Название: Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer
Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075837219
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Als gält' es ein hochwichtiges und unaufschiebbares Geschäft zu erledigen, eilte Martin ins Fürstenhaus hinauf, holte aus seiner Kammer ein Notizbuch und ein Zentimeterband, begab sich in das »Grafenstübchen« und verriegelte hinter sich die Tür. Hier saß er eine Weile und betrachtete nachdenklich den anspruchslos möblierten Raum und die weiß getünchten Wände. Dann maß er alle Mauern und Fenster ab – und begann in sein Notizbuch eine lange Liste zu schreiben:
1 Zartgeblümte Seidentapete auf mattblauem Fond, für 46 qm Wandfläche; Plafond 16 qm.
2 Für zwei Fenster seidene Gardinen von etwas tieferem Blau; Spitzen als Unterlage; Leisten in Weiß und Silber; Stors in gedämpftem Rosa oder zartem Heliotrop, mit allem Zubehör.
3 Portieren für eine Tür, Stoff und Farbe der Gardinen; ohne Spitzen; mit allem Zubehör.
4 Englischer Teppich, 16 qm, 4:4, dem Blumenmuster der Tapete entsprechend.
So schrieb und schrieb er, bis die Liste über fünf Seiten seines Notizbuches ausgewachsen war. Dann verließ er das Stübchen, versperrte die Tür und steckte den Schlüssel zu sich.
Eine halbe Stunde später trug Mazegger einen Brief davon, der an einen Hotelier in Innsbruck adressiert war. –
Für fünf Uhr nachmittags war das Diner befohlen. Wenige Minuten früher kehrte der Fürst zurück.
Trotz der siebenstündigen Wanderung, die kreuz und quer durch Wälder und Latschenfelder und über steile Almen gegangen war, verriet seine Haltung keine Spur von Müdigkeit. Sein Gang war fester als am Morgen, seine Augen hatten Leben und Feuer, und die heiße Julisonne hatte ihm das Gesicht verbrannt, daß es glühte – nur die Stirn, soweit sie im Schatten der Hutkrempe lag, war weiß geblieben.
»Martin!« rief er dem Diener zu, der in seiner schwarzen Gala schon wartend am Zauntor stand. »Nur flink die Suppe! Mich hungert.«
Mit einem Sprung nahm der Fürst die drei Stufen, die zur Haustür hinaufführten.
Eine minder gute Laune schien Förster Kluibenschädl von dem weiten Weg nach Hause zu bringen. Beim Steigen mußte ihm ein kleines Malheur passiert sein: von der Lederhose, die auch sonst sehr übel zugerichtet war, hing ein handgroßer Rißlappen herunter. Ohne beim Försterhäuschen anzuhalten, ging er auf die Jägerhütte zu; es gewitterte in seinen kleinen Blitzaugen. Als er die Hütte leer fand, lachte er.
»So, so? Net daheim bist? Aber wart nur, Bürscherl, auf d' Nacht, da kommst mir schon!«
Nach einer Weile kräuselte sich vom Dach des Försterhäuschens der blaue Rauch mit spielenden Ringeln hinauf in die linde, reine, sonnige Abendluft.
Der einsame Koch – an Stelle der blessierten Lederhose trug er ein graues Beinkleid von wahrhaft vorsintflutlichem Schnitt, mit großen Buckeln an den Knien – hatte den Schmarrenteig angerührt und ließ ihn aus der Holzschüssel in das prasselnde Schmalz rinnen.
Nachdem er gespeist und das Geschirr wieder säuberlich gespült hatte, nahm er das »Geheimnis von Woodcastle« aus der Schublade und begann zu lesen. Recht zum Übel für seine ärgerliche Stimmung kam er da gerade an das Kapitel, in dem die Feinde Lord Fitzgeralds, über ihren gelungenen Schurkenstreich triumphierend, sich zu einem üppigen Mahl zusammenfanden, bei dem die Austern mit Chablis, der Lachs mit Burgunder und die gebratenen Fasanen mit Champagner begossen wurden. Den Leser empörte diese ungerechte Verteilung der irdischen Freuden: während der gute, schuldlose Lord im tiefsten Kerker »lechzete«, inzwischen schwelgten und schlemmten die »ruchlosen Buben« auf seine Kosten!
