Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер
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Название: Gesammelte Werke von Gustave Flaubert

Автор: Гюстав Флобер

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027209903

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      »Schön! Ich danke!«

      Jetzt mußte Leo bald da sein! Sicherlich kam er. Er hatte das Geld aufgetrieben. Aber er suchte sie in ihrer Wohnung. Daß sie hier war, konnte er doch nicht wissen. Deshalb bat sie Frau Rollet, sofort einmal nachzusehen und ihn herzubringen.

      »Machen Sie recht schnell!«

      »Aber beste Frau Bovary, ich gehe ja schon! Ich fliege!«

      Emma verwunderte sich, daß ihr Leo jetzt erst wieder eingefallen war. Er hatte ihr doch gestern sein Wort gegeben! Das brach er gewiß nicht! Schon sah sie sich im Geiste in Lheureux’ Kontor und zählte ihm die drei Tausendfrankenscheine auf seinen Schreibtisch. Nun brauchte sie nur noch ein Märchen zu ersinnen, um ihrem Manne die ganze Geschichte harmlos hinzustellen. Das war nicht weiter schlimm!

      Frau Rollet hätte längst wieder zurück sein müssen. Es schien der Wartenden wenigstens so. Aber da sie keine Uhr bei sich hatte, redete sie sich ein, sie irre sich. Sie ging hinaus in das Gärtchen und wanderte langsam hin und her. Dann schritt sie ein Stück den Pfad entlang der Hecke hin, kehrte aber plötzlich wieder um, weil sie sich sagte, die Frau könne auch auf einem andern Wege nach Hause kommen. Schließlich war sie des Wartens müde. Bange Ahnungen quälten sie. Sie hatte kein Zeitgefühl mehr. Wartete sie seit ein paar Minuten oder seit einem Jahrhundert?

      Sie kauerte sich in einen Winkel, schloß die Augen und hielt sich die Ohren zu. Die Zauntüre knarrte. Emma sprang auf. Ehe sie eine Frage tat, vermeldete Frau Rollet:

      »Es war niemand da!«

      »Niemand?«

      »Nein, niemand! Der Herr Doktor weint. Er läßt Sie suchen. Alles ist auf den Beinen!«

      Emma blieb stumm. Sie atmete schwer. Ihre Augen irrten im Zimmer umher. Frau Rollet sah ihr erschrocken ins Gesicht. Unwillkürlich lief sie davon. Sie dachte, Emma sei wahnsinnig geworden.

      Plötzlich schlug sie sich auf die Stirn und tat einen lauten Schrei. Rudolf war ihr ins Gedächtnis gekommen, wie ein heller Stern in stockfinsterer Nacht! Er war immer gutmütig, rücksichtsvoll und freigebig gewesen! Und selbst wenn er zögerte, ihr diesen Dienst zu leisten, mußte ihn nicht ein einziger voller Blick ihrer Augen an die verlorene Liebe mahnen und ihn dazu zwingen!

      So ging sie denn nach der Hüchette, ohne das Bewußtsein zu haben, daß sie damit doch das tun wollte, was ihr eben noch so verächtlich vorgekommen war. Nicht im entferntesten dachte sie daran, daß sie sich prostituierte.

      Achtes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem Wege fragte sie sich: »Was werde ich ihm sagen? Womit soll ich anfangen?«

      Je näher sie kam, um so bekannter erschienen ihr die Büsche und Bäume, der Ginster am Hange und schließlich das Herrenhaus vor ihr. Die zärtliche Liebesstimmung von damals tauchte wieder auf, und ihr armes gequältes Herz schwoll im Nachhall der vergangenen Seligkeit. Ein lauer Wind strich ihr übers Gesicht. Schmelzender Schnee fiel, Tropfen auf Tropfen, von den knospenden Bäumen hernieder ins Gras.

      Wie einst schlüpfte sie durch die kleine Gartenpforte und ging über den von einer doppelten Lindenreihe durchschnittenen Herrenhof. Die Bäume wiegten säuselnd ihre langen Zweige. Sämtliche Hunde im Zwinger schlugen an, aber trotz ihres Gebells erschien niemand.

