Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich Glauser
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Читать онлайн книгу Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich Glauser страница 76

Название: Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten

Автор: Friedrich Glauser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075834973

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СКАЧАТЬ ragten auf, an ihren Wipfeln wehten zwei Wimpel aus zartgelber Seide: Nebelfetzen, durchleuchtet von den Strahlen der aufgehenden Sonne…

      Es war Viertel vor sechs. Gerade als Studer fragen wollte, wann Tagwacht sei, sagte Bohnenblust leise:

      – Es nehme ihn wunder, wieviel heute nacht wieder gestorben seien…

      – Gestorben? Wo gestorben? – Auf den beiden unruhigen Abteilungen – die beiden letzten Nächte habe es zwar keine Todesfälle gegeben, soviel er wisse, aber vor einer Woche! Jede Nacht mindestens zwei!…

      »Woran?« wollte Studer wissen, und er erinnerte sich an den Sarg, den er am ersten Morgen gesehen hatte.

      – Man spräche von einer neuen Kur, die Dr. Laduner ausprobiere, sagte Bohnenblust. Aber man könne nicht wissen, was daran Wahres sei. Der Abteiliger vom U 1, Schwertfeger heiße er übrigens, sei gar verschwiegen. Auf alle Fälle seien ziemlich viele Patienten bettlägerig… Übrigens heiße es, daß der Direktor mit diesen Kuren nicht einverstanden gewesen sei. Er habe sich mit dem Dr. Laduner deswegen gestritten…

      Und wenn man endlich glaubte, den Pieterlen überführt zu haben (es blieb ja nur noch das Telephongespräch, von einer männlichen Stimme geführt… ), dann kam wieder etwas anderes dazwischen! Was war das für ein Kolportageroman? Was für eine Räubergeschichte? Dr. Laduner, der Kuren mit tödlichem Ausgang unternahm?… Dumms Züüg!

      Aber es ließ sich nicht so ohne weiteres vergessen, denn man hatte ja schließlich einen Vortrag gehört, in dem von einer Schlafkur die Rede gewesen war, und man hatte in den Ohren noch die merkwürdige Bemerkung des Arztes:

      ›… Ich glaubte schon, er würde mir unter den Händen sterben…‹

      »Um sechs Uhr ist Tagwacht?« fragte Studer.

      »Ja«, und Bohnenblust empfahl sich. Er holte einen Kessel, füllte ihn mit Wasser, drehte einen Feglumpen unter viel Gestöhn aus, rieb den Boden um die Badewannen mit einer Fegbürste, nahm das Wasser auf…

      Dann kreischten Schlüssel in den Schlössern, Türen wurden geschletzt, schwere Tritte hallten wider. Das Wartepersonal hielt draußen seinen Einzug.

      Die mittlere Wachsaaltür ging auf, eine Stimme sagte, gequetscht, hüpfend und freundlich: »Guete Morge mitenand!« Es war der Oberpfleger Weyrauch, mit ungestrählten Haaren, ohne Brille… Er sah aus wie ein verfetteter Kakadu.

      »Isch guet gange, Bohnebluescht?« fragte er.

      Und dann, ohne auf Antwort zu warten:

      »Eh, dr Herr Wachtmeischter Studer! Au scho uuf? Gott grüeß ech wohl…«

      Studer brummte Undeutliches.

      »Geit mr das Rapportheft, Bohnebluescht!« Und Oberpfleger Weyrauch rollte zur Tür hinaus…

      Das Bild des erwachenden Wachsaals blieb noch lange in Studers Augen: die Leute, die aus den Betten krochen, zu den Wasserhahnen pilgerten, an der Breitseite des Wachsaales, sich mit einem feuchten Handtuch übers Gesicht fuhren, die gähnten und nach den Fenstern schielten, weil sie es schier nicht begreifen konnten, daß sie nun noch einen Tag totschlagen mußten, den sie eigentlich gerade so gut hätten leben können… Wenigstens schien dies dem Wachtmeister Studer so. Es zog ihn zur Küche hin und zu Schül, dem großen Kriegsverletzten mit Ehrenlegion, médaille militaire und Pension. Er schritt leise durch den engen Gang; an der Türe zum blaugestrichenen Raum blieb er stehen.

