Martin Eden. Джек Лондон
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Название: Martin Eden

Автор: Джек Лондон

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788026884491

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СКАЧАТЬ dreisten, frechen Augen des jungen Mädchens sah er die klaren, strahlenden Ruths, Augen, die ihn an eine Heilige erinnerten, und die aus unermeßlichen Tiefen von Reinheit auf ihn blickten. Und er fühlte es mächtig in sich regen. Er war besser als die andern. Das Leben bedeutete für ihn mehr als für diese beiden jungen Mädchen, deren Gedanken nicht höher flogen als bis zu Eis und einem »Freunde«. Er erinnerte sich, daß er in Gedanken stets ein geheimes Leben gelebt hatte. Er hatte versucht, seine Gedanken mit andern zu teilen, aber noch nie hatte er eine Frau gefunden, die imstande gewesen war, ihn zu verstehen – und auch nie einen Mann. Er hatte es zuweilen versucht, hatte aber dabei seinen Zuhörer nur verwirrt. Und wie seine Gedanken höher flogen als die ihrigen, so verlangte er auch mehr vom Leben; aber eine Gesellschaft wie diese konnte ihm nicht mehr geben. Die dreisten, schwarzen Augen hatten nichts zu bieten. Er kannte die Gedanken, die hinter ihnen lagen – Gedanken an Eis und etwas mehr. Aber die heiligen Augen neben ihnen – die boten ihm alles, was er wußte, und mehr, als er ahnen konnte. Sie boten ihm Bücher und Gemälde, Schönheit und Ruhe und die ganze Feinheit und Auserlesenheit eines höheren Daseins. Er kannte jeden Gedanken hinter den schwarzen Augen. Das war wie ein Uhrwerk. Er konnte alle Räder sich drehen sehen. Was sie ihm boten, waren niedrige Genüsse, eng wie das Grab, Genüsse, vor denen man sich ekelte; und das Ende von allem war das Grab. Was aber die heiligen Augen ihm boten, war Mysterium, war das unergründliche Wunder und das ewige Leben. Er hatte einen Schimmer ihrer Seele darin gesehen, und dazu einen Schimmer seiner eigenen Seele.

      »Das Programm hat nur einen Haken«, sagte er laut. »Ich hab' heute schon eine Verabredung.«

      Ein Ausdruck von Enttäuschung flammte in den Augen des Mädchens auf.

      »Wohl bei einem kranken Freund wachen, was?« spottete sie.

      »Nein, eine wirkliche Verabredung mit –«, er stotterte, »mit einem Mädchen.«

      »Du führst mich nicht an?« fragte sie ernst.

      Er sah ihr in die Augen und antwortete: »Es stimmt schon. Aber warum können wir uns nicht ein andermal treffen? Du hast mir noch nicht gesagt, wie du heißt und wo du wohnst.«

      »Lizzie«, erwiderte sie, sofort besänftigt, und ihre Hand preßte seinen Arm, während sie sich anlehnte. »Lizzie Connolly. Und ich wohne an der Ecke der Fünften und der Market.«

      Er unterhielt sich noch einige Minuten mit ihnen und sagte ihnen dann gute Nacht. Er ging nicht gleich heim, sondern blieb unter dem Baum stehen, wo er so viele Stunden verbracht hatte, und murmelte: »Die Verabredung war mit dir, Ruth. Um deinetwillen habe ich sie gehalten.«

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Eine Woche eifrigsten Lesens war vergangen, seit er Ruth Morse zum ersten Male gesehen hatte, und noch wagte er nicht, sie zu besuchen. Immer wieder machte er sich Mut dazu, dann aber erhoben sich wieder Zweifel und erstickten seine Entschlossenheit. Er kannte nicht die passende Besuchszeit, es gab keinen, der sie ihm sagte, und so fürchtete er, eine nicht wieder gutzumachende Dummheit zu begehen. Da er aber seine Genossen und seine alte Lebensweise abgeschüttelt und keine neuen Genossen dafür erhalten hatte, konnte er nichts als lesen. Die langen Stunden, die er dieser Beschäftigung opferte, hätten ein Dutzend Paar gewöhnlicher Augen verdorben. Aber seine Augen waren von derselben wunderbaren Stärke wie sein Körper. In bezug auf Bücherweisheit hatte er sein ganzes Leben brachgelegen, und jetzt war er reif zur Aussaat. Nicht vom Studium überanstrengt, verbiß er sich jetzt in das Wissen, das er in den Büchern fand, verbiß sich mit scharfen Zähnen, die nicht locker lassen wollten.