      Sie stieg die breite, mit einem hölzernen Geländer versehene Treppe hinauf. Die führte zu einem mit Steinfliesen belegten staubigen Gang, auf den eine lange Reihe verschiedener Zimmer mündete, wie in einem Kloster oder in einem Hotel. Rudolfs Zimmer lag links ganz am Ende. Als sie die Finger um die Türklinke legte, verließen sie plötzlich die Kräfte. Sie fürchtete, er möchte nicht zu Haus sein, ja, sie wünschte es beinah, und doch war es ihre einzige Hoffnung, der letzte Versuch zu ihrer Rettung. Einen Augenblick sammelte sie sich noch, dachte an ihre Not, faßte Mut und trat ein.

      Er saß vor dem Feuer, beide Füße gegen den Kaminsims gestemmt, und rauchte eine Pfeife.

      »Mein Gott, Sie!« rief er aus und sprang rasch auf.

      »Ja, ich! Rudolf! Ich komme, Sie um einen Rat zu bitten!«

      Weiter brachte sie trotz aller Anstrengung nichts heraus.

      »Sie haben sich nicht verändert! Sie sind noch immer reizend.«

      »So,« wehrte sie voll Bitternis ab, »das müssen traurige Reize sein, mein Freund, da Sie sie verschmäht haben!«

      Und nun begann er sein damaliges Benehmen zu erklären. Er entschuldigte sich in halbschürigen Ausdrücken, da er etwas Ordentliches nicht vorzubringen hatte. Emma ließ sich durch seine Worte fangen, mehr noch durch den Klang seiner Stimme und durch seine Gegenwart. Dies war so mächtig, daß sie sich stellte, als schenke sie seinen Ausflüchten Glauben. Vielleicht glaubte sie ihm auch wirklich. Er deutete ein Geheimnis an, von dem die Ehre und das Leben eines dritten Menschen abgehangen hätte.

      »Das ist ja nun gleichgültig«, sagte sie und sah ihn traurig an. »Ich habe schwer gelitten!«

      Rudolf meinte philosophisch:

      »So ist das Leben!«

      »Hat es wenigstens Ihnen Gutes gebracht, nach unserer Trennung?« fragte sie.

      »Ach, nichts Gutes und nichts Schlechtes!«

      »Dann wäre es vielleicht besser gewesen, wenn wir damals nicht voneinander gegangen wären?«

      »Ja! Vielleicht!«

      »Glaubst du das?« fragte sie, indem sie aufseufzend ihm näher trat. »Ach Rudolf! Wenn du wüßtest! Ich habe dich sehr lieb gehabt!«

      Jetzt war sie es, die seine Hand ergriff. Eine Zeitlang saßen sie mit verschlungenen Händen da wie damals, am Bundestage der Landwirte. In einer sichtlichen Regung seines Stolzes kämpfte er gegen seine eigene Rührung. Da schmiegte sich Emma an seine Brust und sagte:

      »Wie hast du nur glauben können, daß ich ohne dich leben sollte! Ein Glück, das man besessen, vergißt man nie! Ich war ganz verzweifelt! Dem Tode nahe! Ich will dir alles erzählen, du sollst alles erfahren. Aber du! Du hast mich nicht einmal sehen mögen!«

      In der Tat war er ihr seit drei Jahren ängstlich aus dem Wege gegangen, in jener natürlichen Feigheit, die für das starke Geschlecht charakteristisch ist. Emma sprach weiter, unter zierlichen Sendungen ihres Kopfes, schmeichlerischer als eine verliebte Katze.

      »Du liebst andre! Gesteh es nur! Ach, ich begreife das ja auch und entschuldige diese anderen! Du hast sie verführt, wie du mich verführt hast. Du bist der geborene Verführer! Hast alles, was uns Frauen verrückt macht. Aber sag! Wollen wir von neuem beginnen? Ja? Sieh, ich lache! Ich bin glücklich!… So rede doch!«

      Sie sah entzückend aus. Eine Träne zitterte in ihrem Auge, wie eine Wasserperle nach einem Gewitter im Kelch einer blauen Blume.

      Er zog sie auf seine Knie und strich mit der Hand liebkosend ihr Haar, über das der letzte Sonnenstrahl wie ein goldner Pfeil hinwegflog, funkelnd im Dämmerlicht. Sie senkte die Stirn, und er küßte sie leise und sanft auf die Augenlider.

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