Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo Tolstoi
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Название: Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi

Автор: Leo Tolstoi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788027211456

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      »Meine Frau«, fuhr Fürst Andree fort, »ist ein vortreffliches Weib, eine von jenen, bei welchen die Ehre eines Ehemannes nichts zu fürchten hat, aber was würde ich in diesem Augenblick nicht dafür geben, großer Gott, nicht verheiratet zu sein! Du bist der erste und einzige, dem ich das eingestehe.«

      Fürst Andree glich immer weniger jenem Fürsten Bolkonsky, der sich bei Fräulein Scherer in einem Lehnstuhl niedergelassen hatte und mit halb geschlossenen Augen französische Phrasen aussprach. Ein fieberhaftes, nervöses Zucken bewegte jeden Muskel seines finsteren Gesichts, seine Augen glühten, man sah, daß er in den kurzen Augenblicken krankhafter Reizbarkeit um so heftiger war, je schwächlicher er in seinem gewöhnlichen Zustand erschien.

      »Du verstehst mich nicht, und doch ist das die Geschichte eines ganzen Menschenlebens. Du sprichst von Bonaparte und seiner Laufbahn«, fuhr er fort, obgleich Peter kein Wort gesagt hatte, »aber als Bonaparte arbeitete, nach einem Ziel strebte, war er frei und hatte nur dieses Ziel im Auge, und dann erreichte er es. Aber wenn man das Unglück hat, an eine Frau gebunden zu sein, so ist man gefesselt wie ein Sträfling. Alles, was du an Kraft und Strebsamkeit in dir fühlst, kann nur die Last der Reue vermehren. Das Salongeschwätz, die Bälle, die Eitelkeit und Kleinigkeit, das ist der mächtige Zirkel, der dich einschließt. Jetzt gehe ich in den Krieg, einen der furchtbarsten Kriege, welche jemals die Welt erlebt hat, und weiß nichts, bin zu nichts fähig, dafür aber bin ich sehr liebenswürdig, sehr sarkastisch und bei Fräulein Scherer hört man mich an. Und dann diese alberne Gesellschaft, welche meine Frau nicht entbehren kann!… Wenn du nur wüßtest, was sie wert sind, alle diese vornehmen Damen, und alle Frauen überhaupt! Mein Vater hat recht, Egoismus, Eitelkeit, Dummheit, Mittelmäßigkeit in allem, das sind die Frauen, wenn sie sich zeigen, wie sie sind. Wenn man sie in der Welt sieht, könnte man glauben, es sei etwas anderes in ihnen. Aber nein, es ist nichts, nichts! Ja, mein Freund, ich sage dir, heirate nicht!…«

      »Ich bin erstaunt«., sagte Peter, »daß Sie sich für unfähig halten und glauben können, Ihr Leben verfehlt zu haben, während die Zukunft vor Ihnen liegt, und…« In dem Ton, in dem er diese Worte sprach, konnte man die hohe Achtung vernehmen, die er für seinen Freund hegte.

      »Mit mir ist’s zu Ende, sprechen wir nicht mehr von mir, sondern von dir«, begann der Fürst nach kurzem Schweigen lächelnd wieder. Peters Gesicht strahlte sogleich diese Veränderung in der Miene seines Freundes wider. »Von mir?« wiederholte er mit einem heiteren, unbefangenen Lächeln. »Über mich gibt es nichts zu sagen. Was bin ich überhaupt? Ein Bastard!« Und er errötete plötzlich, denn er hatte dieses Wort mit sichtlicher Anstrengung ausgesprochen. – »Ohne Namen, ohne Vermögen! Und in Wirklichkeit bin ich frei und zufrieden, für den Augenblick wenigstens. Nur gestehe ich, ich weiß nicht, was ich unternehmen soll, und ich wollte Sie ernsthaft darüber um Rat fragen.«

      Fürst Andree betrachtete ihn wohlwollend, aber dieses freundschaftliche Gefühl ließ doch das Bewußtsein seiner Überlegenheit erkennen.

      »Ich bin dir gut, weil du der einzige lebende Mensch in unserm Kreise bist. Du bist zufrieden. Wähle nach deinem Geschmack, gleichviel was, du wirst dich überall wohl befinden. Aber ich bitte dich, gib die Bekanntschaft mit diesem Kuragin und dein jetziges Leben auf! Es paßt für dich so schlecht, diese Ausschweifung, dieses Husarenleben, diese …«

      »Was wollen Sie, mein Lieber?« sagte Peter, die Achseln zuckend. »Die Frauen, mein Freund, die Frauen.«

      »Nun ja«, erwiderte Andree, »die Frauen comme il faut – meinetwegen, aber nicht diese von Kuragin und den Wein – das kann ich nicht gutheißen.«

      Peter wohnte bei dem Fürsten Wassil Kuragin und teilte das leichtsinnige Leben seines Sohnes Anatol, desselben, den man an die Schwester des Fürsten Andree verheiraten wollte, um ihn zu bessern.