      Am Ende der Woche schien es ihm, als ob er Jahrhunderte gelebt hätte, so weit war er über sein altes Leben und seine alten Gesichtspunkte hinausgelangt. Er wurde jedoch durch seinen Mangel an geeigneter Vorbereitung gehemmt. Er versuchte Bücher zu lesen, die ein jahrelanges vorbereitendes Sonderstudium erfordert hätten. Den einen Tag wollte er ein Buch über alte Philosophie und am nächsten Tage ein hypermodernes lesen, so daß sein Kopf ein Tummelplatz der widerstreitendsten Begriffe war. Und ebenso ging es mit der Nationalökonomie. Auf ein und demselben Regal in der Bibliothek fand er Karl Marx, Ricardo, Adam Smith und Mill, und die spitzfindigen Erklärungen des einen ließen ihn nicht ahnen, daß die Vorstellungen des andern veraltet waren. Er war verwirrt und wollte dennoch Bescheid wissen. An einem einzigen Tage hatte er sich auf Ökonomie, Industrie und Politik gestürzt. Auf dem Wege durch den Rathauspark hatte er bemerkt, daß sich dort eine Menschenmenge angesammelt hatte, in deren Mitte fünf bis sechs Männer standen, die mit roten Gesichtern laut und eifrig disputierten. Er schloß sich den Zuhörern an und vernahm jetzt eine neue, fremde Sprache, wie diese Philosophen des Volkes sie redeten. Der eine war ein Vagabund, ein anderer ein Arbeiteragitator, ein dritter Student der Jurisprudenz, und die übrigen waren redegewandte Arbeiter. Zum ersten Male hörte er etwas von Sozialismus, Anarchismus und Einzelbesteuerung und erfuhr, daß es einander widersprechende sozialphilosophische Systeme gab. Er hörte Hunderte von technischen Ausdrücken, die ihm neu waren, weil sie Gedankengebieten angehörten, mit denen er bei seinem bißchen Lesen noch nicht in Berührung gekommen war. Daher konnte er den Beweisgründen nicht recht folgen und war darauf angewiesen, die Begriffe zu erraten, die in all diese fremden Ausdrücke verkleidet auftraten. Dann kam ein schwarzäugiger Kellner, der Theosoph, ein Gewerkschaftsbäcker, der Freidenker war, ein alter Mann, der die merkwürdige Philosophie vertrat, daß alles, was ist, richtig ist, und ein anderer alter Mann, der endlos über Weltall, Vateratom und Mutteratom schwatzte.

      Martin Edens Kopf befand sich in einem Zustand völliger Verwirrung, als er nach mehreren Stunden den Park verließ und in die Bibliothek eilte, um die Bedeutung von einem Dutzend Fremdwörtern nachzuschlagen. Und als er die Bibliothek verließ, hatte er vier Bände unter dem Arm: Madame Blavatskys »Geheimlehre«, »Fortschritt und Armut«, »Die Quintessenz des Sozialismus« und »Krieg zwischen Religion und Wissen«. Unglücklicherweise begann er mit der »Geheimlehre«; jede Zeile wimmelte von vielsilbigen Wörtern, die er nicht verstand. Er setzte sich im Bett auf und las mehr im Wörterbuch als in dem Werke selbst. So viele neue Wörter schlug er nach, daß er, wenn sie wieder auftauchten, ihre Bedeutung schon vergessen hatte. Dann kam er auf den Einfall, die Bedeutung in ein Notizbuch niederzuschreiben, und er füllte Seite auf Seite damit. Aber den Sinn verstand er immer noch nicht. Er las bis drei Uhr morgens, aber sein Kopf war ganz wirr, und er hatte nicht einen einzigen tragenden Gedanken erfaßt. Er blickte auf, und es kam ihm vor, als ob die Stube sich hob und senkte wie ein Schiff im Sturm. Da warf er die »Geheimlehre« fluchend in die Ecke, drehte das Gas aus und legte sich schlafen. Viel mehr Glück hatte er auch nicht mit den andern Büchern. Nicht, daß sein Hirn schwach oder untauglich gewesen wäre, es hätte diese Gedanken gut denken können, aber ihm fehlten die Übung im Denken und die Werkzeuge dazu. Er sah es selber ein und ging eine Zeitlang mit der Absicht um, nichts als das Wörterbuch zu lesen, bis er jedes Wort, das darin stand, auswendig wußte.

      Aber sein Trost war die Poesie. Und er las viel und fand die größte Freude an den einfacheren Dichtern, die am verständlichsten waren. Er liebte Schönheit, und hier fand er Schönheit. Poesie machte wie Musik einen tiefen Eindruck auf ihn, und obwohl er es selbst nicht wußte, bereitete er seinen Kopf dadurch für die mühseligere Arbeit vor, die kommen sollte. Sein Gehirn war wie ein Buch mit unbeschriebenen Seiten, viele der Dinge, die er las und die ihm gefielen, druckten sich ohne Anstrengung Strophe auf Strophe auf diesen unbeschriebenen Seiten ab, und bald hatte er die große Freude, sich laut oder ganz leise all die Musik und Schönheit aufsagen zu können, die aus den gelesenen Druckzeilen sprach. Dann stürzte er sich auf Gayleys »Klassische Sagen« und Bullfinchs »Zeitalter der Fabel«, die nebeneinander in der Bibliothek standen. Sie brachten ein starkes Licht in die Finsternis seiner Unwissenheit, und jetzt las er Dichtung mit größerer Gier als je zuvor.

      Der Mann in der Bibliothek hatte Martin so oft dort gesehen, СКАЧАТЬ