Название: Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer
Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075837219
isbn:
Mit der Einrichtung sah es freilich ein wenig mager aus; ein Bett, ein Tisch und dahinter eine schon baufällige, mit abgesessenen Lederpolstern belegte Bank, zum Überfluß ein Stuhl, über dem Tisch in der Ecke der Herrgott und das Weihbrunnkesselchen neben der Tür.
Und doch machte das Stübchen einen angenehmen und einladenden Eindruck; es war zu eng und zu klein, um die Dürftigkeit der Einrichtung auffallen zu lassen. Unter den Armen des Herrgotts guckten zwei große Waldblumensträuße hervor, die Traudl auf dem Weg von Ettal her zusammengelesen hatte; in den kleinen Fensternischen standen ein paar blühende Nelkenstöcke, die der Huberbäuerin abgebettelt worden waren, und nun sollten gar noch weiße, säuberlich gefältelte Vorhänge den Schmuck des Stübchens vollenden. Das eine der beiden Fenster war bereits mit dieser Zier angetan, und das andere sollte sie eben aus der Hand der alten Traudl empfangen, die beim Fenster auf einem Sessel stand, um die Nägel für die dünne, eiserne Vorhangstange in die Wand einzuschlagen. Wie Traudl so da oben stand und sich schnaufend streckte, um die für den Nagel bestimmte Stelle zu erreichen, das war ein drolliges Bild. Der halbe Sonntagsstaat, den sie der Wallfahrt wegen trug, mit seiner hochgesetzten Taille, mit den dickwattierten Schultern des nur schüchtern über das seidene Umschlagtuch vorguckenden Leibchens und all das andere Drum und Dran kontrastierte seltsam mit der groben, blauen Leinenschürze, die sie der Werkzeugkiste Paulis entnommen und zum Schutz ihrer Kleider umgebunden hatte.
Über dieser Figur saß das kleine bewegliche Köpfchen mit einem Gesicht, in dessen vielen Falten sich Ernst und Gutmütigkeit friedsam berührten und das umrahmt war von grauen Haaren, die glatt an die Schläfe angescheitelt lagen und am Hinterkopfe sich zu einem etwas konfusen Knoten zusammen zwirbelten.
Die hohe, braunhaarige Bibermütze, die diesen wirren, für die Augen der Welt nicht berechneten Teil der Frisur außer Hause zu verhüllen pflegte, lag auf dem Tisch, und um dieses kostbare Utensil vor Staub zu schützen, war es sorgsam mit einem weißen Taschentuche zugedeckt.
»Sakrafix!« klang plötzlich die Stimme der Alten mit einem halblauten Aufschrei, und ihr linker Daumen, der von einem unvorsichtigen Hammerschlag getroffen war, fuhr hurtig nach dem Munde.
»Ja, was machst denn, Traudl?« rief es durch die geöffnete Tür. »Auf den Nagel mußt schlagen und net auf deine Finger!«
»Jetzt, wenn das net der Lehnl is, nachher will ich am Karfreitag Kirchweih feiern!« lachte Traudl, während sie mit ein paar Hammerschlägen den Nagel vollends befestigte. Dann ließ sie den Hammer sinken und drehte sich zur Tür. »No freilich!«
Auf der Schwelle stand ein alter Mann, dessen weißes Haar darauf schließen ließ, daß er wohl schon die Sechzig auf dem Rücken haben mochte. Mit der einen Hand in der Hosentasche und die andere an der Pfeife, die zwischen seinen Zähnen hing, so stand er da, und mit den Augen, um die ein leiser Zug von spottender Überlegenheit spielte, zwinkerte er der Alten zu, die ihn schon lange kannte und ihm ebenso gut und gewogen war wie das ganze Dorf.
Ungefähr vor zwanzig Jahren war er nach Graswang gekommen, aus Tirol her, wo er »Pechler« gewesen, und hatte sich die Zeit über so leidlich fortgebracht, indem er sich bei den Bauern auf Taglohn verdingte.
Nun aber, da die Arbeitskraft seiner alternden Glieder schon ziemlich nachgelassen hatte, erhielt er von der Gemeinde eine jährliche Unterstützung und war vorn Wirte eigentlich mehr als Pfründner ins Haus denn in Dienst genommen worden. Da machte er sich durch kleine Verrichtungen nützlich, durch seinen Humor beliebt und erwies sich dankbar durch Anhänglichkeit an das Haus seines Wohltäters. Besonders an Loni, an der Adoptivtochter des Wirtes, hing Lehnl mit seiner zärtlich treuen Zuneigung.
