Название: Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer
Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075837219
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»Muckl«, sagte der Wirt lächelnd, »die Red kannst auswendig lernen.«
»Ich mag net, ich hab gar ein schweres Gmerk«, gab der Bursche zur Antwort. Die energischen Worte Lonis schienen nicht sonderlich tief bei ihm gegangen zu sein; aber er ärgerte sich doch und drehte unter heiserem Lachen an seinem Schnurrbart.
Der alte Pechlerlehnl war dem Mädchen in die Küche nachgegangen und drückte ihr draußen dankbar die Hand. »Ich sag dir halt Vergeltsgott, daß dich so einigredt hast wegen meiner. Weißt, ich hätt ihm schon nausgeben können, aber ich hör auf eim Ohr nimmer recht.«
»Da braucht's kein bsonderen Dank. Aber dein guter Freund, der schöne Herr Pauli, der hätt sich grad schon auch ein bißl um dich annehmen können. Verdient hättst es um ihn! Denn du redst ihm 's Wort so oft bei mir, daß mir's mit der Zeit leicht z'viel werden könnt.«
Während dies in der Küche vor sich ging, hatte sich die Gesellschaft in der Wirtsstube um eine neue Person vermehrt, um Loisl, den Geißbuben des Wirtes. Er war ein junger Mensch von etwa achtzehn Jahren. Der eckige Kopf mit der Stumpfnase und dem Schlappmaul hätte eigentlich einen widerlichen Eindruck machen müssen, wenn die Häßlichkeit des Gesichtes nicht durch ein Paar grundgutmütige Augen gemildert worden wäre. Dieser Kopf reckte sich auf einem langen, sehnigen Hals aus einer mageren, nachlässig in sich gekrümmten Gestalt.
Der Oberkörper war nur mit einem groben Hemd bekleidet, das Loisl seit Sonntag auf dem Leibe trug --- und jetzt zählte man den letzten Tag der Woche. Um die Beine des Geißbuben klunkerte eine abgewetzte Lederhose, welche die Knie nackt ließ. Einstens weiß gewesene, zerrissene Stutzen umschlossen die Waden oder, besser gesagt, den Platz der Waden, während die nackten Füße in schweren, dickbenagelten Schuhen staken. Ein in der Farbe sehr zweifelhafter Rucksack, eine Zipfelkappe und ein am Wege geschnittener Stock vollendeten Loisls Aufzug.
»Jetzt kommt der Rechte«, hatte Muckl gerufen, als Loisl eingetreten war, »der is uns noch abgangen.«
»Gelt, hast Zeitlang ghabt nach mir?« Loisl war auf ihn zugetreten, hatte die Zipfelkappe abgezogen und sie dem Burschen mit beiden Händen hingehalten. »Schenkst mir was?«
»Bettelst schon wieder?«
»Von dem, was du mir gschenkt hast«, lautete die maulende Antwort, »von dem kann ich mir noch net einmal ein Bröckl Schuhschmier kaufen!«
»Was tätst auch damit? Hast ja gar keine Schuh.«
»Drum stünd's dir gut an, wenn mir ein Paar schenken tätst.«
In diesem Augenblick trat Loni wieder ein, in jeder Hand fünf Biergläser. Als sie an Pauli vorüberkam, blieb sie stehen und sah dem Burschen mit einem halb mitleidigen, halb ärgerlichen Blick ins Gesicht. »Du bist schon der Allerschönst!« Dann schritt sie kopfschüttelnd zum Schänkkasten. »Es ist schon merkwürdig, was ein Mensch vertragt!«
»Ja grüß dich Gott, Loni!« rief Loisl und schlorpte auf das Mädchen zu. »Geh, schenk mir was zum Essen!«
»Geh halt aussi in die Kuchl! Auf der Anricht liegen Schmalznudeln... da nimmst dir eine.«
»Eine bloß?« klang die enttäuschte Frage.
»Kannst auch zwei haben, du Bettelsack!«
»Nachher nimm ich mir halt drei recht fette.« Damit wollte Loisl der Küche zueilen.
»Halt ein bißl, du!« rief der Wirt. »Was willst denn eigentlich unterm halben Tag da herunt?«
»Jesses, jesses!« Und Loisl kehrte zurück. »Da hätt ich jetzt bald drauf vergessen! Botschaft soll ich ausrichten von deiner Sennerin, weißt, von der Zwerger--Nandl. Die will morgen abends abi von der Alm, weil am Montag ihr Schwester Hochzeit macht. Die alte Kramerwaben hat der Nandl schon versprochen, daß s' ihr derweil aushilft.
