Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo Tolstoi
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Название: Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi

Автор: Leo Tolstoi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027211456

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СКАЧАТЬ dem Zimmer heraus, nahm Natalie an der Hand und sprach mit ihr. Aber Natalie sah und hörte nichts, mit hastigen Schritten ging sie durch die Tür zu ihrer Mutter.

      Die Gräfin saß auf einem Stuhl und schlug den Kopf an die Wand, Sonja und die Zofe hielten sie am Arm zurück.

      »Natalie! Natalie!« rief die Gräfin. »Es ist nicht wahr! Es ist gelogen! Natalie!« rief sie und stieß die anderen zurück. »Geht fort, alle! Es ist nicht wahr!«

      Natalie stützte sich mit den Knien auf den Lehnstuhl, bückte sich zu ihrer Mutter herab, umarmte sie mit unerwarteter Kraft, hob sie auf, wandte ihr Gesicht zu sich und schmiegte sich an sie. »Mama! Mama!… Ich bin da!« flüsterte sie.

      Sie ließ die Mutter nicht aus ihren Armen, verlangte ein Kissen, Wasser und knöpfte ihr das Kleid los.

      »Mama! Liebe Mama!« flüsterte sie fortwährend, küßte ihr Gesicht, ihre Hände und fühlte, wie ihre Tränen über Nase und Wangen liefen.

      Die Gräfin drückte die Hand ihrer Tochter, schloß die Augen und beruhigte sich auf einen Augenblick. Plötzlich erhob sie sich mit unerwarteter Schnelligkeit, blickte sich wie wahnsinnig um und drückte aus aller Kraft Natalies Kopf an sich. Dann wandte sie ihr von Schmerz verzerrtes Gesicht Natalie zu und blickte sie an.

      »Natalie, du liebst mich?« flüsterte sie. »Natalie, du wirst mich nicht betrügen, du wirst mir die Wahrheit sagen?«

      Natalie blickte sie mit tränenvollen Augen an, in denen nur die Bitte um Verzeihung und Liebe glänzte.

      »Mama! Mama!« wiederholte sie, und wieder weigerte sich die Mutter, im unsinnigen Kampf mit der Wirklichkeit, daran zu glauben, daß sie leben könne, nachdem das blühende Leben ihres Lieblingssohnes vernichtet worden, und flüchtete sich in die Welt des Wahnsinns.

      Natalie begriff nicht, wie dieser Tag, diese Nacht, der folgende Tag und die folgende Nacht verging, sie schlief nicht und verließ keinen Augenblick ihre Mutter. Die ausdauernde, geduldige Liebe wirkte nicht wie ein Trost, sondern wie ein Ruf zum Leben auf die Gräfin. In der dritten Nacht schlummerte sie kurze Zeit, und auch Natalie schloß die Augen und stützte den Kopf auf die Lehne des Sessels. Sowie das Bett krachte, öffnete Natalie die Augen. Die Gräfin saß auf dem Bett und sprach leise. »Wie freue ich mich, daß du gekommen bist!« – Natalie ging zu ihr. – »Du bist hübscher und männlicher geworden«, fuhr die Gräfin fort und ergriff die Hand ihrer Tochter.

      »Mama, was sprechen Sie?«

      »Natalie! Er ist nicht mehr!« Sie umarmte die Tochter, und zum erstenmal begann sie zu weinen.

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       Inhaltsverzeichnis

      Fürstin Marie schob ihre Abreise auf. Drei Wochen lang wich Natalie nicht von der Seite ihrer Mutter, schlief auf einem Lehnstuhl bei ihr im Zimmer, pflegte sie und sprach unaufhörlich, weil nur ihre milde, freundliche Stimme die Gräfin beruhigen konnte. Aber die Wunde, welche die Gräfin beinahe tötete, diese neue Wunde rief Natalie zum Leben zurück. Sie hatte geglaubt, ihr Leben sei zu Ende, aber da zeigte ihr die Liebe zu ihrer Mutter, daß das Wesen ihres Lebens, die Liebe, in ihr noch lebendig war. Als die Liebe erwachte, erwachte auch das Leben wieder.

      Die letzten Tage des Fürsten Andree hatten Natalie mit Marie eng verbunden, und das neue Unglück brachte sie einander noch näher. Es entstand jene leidenschaftliche, zärtliche Freundschaft, wie sie nur zwischen weiblichen Wesen vorkommt. Sie küßten sich beständig, redeten einander mit zärtlichen Worten an und brachten den größten Teil ihrer Zeit beisammen zu. Es war sogar noch ein stärkeres Gefühl als Freundschaft, es war das Gefühl, daß kein anderes Leben für sie möglich sei als in enger Gemeinschaft.