»No freilich!« hatte Traudl gesagt, als sie des Alten ansichtig geworden. »Wie man ein Vögerl am Gsang kennt, so kennt man dich an der Red. Da gibt's allweil ein Gspaß oder ein Spott!«
Lehnl nahm das lächelnd hin, trat zu der Alten und war ihr behilflich, das Stübchen vollends in Ordnung zu bringen. Dabei wurde von allerlei gesprochen, die Dorfneuigkeiten der letzten vierzehn Tage wurden duchgehechelt, und als man auf den Maler Baumiller zu sprechen kam, floß Traudl über vom Lob dieses Mannes, der ihrem Pauli den Auftrag des Huberbauern mit dem schönen Verdienste verschafft hatte.
»Ja, ja, er is ein herzensguter Mann, der Herr Fritz«, stimmte Lehnl bei, »und fürs Dorf wie's reinst Fruhjahrsschwalberl! Kaum daß die ersten Blattln raussehauen, fliegt er schon eini ... und so seit zwanzig Jahr!«
»Es kennt ihn aber auch alles, und wirklich jedes hat ihn gern.«
»Das macht, weil er mit die Bauern umgehn kann, als ob er selber einer wär. Und reden tut er grad wie unsereins.«
»Denk dir nur, Lehnl«, dabei stieg die Traudl vorsichtig vom Stuhl herab und säuberte die Hände an der Schürze, »was er neulich meim Pauli für ein Antrag gmacht hat. Der Bub hätt arg viel Talent, hat er gsagt, zu eim Bildhauer, und er nähmet den Pauli mit eini in d' Stadt und ließet ihn ausbilden auf der Akademie. Aber meinst, der Bub ging? Net um alles in der Welt. Und wirst dir wohl auch denken können, was ihn zruckhalt!«
»Ja, ja! 's Lonerl, gelt?« Lehnl schmunzelte.
»Es is ja zum Narrischwerden mit dem Buben!« seufzte Traudl. »Wann er nur wenigstens was davon hätt! Und der Herr Fritz meinet's so gut mit ihm. Der war fein heut auch in Ettal drüben. Ich hab ihn in der Kirchen drin gsehn.«
»Hätt eher denkt, im Wirtshaus.«
»Was tät denn ich im Wirtshaus?« fuhr Traudl ganz entrüstet auf. »Und bei einer Wallfahrt gar!«
»Mein Gott, was halt ander Leut auch drin tun: essen, trinken und recht gscheit reden.«
Eben schickte sich Traudl zu einer geharnischten Erwiderung an, als die Tür sich öffnete und Pauli eintrat, seinen wohlverpackten Herrgott auf dem Arm. Herzlich begrüßte er die Mutter und freundlich den Alten, der sich's inzwischen hinter dem Tisch bequem gemacht hatte.
»Aber grad schön hast mir das Stüberl hergricht!« sagte Pauli zu Traudl, während er Hut und Paket ablegte. »Bist denn schon lang von Ettal zruck, daß alles hast so machen können?«
»Mein Gott, seit Mittag halt!«
»Wie is dir denn z'Ettal gangen? Hast nachher für mich auch betet, Mutter?«
»Für was geh ich denn wallfahrten«, murrte die Alte mit halbem Ernst, »für was denn, als daß du einmal gscheit werden sollst.«
»Ja bin ich denn dumm?« fragte Pauli lächelnd.
»No ... mit deiner dalketen Lieb, das wird wohl net gscheit sein? So eine Narretei, die kein Heimat hat und kein Absehn. Wie oft net hat dir d'Loni schon zeigt, daß s' dir nix will, und doch gehst allweil wieder hin und schmachtest's Madl an wie ein Lampl 's neue Stadttor.«
»Schau, Mutterl, da verstehst du nix davon!« lautete Paulis ruhige Antwort.
»Wär net aus!« fuhr Traudl auf und schlug in komischem Entsetzen die Hände zusammen. »Und wann ich auch wirklich jetzt nix mehr davon verstünd, so hab ich doch einmal was davon verstanden. Sonst wärst du net da! Und das wird jetzt noch grad so sein wie zu meiner Zeit. Da wird wohl der Teufel net auch sein Fortschritt einibracht haben!«
Traudl hatte sich in ernste Hitze hineingeredet, so daß Pauli es für geraten fand, ein wenig einzulenken. »Geh, Mutterl, СКАЧАТЬ