»Himmelkreuzteufel noch amal! Da sollt doch der liebe Herrgott dreinfahren mit'm Dreschflegel. Müssen denn die schlechten Kerln allweil obenauf sein und die Guten allweil unterliegen? Meiner Seel! Da könnt ein' 's Leben verdrießen!« Das »Geheimnis von Woodcastle« sauste wieder in einen finsteren Winkel der Schublade.
Seufzend erhob sich der Förster, nahm die zerrissene Lederhose vom Zapfenbrett und betrachtete den Schaden. »Flicken wir s' halt wieder!« Aus einer Truhe, die unter dem Bett stand, holte er sein »Nahtereischachterl« hervor, und da es im Stübchen schon dämmerig wurde, setzte er sich mit seiner Flickerei auf die Schwelle der Hüttentür.
Es wurde ihm schon heiß, noch ehe die Arbeit recht begonnen hatte. Auch die gröbste Nadel, die er besaß, war zu »gring« für seine dicken Finger; er konnte sie kaum fassen und halten; der grobe Zwirn wollte nicht durch die Öse gleiten und dröselte sich auf; und weil der Förster den doppelt genommenen Faden zu stark gewichst hatte, glitschte er ihm beim Schlingen des Knotens immer wieder aus. Endlich war er so weit, um den ersten Stich zu machen. Da stach er sich auch gleich in den Finger. Seufzend leckte er den kleinen Blutstropfen ab, hielt den Finger übers Knie und klopfte ihn mit der Faust. Dann nähte er weiter. Nach jedem Stich zog er so grimmig an, daß der Faden sich spannte wie eine Saite. Dabei wurde die Naht so pfriemig wie ein schlecht geheilter Studentenschmiß.
Als die harte Arbeit mit Not und Seufzen vollendet war, begann es schon zu dunkeln. Da sah er am Fenster der Jägerhütte den Lampenschein aufblinken. »So, Bürscherl, bist daheim? Jetzt kommst mir aber grad in Wurf!« Er trug die geflickte Hose und das Nähzeug in die Stube und ging hinüber zum Jägerhaus.
Mazegger kniete vor dem eisernen Sparherd, um Feuer anzuschüren.
»Du? Wo warst denn heut?«
Zögernd erhob sich der Jäger. Er schien es gleich zu merken, daß sich ein Gewitter über ihm entladen sollte. »Der Kammerdiener hat mir einen Brief übergeben. Den hab ich nach Leutasch getragen.«
»So? Da kannst freilich aufs Wild net aufgschaut haben. Aber was hast denn gestern gsehen? Auf der Abendpirsch?«
»Nichts.«
»So? Gar nix? Und gegen Leutasch naus bis gwesen? Im Hämmermoos?«
Mazegger wandte sich zum Herd und nickte.
Da brach das Gewitter los. »Du Lugenschüppel, du gottverlassener! Da schau her!« Der Förster griff in die Joppentasche und warf dem Jäger die Sichel einer Spielhahnfeder vor die Füße. »Da hast dein Federl wieder! Am Steig zum Steinernen Hüttl droben hab ich's gefunden. Warum lügst mich denn so an?«
Brennende Röte war über das bleiche Gesicht des Jägers geflogen. Seine Augen funkelten.
Der Förster betrachtete ihn vom Kopf bis zu den Füßen. Dabei verrauchte sein Zorn, und er sagte mit ruhigem Ernst. »Toni! Jetzt will ich dir die letzte Verwarnung geben. 's Lugen vertrag ich net. Alles kann ich eim Jager verzeihen, a Jager ist auch nur a schwacher Mensch. Aber 's Maul, wenn er aufmacht im Dienst, muß ich a wahrs Wörtl hören. Und drum sag ich dir's jetzt als dein Fürgsetzter: lügst noch an einzigs Mal, so kannst deine sieben Zwetschgen packen.«
Schweigend starrte der Jäger in die Lampenflamme und nagte an der Lippe.
»So! Und jetzt reden wir noch von was anderm mitanander, weißt, Tonerl, als Mensch und Mensch.«
Mazegger drehte langsam das Gesicht über die Schulter, und seine Augen wurden klein.
»Ich bin dir gut gwesen, Toni, wie ich gut bin zu alle Leut. Oft, wenn du deine gachzornigen Streich so gmacht hast, hab ich mir denkt: trag's ihm net nach, er is verwildert, hat als Kind viel Unglück erfahren, hat d' Mutter hergeben müssen und hat den Vater verloren. Aber wer in verstandsame Jahr СКАЧАТЬ