      »Wissen Sie«, sagte Peter, als ob ihm plötzlich ein glücklicher Gedanke gekommen wäre, »ich habe seit langer Zeit das auch gedacht. Bei dieser Lebensweise kann ich mich zu nichts entschließen und an nichts denken. Ich habe Kopfschmerzen und kein Geld. Er hat mich zu heute abend wieder eingeladen, aber ich werde nicht hingehen!«

      »Gib mir dein Ehrenwort, daß du nicht hingehen wirst!«

      »Gewiß, ich gebe es Ihnen!«

      9

       Inhaltsverzeichnis

      Es war ein Uhr vorüber, als Peter seinen Freund verließ. Es war eine Juninacht, eine jener Petersburger Nächte fast ohne Dämmerung. Er stieg in eine Droschke, mit der Absicht, nach Hause zu fahren, aber während der Fahrt erschien es ihm immer unmöglicher, während einer solchen Nacht zu schlafen. Sein Blick schweifte durch die öde Straße. Dann dachte er daran, daß die gewöhnliche Spielgesellschaft sich jetzt bei Anatol Kuragin versammelte. Nach dem Spiel begann das Trinkgelage und das Ganze endigte mit einem Lieblingsvergnügen Peters.

      »Soll ich nicht hingehen?« fragte er sich und dachte daran, daß er dem Fürsten Andree sein Wort gegeben hatte.

      Aber wie es bei charakterlosen Leuten gewöhnlich ist, erfaßte ihn eine so unüberwindliche Lust, noch einmal dieses leichtsinnige Leben zu genießen, daß er beschloß, zu Anatol zu gehen. Er sagte sich, sein Versprechen habe keinen Wert, weil er Anatol versprochen hatte, zu kommen, ehe er dem Fürsten sein Wort gegeben hatte. Durch seine Wankelmütigkeit wurden oft seine dem Anscheine nach festen Entschlüsse umgestoßen. Peter gab wieder nach und ging zu Kuragin. Vor einem großen Hause neben der Kaserne der Chevaliergarde ließ er anhalten und stieg die erleuchtete Treppe hinauf. In dem leeren Vorzimmer herrschte Weingeruch; leere Flaschen, Mäntel und Galoschen lagen umher und in der Ferne hörte man ein Stimmengewirr und Rufen. Nachdem Peter den Mantel abgenommen hatte, trat er in das Zimmer ein, wo die Reste des Abendessens umherstanden, und ein Diener, der Straflosigkeit sicher, heimlich die halbvollen Gläser leerte. Weiterhin im dritten Zimmer hörte man unter allgemeinem Gelächter und Lärm das Brummen eines Bären. An einem offenen Fenster standen acht junge Leute, drei von ihnen spielten mit einem jungen Bären, welchen einer von ihnen an einer Kette hielt und auf seine Genossen hetzte.

      »Ich wette auf Stevens«, rief der eine.

      »Aber nicht helfen«, sagte ein zweiter.

      »Ich wette auf Dolochow!« schrie eine dritte Stimme. »Kuragin, trinken Sie!«

      »Nun, laßt Mischka beiseite, es handelt sich um eine Wette.«

      »Aber mit einem Wurf, sonst hat er verloren«, rief eine fünfte Stimme.

      »Heda, die Flasche!« brüllte der Herr des Hauses, ein großer, schöner, junger Mann in der Mitte der Gruppe, ohne Rock und mit vorn offenem Hemd.

      »Stille, meine Herren, da ist Petruschka«, wandte er sich an Peter.

      Ein hochgewachsener junger Mann mit hellblauen Augen, dessen ruhige, nüchterne Stimme in seltsamem Kontrast zu den anderen stand, rief ihn ans Fenster.

      »Komm her, ich will dir die Wette erklären.«

      Das war Dolochow, ein Offizier vom Semenowschen Regiment, ein bekannter Raufbold und Spieler, der bei Anatol wohnte. Peter lächelte und blickte vergnügt um sich.

      »Um was handelt es sich?«

      »Einen Augenblick, er ist noch nüchtern! Schnell eine Flasche her!« rief Anatol. Dann nahm er ein Glas vom Tische und näherte СКАЧАТЬ