Jetzt kann aber die alte Kramerwaben erst am Montag in der Fruh kommen, und jetzt hätt dich halt d' Nandl recht schön bitten lassen, daß du übern Sonntagabend und über d' Nacht d' Loni auf d' Weglalm schicken täst, damit d' Nandl abi kommen kann.«
»D' Nandl is wohl verruckt!« knurrte der Wirt.
»Da bist gstimmt, die is gscheiter wie du!«
»Ich kann doch d' Loni net weglassen, wo am Montag die Hochzeit bei uns is und 's ganze Haus voller Arbeit!«
Da trat Loni zu ihrem Vater, legte die Hand auf seinen Arm und sagte: »Das Madl kann aber doch net am Festmorgen von ihrer Schwester auf der Alm bleiben, und bei den Brautleuten wird's im Haus am End noch mehr Arbeit geben als wie bei uns. Wenn du willst, Vater, können wir's doch machen. 's meiste ist schon hergricht, heut und morgen bis Mittag kann noch viel gschehen, und am Montag vormittags, bis Kirchenzeit is, bin ich wieder da. Tust ihr halt den Gfallen.«
»No ja«, sagt der Wirt nach kurzer Überlegung, »wenn du meinst, daß 's geht, hab ich nix dagegen.«
Pauli verließ die Stube, um wieder an seine Arbeit zu gehen.
Als der Wirt auf Lonis Bitte die Zustimmung gab, neigte sich Muckl zu seinem Vater hinüber und flüsterte: »Da kenn ich ein, der morgen in der Nacht auch auf der Weglalm is. Ein Wörtl unter vier Augen is das Madl ja doch noch wert. Und im Finstern redt man sich leichter.«
4
Von der Stelle aus, wo der an Graswang vorüberfließende Rötelbach in die Ammer einmündet, muß diese einen mächtigen, vielgekrümmten Bogen beschreiben, um ihren Weg nach Ammergau zu finden. Gezwungen wird sie dazu durch einen Bergzug, der von der Brunnenkopf-- und Klammspitzgruppe ausläuft, dann, unterbrochen durch die Spitzen des Pürstlingkopfes, des Sonnenberges und des Brunnberges, an Linder und Graswang vorüberzieht und nach der Seite von Ammergau in die Kobelwand, nach der Seite des Zusammenflusses von Rötelbach und Ammer in den Rappenkopf endigt. Auf halber Höhe dieses Berges hebt sich aus der tiefgrünen Bewaldung eine kleine Hochebene, auf der die von saftigem Weideland umzogene, dem Wirte von Graswang gehörige Weglalm gelegen ist. Fast in der Mitte des mit leichter Steigung gegen den Berg sich hinziehenden Wiesengrundes liegt die Sennhütte, an die, den Aufstieg von Graswang verdeckend, das Gehölz mit einem schmalen Ausläufer herantritt, indem es die Hütte noch mit ein paar hochstämmigen Fichten überschattet und aus Wacholdergesträuch einen lauschigen Hintergrund bildet für einen Brunnenstock, der seinen dünnen Wasserstrahl leise plätschernd in einen ausgehöhlten Baumstamm ergießt. Die Sennhütte stand auf einer kleinen Bodenerhebung, die gegen den Brunnen in etwas starker Böschung ausläuft, während sie sich nach dem Berge zu in gerader Fläche verliert. Die eine Hälfte des Blockhauses bildete den Kaser, zu dem von außen die Tür führte, sowie den Wohnraum der Sennerin, der durch ein kleines Fenster sein Licht erhielt, die andere Hälfte den mit eigener Tür versehenen Stall und Schuppen; darüber lag das Schindeldach mit den beschwerenden Felsbrocken.
Dicht unter dem Fenster war in die Außenseite der hölzernen Wand eine Bank eingefügt, auf der die Sennerin saß, das große Butterfaß zwischen den Knien. Es war eine dralle Erscheinung, dieses Mädchen, dessen kräftige Arme mit flinker Geschicklichkeit den Stößer des Butterfasses handhabten. Im Takte zu ihrer Arbeit sang sie ein Lied, und als sie den Jodler mit einem hellen Jauchzer schloß, klang nah aus dem Gehölz ein langgezogener СКАЧАТЬ