      Zuweilen schwiegen sie ganze Stunden, zuweilen begannen sie, im Bett liegend, zu sprechen und sprachen bis zum Morgen, und meist von längst Vergangenem. Die Fürstin Marie erzählte von ihrer Kindheit, von ihrer Mutter, ihrem Vater und ihren Träumen. Natalie, die sich früher mit ruhiger Verständnislosigkeit von diesem Leben der Hingebung und des Gehorsams, von der Poesie christlicher Selbstaufopferung abgewendet hatte, begriff jetzt Maries früheres Leben, und die Fürstin Marie erkannte jetzt erst, wenn sie den Erzählungen Natalies aus ihrer Jugend zuhörte, die früher ihr unverständliche Seite des Lebens, den Glauben an das Leben und die Freude des Lebens.

      Im Januar fuhr die Fürstin Marie nach Moskau, und der Graf bestand darauf, daß Natalie mit ihr fahren sollte, um sich mit den Ärzten in Moskau zu beraten.

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       Inhaltsverzeichnis

      Der 5. November war der erste Tag der Schlacht bei Krasnoje. Gegen Abend, als es nach vielen Streitigkeiten und Irrtümern der Generale, welche nicht dorthin führten, wo es bestimmt war, und nach vielem Umhersenden von Adjutanten mit widersprechenden Befehlen, schon klar wurde, daß der Feind überall floh und keine Schlacht stattfinden könne und werde, kam Kutusow aus Krasnoje herausgeritten nach Dobroje, wohin das Hauptquartier verlegt wurde. Es war ein heller Frosttag, als Kutusow in Begleitung einer großen Suite von Generalen, welche mißvergnügt unter sich über ihn flüsterten, nach Dobroje ritt. Am ganzen Weg drängten sich die französischen Gefangenen, etwa siebentausend; nicht weit von Dobroje stand eine lange Reihe von französischen Geschützen. Bei der Annäherung des Oberkommandierenden verstummte das Stimmengewirr der Gefangenen und Soldaten, und alle Augen richteten sich auf Kutusow, der mit seiner weißen Mütze und im wattierten Mantel langsam des Weges daherritt, während einer der Generale ihm über die genommenen Geschütze und die Gefangenen Meldung machte, Kutusow schien nicht auf den General zu hören und blickte beständig nach denjenigen Gefangenen, die ein besonders klägliches Aussehen hatten. Die meisten Gesichter der Franzosen waren durch erfrorene Nasen und Wangen entstellt und fast alle hatten rote, entzündete Augen. Zwei Soldaten zerrissen mit den Händen ein Stück rohes Fleisch. Es lag etwas Schreckliches, Tierisches in dem flüchtigen Blick, den sie auf die Vorüberreitenden warfen, und in dem wütenden Ausdruck, mit dem der eine Kutusow anblickte.

      Kutusow sah lange aufmerksam nach diesen zwei Soldaten und wiegte gedankenvoll den Kopf. Vor dem Preobraschenskischen Regiment blieb er stehen und schloß die Augen. Ein Offizier der Suite winkte mit dem Arm, und die Soldaten, welche die Fahne hielten, traten hervor.

      »Ich danke euch allen«, sagte Kutusow, »für die Mühe und den tapferen Dienst! Der Sieg ist vollkommen, und Rußland wird euch nicht vergessen!«

      In den Reihen der Offiziere und Soldaten entstand eine Bewegung, um deutlicher zu hören, was Kutusow sagen werde.

      »Ich weiß, Kinder, ihr habt schweren Dienst, aber was ist zu machen? Wenn wir die Gäste hinausbegleitet haben, werden wir ausruhen! Der Zar wird eure Dienste nicht vergessen! Ihr habt es schwer, aber ihr seid zu Hause, diese da aber, seht, wie weit es mit ihnen gekommen ist!« Er deutete auf die Gefangenen. »Sie sind schlimmer daran als die Bettler. Solange sie stark waren, haben wir uns nicht geschont, aber jetzt können wir sie schonen! Auch sie sind Menschen, nicht wahr, Kinder?« Er blickte sich um, und in den ehrerbietig auf ihn gerichteten Blicken las er Beistimmung zu seinen Worten.

      Die Worte Kutusows waren den Leuten kaum verständlich; keiner hätte es vermocht, den Wortlaut seiner anfangs triumphierenden, gegen Ende aber greisenhaft gutmütigen Rede wiederzugeben, aber der Sinn wurde verstanden.

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