Название: Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer
Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075837219
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Als Baumiller das Kruzifix in die Hand genommen hatte, war Lehnl aus der Küche in die Stube getreten, mit einem halben Dutzend Fliegenruten in der Hand, die er in die Fensternischen verteilte.
»Er ist doch ein Ammergauer«, warf er auf den Ausruf des Malers ein, »und in Ammergau kommen die Buben schon als Herrgottsschnitzer auf d' Welt.«
»Sünd und schad is«, predigte Baumiller, »Sünd und schad, wenn du mir net folgst und mit mir net in d' Stadt gehst, um dich ausbilden z'Iassen! Schau nur einer die Stellung von der Muttergottes an! Wie schön und sauber die Armerln gmacht sind ... ein völliges Rätsel, wie du das anstellst!«
»No, ein Rätsel ist das grad net!« sagte Pauli, der eines von Baumillers Skizzenbüchern ergriffen hatte und darin blätterte. »Haben S' net allweil gsagt, ich soll mich fleißig üben? Ich hab lang gnug dran rumprobiert, bis ich's so zammbracht hab.«
»Aber du mußt doch ein Modell, ein Vorbild ghabt haben!« wandte der Maler ein.
»Ein Vorbild? Du mein, ich hab mir halt d' Loni vorgstellt, wie s' so dasteht und mit zwei Händ den Millikübel am Kopf hebt.«
»So, nach dem Modell arbeitest du?« lachte Baumiller. »Drum hast du auch das Gsichtl so fein rausgschnitten.«
Lehnl guckte dem Maler über die Schulter. »Meiner Seel!« Der Alte war seltsam erregt. »Das ist ja d'Loni, wie s'leibt und lebt.«
»Weiß Gott, Lehnl, du hast recht!« Dabei rannte der Maler mit langen Schritten zur Küchentür und rief hinaus: »Loni, Loni, komm eini gschwind!«
»Seids so gut, machts mir mein Madl auch noch rebellisch!« polterte der Wirt.
Man hörte von draußen ein Rasseln, wie wenn ein eisernes Geschirr über die Feuerringe eines Herdes gezogen wird; leichte, schnelle Tritte näherten sich über die Steinplatten --- und unter die von Baumiller geöffnete Tür trat ein junges Mädchen von etwa dreiundzwanzig Jahren --- die Loni.
Man sah ihr an, daß sie vom Herde kam, denn sie trug eine breite, blaue Küchenschürze umgebunden, deren rechter Zipfel an der Seite aufgesteckt war, wodurch das kurze Röcklein sichtbar wurde; das war vom gleichen Stoff wie das weiß und rot karierte Leibchen, das sich, die volle Brust eng umspannend, über das kurze, schwarze Miederchen hervorhob. An den Händen mochte das Mädchen wohl noch die Spuren der eben verlassenen Beschäftigung tragen, denn sie hielt die nackten runden Arme mit den fast kokett gespreizten Fingern seitab vom Leibe. Eine weiche, ebenmäßige, für ein Bauernmädchen überraschend zierliche Gestalt! Aus den Schultern hob sie ein Köpfchen, das leicht zur Seite geneigt war und wie unter der Last der dicken, braunen Flechten, die es umwanden. Die Hitze des Herdes hatte eine dunkle Röte über das reizende Gesicht gehaucht, aus dem zwei glänzende, braune Augen lachten, von dichten Wimpern umrahmt und *überspannt von feinen, fast schwarzen Brauen, zwischen denen auf der Stirne ein kleiner, senkrechter Faltenzug sichtbar wurde, der zu diesem frischen, lebensfrohen Antlitz wenig passen wollte.
»Was gibt's?« rief Loni dem Maler zu. »Die Schnepfen sind noch net fertig.«
»Die pressieren auch net! Aber da geh einmal her! Geh nur her!« Dabei faßte er Loni, die ganz verwundert dreinschaute, beim Arm und zog sie nach der Mitte der Stube.
»Was wollts denn?« fragte das Mädchen, indem es widerstrebend folgte.
»So geh nur grad her und paß auf!« Dabei postierte der Maler Loni vor einem Tisch und ließ sie die Arme erheben in gleicher Art wie die Maria unter dem Kreuze. Loni, die nicht wußte, wo das hinaus sollte, wollte eine Einwendung machen und die Arme sinken lassen.