      Schül war damit beschäftigt, ein Fenster zu öffnen. Das Fenster hatte keinen Riegel, es konnte, wie die Gangtüre, nur mit einem Dreikant geöffnet werden. Und einen solchen hielt Schül in der Hand. Es war kein offizieller Dreikant und ähnelte durchaus nicht dem Instrument, das der Wachtmeister in der Tasche trug.

      »Zeig mir das, Schül«, sagte Studer sanft. Schül drehte sich um, wehrte sich nicht. Freundlich sagte er:

      »Guten Morgen, Herr Inspektor…« und hielt dem Wachtmeister lächelnd eine Metallhülse hin, die zurechtgeklopft war.

      »Hast du dem Pieterlen so einen Dreikant geschenkt?«

      Ungläubiges Erstaunen.

      »Aber natürlich, selbstverständlich. Er hat ihn gebraucht. Und ich habe ja noch ein paar… alte Patronenhülsen, die ich gefunden habe auf einem Spaziergang…«

      »Ich danke dir für das Gedicht, Schül, es war sehr schön. Und dem Pieterlen hast du einen Dreikant geschenkt? Würdest du andern Kranken auch Schlüssel schenken?«

      Andern? Nein! Die andern sind richtig verrückt complétement fous!« bekräftigte er. »Aber Pieterlen war mein Freund. Und darum…« »Ich verstehe dich schon, Schül…« Aber Mattos, des großen Geistes, Freund ließ sich nicht unterbrechen. Er wies zum Fenster hinaus.

      »Dort drüben«, sagte er, »hat der Pieterlen seinen Schatz gehabt, und oft hat er hier am Fenster gestanden. Manchmal ist sie auch ans Fenster gekommen und hat gewinkt, die Frau dort drüben… Und ich hab das Fenster aufgemacht, wenn kein Wärter umewäg war« (das Wort ›umewäg‹ klang drollig in Schüls Munde), »und dann hat auch sie das Fenster drüben aufgemacht…«

      Richtig! Dort drüben war ja das Frauen B, wo die Irma Wasem Pflegerin war. Von einem Fenster zum andern waren gut und gerne hundert Meter, vielleicht etwas mehr…

      »Sie konnten zusammen nicht kommen,

       das Wasser war viel zu tief…«

      Nein, das stimmte nicht. Erstens handelte es sich nicht um zwei Königskinder, sondern um das Demonstrationsobjekt Pieterlen und die Pflegerin Irma Wasem, und zweitens war da kein Wasser, sondern ein Hof… Immerhin…

      »Schül, sag mir einmal, wie sah der Pieterlen aus?«

      »Klein, kleiner als ich, gedrungen, stark. Solche Muskeln hatte er an den Armen. Er ist der einzige gewesen, der mich wirklich verstanden hat. Die andern lachen mich aus wegen Matto und wegen des Mordes in der Taubenschlucht…

      Aber Pieterlen hat nie gelacht. Mon pauvre vieux, hat er gesagt, denn er sprach immer französisch mit mir, ich kenn das alles, ich war ja selbst in Mattos Reich…«

      Ja, das stimmte. Pieterlen hatte sich sogar lange in besagtem Reiche aufgehalten… Warum kam Studer das Ganze plötzlich so traurig und hoffnungslos vor? Warum holte man die Seelen zurück aus dem Reich, in das sie sich geflüchtet hatten, weil sie nicht mehr zurecht kamen in der Welt, wie sie in Wirklichkeit war? Warum ließ man sie nicht in Ruhe? Wäre Pieterlen krank geblieben – wissenschaftlich gesprochen: schizophren –, nie hätte er sich in die Irma Wasem verliebt, nie hätte er versucht, auszubrechen – und vielleicht wäre auch der alte Direktor noch am Leben…

      »Leb wohl, Schül«, sagte Studer heiser. Es saß ihm eine dicke Kugel im Hals.

      »Ich muß jetzt das z'Morgen rüschten…« sagte Schül ernst. Es klang rührend aus seinem durch Narben entstellten Mund…

      Studer traf niemanden auf der Treppe. Als er auf den dünnen Sohlen seiner Lederpantoffeln den Hof überquerte, holte er einen Mann ein, der an einem Riemen eine Kontrolluhr trug, ähnlich die des Nachtwärters Bohnenblust. Studer fragte ihn: »Seid ihr der Nachtwärter, der die Runden macht?«

      Der Mann nickte eifrig. Er war groß, breit, dick. Nachtwache СКАЧАТЬ