorsahen. Es war ernst und noch halb im Schlaf. Erstaunt betrachtete es die große Unordnung im Zimmer. Geblendet vom Licht der Kerzen, die da und dort brannten, zwinkerte es mit den Augen. Offenbar dachte es, es sei Neujahrstagsmorgen, an dem es auch so früh wie heute geweckt wurde und beim Kerzenschein zur Mutter ans Bett kam, um Geschenke zu bekommen. Und so fragte es:

      »Wo ist es denn, Mama?« Und da niemand antwortete, redete es weiter: »Ich seh doch meine Schuhchen gar nicht!«

      Felicie hielt die Kleine übers Bett, die immer noch nach dem Kamin hinsah.

      »Hat Frau Rollet sie mir genommen?«

      Bei diesem Namen, der an ihre Ehebrüche und all ihr Mißgeschick erinnerte, wandte sich Frau Bovary ab, als fühle sie den ekelhaften Geschmack eines noch viel stärkeren Giftes auf der Zunge. Berta saß noch auf ihrem Bette.

      »Was für große Augen du hast, Mama! Wie blaß du bist! Wie du schwitzest!«

      Die Mutter sah sie an.

      »Ich fürchte mich!« sagte die Kleine und wollte fort.

      Emma wollte die Hand des Kindes küssen, aber es sträubte sich.

      »Genug! Bringt sie weg!« rief Karl, der im Alkoven schluchzte.

      Dann ließen die Symptome einen Augenblick nach. Emma schien weniger aufgeregt, und bei jedem unbedeutenden Worte, bei jedem etwas ruhigeren Atemzug schöpfte er neue Hoffnung. Als Canivet endlich erschien, warf er sich weinend in seine Arme.

      »Ach, da sind Sie! Ich danke Ihnen! Es ist gütig von Ihnen! Es geht ja besser! Da! Sehen Sie mal….«

      Der Kollege war keineswegs dieser Meinung, und da er, wie er sich ausdrückte, »immer aufs Ganze« ging, verordnete er Emma ein ordentliches Brechmittel, um den Magen zunächst einmal völlig zu entleeren.

      Sie brach alsbald Blut aus. Ihre Lippen preßten sich krampfhaft aufeinander. Sie zog die Gliedmaßen ein. Ihr Körper war bedeckt mit braunen Flecken, und ihr Puls glitt unter ihren Fingern hin wie ein dünnes Fädchen, das jeden Augenblick zu zerreißen droht.

      Dann begann sie, gräßlich zu schreien. Sie verfluchte und schmähte das Gift, flehte, es möge sich beeilen, und stieß mit ihren steif gewordnen Armen alles zurück, was Karl ihr zu trinken reichte. Er war der völligen Auflösung noch näher als sie. Sein Taschentuch an die Lippen gepreßt, stand er vor ihr, stöhnend, weinend, von ruckweisem Schluchzen erschüttert und am ganzen Leib durchrüttelt. Felicie lief im Zimmer hin und her, Homais stand unbeweglich da und seufzte tief auf, und Canivet begann sich, trotz seiner ihm zur Gewohnheit gewordnen selbstbewußten Haltung, unbehaglich zu fühlen.

      »Zum Teufel!« murmelte er. »Der Magen ist nun doch leer! Und wenn die Ursache beseitigt ist, so….«

      »… muß die Wirkung aufhören!« ergänzte Homais. »Das ist klar!«

      »Rettet sie mir nur!« rief Bovary.

      Der Apotheker riskierte die Hypothese, es sei vielleicht ein heilsamer Paroxismus. Aber Canivet achtete nicht darauf und wollte ihr gerade Theriak eingeben, da knallte draußen eine Peitsche. Alle Fensterscheiben klirrten. Eine Extrapost mit drei bis an die Ohren von Schmutz bedeckten Pferden raste um die Ecke der Hallen. Es war Professor Larivière.

      Die Erscheinung eines Gottes hätte keine größere Erregung hervorrufen können. Bovary streckte ihm die Hände entgegen, Canivet stand bewegungslos da, und Homais nahm sein Käppchen ab, noch ehe der Arzt eingetreten war.

      Larivière gehörte der berühmten Chirurgenschule Bichats an, das heißt, einer Generation philosophischer Praktiker, die heute ausgestorben ist, begeisterter, gewissenhafter und scharfsichtiger Jünger ihrer Kunst. Wenn er in Zorn geriet, wagte in der ganzen Klinik niemand zu atmen. Seine Schüler verehrten ihn so, daß sie ihn, später in ihrer eigenen Praxis, mit möglichster Genauigkeit kopierten. So kam es, daß man bei den Ärzten in der Umgegend von Rouen allerorts seinen langen Schafspelz und seinen weiten schwarzen Gehrock wiederfand. Die offenen Ärmelaufschläge daran reichten ein Stück über seine fleischigen Hände, sehr schöne Hände, die niemals in Handschuhen steckten, als wollten sie immer schnell bereit sein, wo es Krankheit und Elend anzufassen galt. Er war ein Verächter von Orden, Titeln und Akademien, gastfreundlich, freidenkend, den Armen ein väterlicher Freund, Pessimist, selbst aber edel in Wort und Tat. Man hätte ihn als einen Heiligen gepriesen, wenn man ihn nicht wegen seines Witzes und Verstandes gefürchtet hätte wie den Teufel. Sein Blick war СКАЧАТЬ