»Ob du gleich stehenbleibst!« fuhr sie der Maler an, trat einige Schritte zurück und blickte mit lebhaftem Erstaunen vom Schnitzwerk auf das Mädchen und vom Mädchen auf das Schnitzwerk.
Lehnl stand neben Baumiller, und mit leuchtenden Augen schaute er auf Loni. »Wie gsagt, die ganze Muttergottes, auf und nieder!«
»Aber ... wie kann man denn so ein Vergleich anstellen!« zürnte Loni und ließ die Arme sinken.
»Sakra, so bleib doch!« rief Baumiller.
»Ich mag net, das is mir z' dumm!«
»No, so schau einmal selber!« Der Maler hielt dem Mädchen das Kruzifix entgegen. »Schau nur grad das Gsichtl von der Muttergottes an!«
Loni, die Hände hinter dem Rücken, betrachtete die Schnitzerei. Mit dem ersten Blick erkannte sie die Ähnlichkeit, und ein spöttisches Lächeln huschte um ihre Mundwinkel, während sie zu Pauli hinüberschielte. Dann warf sie die Lippen auf, schaute dem Maler ins Gesicht und fragte mit einem geringschätzenden Tone, der wie ein Messer in Paulis Herz schnitt: »Wer hat denn das g'macht?«
»Wie magst noch fragen?« lautete die etwas ärgerliche Antwort des Malers. »Is denn im ganzen Gebirge einer, der so was fertigbrächt, wenn net der Pauli?«
»Eigentlich hätt ich mir denken können, daß sonst keim so was Dummes einfallt!«
Pauli wurde blaß und rot. Wenn ihm aber auch die Erregung vom Gesichte abzulesen war, so merkte man doch nichts davon in seiner Stimme und in seinen Worten. »No, no ... das wird doch wohl kein Unglück sein! Ich hab mir halt denkt ...«
»Weißt, was ich mir denk?« unterbrach ihn das Mädchen heftig. »Es könnt dir was Gscheiteres in Sinn kommen, als daß du allweil mich drin hast ... ich brauch mich net von dir ausschnitzeln z'Iassen!« Dabei drehte sie ihm den Rücken, schritt auf den Schänkkasten zu und kniete nieder, um aus einem der unteren Fächer ein paar Teller hervorzunehmen.
»Wann ich gwußt hätt, daß dir's net recht wär«, rief ihr Pauli nach, »Oder wann ich mir hätt denken können, daß dich die Sach gar so viel verschmachen tät, nachher hätt ich's eh net angfangt. Geh zu, Wirt, schieb halt den Herrgott in Ofen eini ... ich mach dir ein andern!«
»Was dir net einfallt!« lautete die brummige Antwort des Wirtes. »Der Herrgott kommt da ins Eck nauf, und sonst kein anderer!«
»Das will ich auch hoffen«, warf Baumiller ein, »denn der Christus da, das ist ein Meisterstück von Schnitzerei!«
Loni erhob sich und stieß die Teller auf die Platte des Schänkkastens, daß es klirrte. »Ein Meisterstück! Daß ich net lach!«
Pauli hatte sich wieder zu seiner Mutter, die schweigend, aber mit unverhehltem Ärger diese ganze Szene angehört, an den Tisch gesetzt, der neben dem Schänkkasten stand. Nun neigte er sich über die Banklehne gegen das Mädchen und sagte: »Wenn schon dein Übermut auslassen willst an mir, so tu's in Gottes Namen! Aber schau, Loni ... es könnt vielleicht eine Zeit kommen, wos dich reut!«
»Da müßtes du z'erst ein anders Mannsbild werden. Sonst erlebst es schwerlich!«
»Müßts ihr zwei jetzt allweil wie Hund und Katz sein?« fuhr der Wirt dazwischen.
»Jetzt, ich beiß doch gwiß net!« meinte Pauli mit bitterem Lächeln.
Loni lachte hell auf. »Das muß wahr sein, denn zum Beißen ghört vor allem ein bißl Schneid ... und das Wörtl steht in deinem Katechismus net!« Mit energischem Ruck zog sie die Teller vom Schänkkasten und wandte sich zu Baumiller. »Gehn S' zu, Herr СКАЧАТЬ