Название: Der Herr der Welt
Автор: Robert Hugh Benson
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Science Fiction & Fantasy bei Null Papier
isbn: 9783954185498
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Einige Augenblicke noch, nachdem seine Frau weggegangen war, stand er an der Türe, Beruhigung schöpfend aus dem herrlichen Anblick dessen, was die Herrschaft gesunder Vernunft hier geschaffen und vor ihm niedergelegt hatte: die endlosen Dächerreihen, die hohen Glaskuppeln der öffentlichen Badeanstalten und Turnhallen, die mit Spitztürmen versehenen Schulen, in denen jeden Morgen das Bürgerrecht gelehrt wurde, die spinnenartigen Kräne und die Gerüste, die da und dort sich erhoben; selbst die wenigen Kirchtürme störten ihn in diesem Augenblick nicht. Da wogte er hin, im grauen Dunste Londons entschwindend, ein Bild wahrhaftiger Schönheit, dieser unermessliche Strom von Männern und Frauen, die endlich die Grundlehre des Evangeliums begriffen hatten: Es gibt keinen Gott außer dem Menschen, keinen anderen Priester als den Politiker, keinen anderen Propheten als den Schulmeister …
Dann machte er sich wieder an die Ausarbeitung seiner Rede. —
Auch Mabel war ein wenig nachdenklich, als sie mit ihrer Zeitung auf den Knien im Zuge nach Brighton saß. Diese Nachrichten aus dem Osten hatten sie mehr beunruhigt, als sie es vor ihrem Gatten hatte merken lassen; und doch schien es unglaublich, dass von einer wirklichen Gefahr einer Invasion die Rede sein könne. Hier im Westen war das Leben so vernünftig und ruhig; endlich hatte der Mensch sich hier auf festen Grund hinaufgearbeitet und es war undenkbar, dass er je wieder in die Lehmhütten zurückgedrängt werden könnte; das wäre ja im direkten Gegensatz zu den Gesetzen der Entwicklung. Und doch musste sie zugeben, dass Katastrophen in der Methode der Natur liegen …
Sie saß ganz ruhig, ein paarmal einen flüchtigen Blick auf die dürftigen unzusammenhängenden Nachrichten werfend, um sich dann in den diese behandelnden Leitartikel zu vertiefen, der ebenfalls in Befürchtungen sich erging. Einige Herren im jenseitigen Halbabteil sprachen über denselben Gegenstand; einer beschrieb die von der Regierung betriebenen Maschinenfabriken, die er eben besucht hatte, und die fieberhafte Eile, mit der dort gearbeitet wurde, während seine Mitreisenden ihn mit Zwischenfragen bestürmten. Dort war also auch keine Ermutigung zu holen. Durch die Fenster konnte sie ebenso wenig blicken, dazu war auf den Hauptlinien die Geschwindigkeit eine zu große für das Auge; der lange Innenraum des Wagens, von einem sanften Licht erleuchtet, bildete ihren Gesichtskreis. Ihre Augen wandelten gegen die modellierte weiße Decke, zu den köstlichen, eichenumrahmten Wandgemälden hin, nach den tiefen, elastischen Sitzen hinüber und zu den runden Lampenglocken über ihrem Haupte, denen das Licht entströmte, dann wieder nach einer Mutter mit ihrem Kinde, die ihr schräg gegenübersaß. Da erklang das große Signal, die schwache Vibration verstärkte sich ein wenig, einen Augenblick später sprangen die automatischen Türen zurück und sie trat auf den Bahnsteig der Station Brighton hinaus.
Als sie die zum Bahnhofplatze führende Treppe hinabstieg, bemerkte sie einige Schritte vor sich einen Priester. Er schien ein sehr rüstiger und von den Jahren nicht gebeugter, alter Mann zu sein, denn trotz seines weißen Haares war sein Schritt fest und gleichmäßig. Sie blieb am Fuße der Treppe einen Augenblick stehen, und, halb zur Seite gewandt, sah sie zu ihrer Überraschung, dass sein Gesicht das eines jungen Mannes war, mit feinen, doch energischen Zügen, dunklen Augenbrauen und sehr lebhaften, grauen Augen. Dann schritt sie wieder voran und schlug, den Platz überschreitend, die Richtung nach dem Hause ihrer Tante ein.
Da geschah, ohne die geringste Warnung, ausgenommen einen schrillen Schrei von oben her, eine Folge von Ereignissen.
Ein großer Schatten wirbelte durch das Sonnenlicht nieder, ein Ton des Zerberstens erschütterte die Luft, dann folgte ein Laut, wie das Ächzen eines Riesen, und während sie entsetzt und verwirrt dastand, krachte ein ungeheuerer Gegenstand mit dem Getöse von tausend berstenden Kesseln auf das Kautschukpflaster vor ihr nieder, der, den halben Platz bedeckend, liegen blieb, mit den langen, an seiner oberen Seite befindlichen Schwingen flatternd und schlagend, einem verendenden, grausigen, beflügelten Untiere gleich, menschliche Schreie ausstoßend und fast sofort beginnend, in gebrochener Lebenskraft einherzukriechen.
Mabel wusste kaum mehr, was nun geschah; aber einen Augenblick später ward sie durch einen heftigen Druck von rückwärts nach vorn gedrängt, bis sie, vom Kopf bis zu den Füßen zitternd, vor einer formlosen Masse, dem zermalmten, stöhnenden und sich windenden Körper eines zu ihren Füßen liegenden Mannes stand. Etwas wie artikulierte Laute stieß er aus; sie unterschied deutlich die Namen: Jesus und Maria.
»Lassen Sie mich durch, ich bin ein Priester«, drang es plötzlich an ihr Ohr.
Einen Augenblick stand sie still, betäubt durch die Plötzlichkeit all dieser Dinge, und beobachtete beinahe verständnislos den grauhaarigen jungen Priester, der, auf den Knien liegend, dem geöffneten Überrocke ein Kruzifix entnommen hatte. Sie sah ihn sich tief niederbeugen, mit der Hand ein kurzes Zeichen machen und hörte ihn in einer ihr unbekannten Sprache murmeln. Dann stand er wieder auf, das Kruzifix hochhaltend, und sie sah, wie er sich voran bewegte nach der Mitte des in Blut schwimmenden Platzes, da und dorthin, wie nach einem bestimmten Zeichen ausschauend. Jetzt kamen über die Treppen des großen, zu ihrer Rechten gelegenen Hospitals Leute herabgerannt, ohne Hut, und ein jeder einen, einer altmodischen Handkamera ähnlichen Gegenstand tragend. Sie wusste, wer diese Männer waren, und ihr Herz schlug erleichtert. Es waren die Euthanasiebeamten.1 Dann fühlte sie sich bei den Schultern gepackt und zurückgestoßen und fand sich sofort wieder in der vordersten Reihe einer hin- und herschwankenden, schreienden Menge und hinter einer Kette, die sich aus Polizisten und Zivilisten gebildet hatte, um dem Andrang abzuwehren.
1 Original: »ministers of euthanasia«, in der ersten Fassung sinnlos mit »Diener Euthanasias« übersetzt. <<<
3.
Oliver war von einem panischen Schrecken befallen, als seine Mutter eine halbe Stunde darauf mit der Nachricht hereinstürzte, eines der Regierungsflugschiffe sei eben, als der Vierzehneinhalb-Uhr-Zug СКАЧАТЬ