Название: Dracula
Автор: Брэм Стокер
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Horror bei Null Papier
isbn: 9783954180080
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»Hören Sie die Kinder der Nacht? Was für Musik sie machen!« Es mochte ihm in meinem Gesichtsausdruck etwas aufgefallen sein, denn er fügte rasch hinzu:
»Ja, mein Herr, ihr Stadtbewohner seid eben nicht imstande, einem Jäger nachzufühlen.«
Dann stand er auf und sagte:
»Übrigens werden Sie müde sein. Ihr Bett ist bereit, und morgen können Sie nach Belieben ausschlafen. Ich habe bis Abend auswärts zu tun; schlafen Sie also wohl und träumen Sie gut.« Mit einer höflichen Verbeugung öffnete er mir die Türe zu dem achteckigen Zimmer und ich trat in mein Schlafgemach.
Ein Meer gemischter Gefühle umbrandete mich; ich zweifle; ich fürchte; ich denke an seltsame Dinge, die ich meiner eigenen Seele gar nicht einzugestehen wage. Gott schütze mich, und sei es auch nur um derer willen, die mir teuer sind.
7. Mai. – Es ist wieder früher Morgen, aber ich habe die letzten vierundzwanzig Stunden wenigstens ausgeruht und mir wohl sein lassen. Ich schlief dann noch bis spät in den Tag hinein und erwachte von selbst. Als ich mich angekleidet hatte, begab ich mich in das Zimmer, wo ich zu Abend gegessen, und fand ein kaltes Frühstück bereit; der Kaffee war in einer Kanne auf dem Kamin heiß gestellt. Auf dem Tische lag ein Kärtchen, auf dem die Worte standen »Ich muss leider noch einige Zeit fern bleiben. Warten Sie nicht auf mich. D.« So setzte ich mich denn hin und ließ mir die Mahlzeit munden. Als ich fertig war, suchte ich nach einer Glocke, um von der Dienerschaft abräumen zu lassen; nirgends konnte ich etwas dergleichen entdecken. Das war allerdings merkwürdig in einem solchen Hause, das nach allem, was mich umgab, den Eindruck des größten Reichtums erweckte. Das Tafelservice ist von Gold und so wunderschön gearbeitet, dass es einen geradezu unermesslichen Wert besitzen muss. Die Portieren, die Bezüge der Stühle und Sofas, die Vorhänge meines Bettes waren aus den kostbarsten Stoffen und müssen schon in der Zeit, wo sie angefertigt wurden, einen immensen Preis gekostet haben. Sie sind Jahrhunderte alt, dabei vorzüglich gehalten.
Ich habe solche Dinge ja auch in Hampton Court3 gesehen, aber da waren sie zerrissen und abgenützt und von den Motten angefressen. In keinem der Zimmer ist ein Spiegel. Nicht einmal ein Toilettespiegel über meinem Waschtisch, sodass ich meinen kleinen Handspiegel aus dem Koffer nehmen musste, um mich überhaupt rasieren und frisieren zu können. Ich habe bisher weder einen dienstbaren Geist gesehen, noch einen Laut gehört, außer dem Heulen der Wölfe um das Schloss. Nach Beendigung meiner Mahlzeit – ich weiß nicht, soll ich sie Frühstück oder Diner nennen, denn es war zwischen fünf und sechs Uhr, als ich sie einnahm – sah ich mich nach Lektüre um, denn ich wollte ohne Einverständnis des Grafen doch das Schloss nicht verlassen. Bücher, Zeitungen, sogar Schreibzeug fehlten in diesem Zimmer; ich öffnete deshalb eine Türe und befand mich in einer Art Bibliothek. Die Tür gegenüber der zu meinem Schlafzimmer wollte ich auch öffnen, fand sie aber verschlossen.
In der Bibliothek entdeckte ich zu meiner größten Freude eine reiche Auswahl englischer Bücher, ganze Schränke voll, und gebundene Jahrgänge von Zeitungen und Zeitschriften. Lose Exemplare lagen auf dem Tische in der Mitte des Raumes, keines aber war von neuerem Datum. Die Bücher hatten den mannigfaltigsten Inhalt – Geschichte, Geografie, Politik, Nationalökonomie, Botanik, Geologie, Rechtspflege – alles über England, über englisches Leben, über englische Sitten und Gebräuche. Sogar Nachschlagewerke waren vorhanden, wie das Adressbuch von London, das »Rote« und das »Blaue« Buch, Withakers Almanach, die Armee- und Marine- und – mein Herz lachte dabei – die Juristenrangliste.
Während ich so in den Büchern herumstöberte, öffnete sich plötzlich die Türe und der Graf trat ein. Er begrüßte mich herzlich und erkundigte sich, wie ich geschlafen hätte. Dann fuhr er fort:
»Es freut mich, dass Sie sich hier herein gefunden haben, denn ich bin sicher, dass Sie viel des Interessanten vorfinden werden. Diese Freunde hier« – er legte die Hand auf eines der Bücher – »sind mir wirklich gute Freunde geworden; sie haben mir schon seit Jahren, lange ehe ich den Entschluss fasste nach England zu gehen, viele, viele frohe Stunden bereitet. Durch sie habe ich ihr großes, schönes England kennengelernt, und es kennen, heißt es lieben. Ich sehne mich danach, in den dichtbelebten Straßen Ihres ungeheueren London zu promenieren, mitten in dem Getriebe und Gewühle der Menschen, teilzunehmen an ihrem Leben, ihren Schicksalen, ihrem Sterben und an all dem, was eben London zu dem macht, was es ist. Aber leider kenne ich Ihre Sprache nur aus Büchern. Sie, mein Freund, werden natürlich sagen, ich spreche sie.«
»Aber, Graf«, rief ich aus, »Sie kennen und beherrschen das Englische durchaus.« Er verbeugte sich mit ernster Miene.
»Ich danke Ihnen, mein Freund, für Ihre schmeichelhafte Anerkennung; aber ich fürchte trotzdem, dass ich erst ein kleines Stück auf dem Wege vorgeschritten bin, den ich ganz zurückzulegen gedenke. Es ist ja richtig, ich kenne die Grammatik und die Wörter, aber ich weiß sie doch nicht zu verwenden.«
»Aber«, wiederholte ich, »Sie sprechen ausgezeichnet.«
»Nein, nein«, entgegnete er, »Ich weiß wohl, dass, wenn ich in Ihrem London lebe und spreche, es keinen gibt, der mir nicht sofort den Fremden anmerkt. Das ist mir nicht genug. Hier bin ich ein Adeliger, ein Boyar;4 das Volk kennt mich, und ich bin sein Herr. Aber als Fremder im fremden Lande ist man gar nichts, niemand kennt mich, und einen nicht kennen, heißt sich nicht um ihn kümmern. Ich will mich in nichts von den anderen unterscheiden und nicht haben, dass jemand stehen bleibt, wenn er mich sieht, oder seine Rede einen Moment unterbricht, wenn er mich sprechen hört, und sagt: Aha, ein Fremder. Ich bin solange Herr gewesen, dass ich auch Herr bleiben will, wenigstens will ich nicht, dass jemand Herr über mich ist. Sie kommen zu mir nicht allein als Geschäftsträger meines Freundes Peter Hawkins in Exeter, um mir zu berichten, dass meine Geschäfte in London so oder so stehen. Sie werden hoffentlich eine Zeit lang hierbleiben, damit ich durch das Sprechen mit СКАЧАТЬ