Gesammelte Werke von Joseph Conrad. Джозеф Конрад
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Joseph Conrad - Джозеф Конрад страница 27

Название: Gesammelte Werke von Joseph Conrad

Автор: Джозеф Конрад

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027204113

isbn:

СКАЧАТЬ

      ›Welch ein Verlust für mich – für uns!‹ verbesserte sie sich mit herrlicher Großmut. Dann fügte sie murmelnd hinzu ›für die Welt‹. Im letzten Schimmer des Zwielichts konnte ich das Glitzern ihrer Augen sehen, die voll von Tränen waren – von Tränen, die nicht fallen wollten.

      ›Ich bin sehr glücklich gewesen – richtig begnadet – sehr stolz‹, fuhr sie fort. ›Zu glücklich, eine kleine Weile lang. Und nun bin ich unglücklich – fürs Leben.‹

      Sie stand auf; ihr blendendes Haar schien den letzten Rest von Licht in goldenem Leuchten aufzufangen. Auch ich erhob mich.

      ›Und von all dem‹, fuhr sie traurig fort, ›von allen seinen Hoffnungen, seiner Größe, seinem edlen, vornehmen Herzen bleibt nichts übrig – nichts als eine Erinnerung. Sie und ich …‹

      ›Wir werden immer an ihn denken‹, sagte ich hastig.

      ›Nein‹, rief sie. ›Es ist unmöglich, daß all dies verloren sein – daß ein solches Leben geopfert worden sein sollte, um nichts hinter sich zulassen als Trauer. Sie wissen, daß er große Pläne hatte. Auch ich wußte davon. – Ich konnte sie vielleicht nicht verstehen – doch andere wußten davon. Etwas muß übrigbleiben. Seine Worte zumindest sind nicht gestorben.‹

      ›Seine Worte werden bleiben‹, sagte ich.

      ›Und sein Beispiel‹, flüsterte sie zu sich selbst. ›Die Menschen sahen zu ihm auf, seine Güte leuchtete aus jeder seiner Handlungen, sein Beispiel …‹

      ›Das ist ›wahr‹, sagte ich, ›auch sein Beispiel. Jawohl, sein Beispiel. Ich vergesse das.‹

      ›Ich aber nicht. Ich kann es – kann es nicht glauben – jetzt noch nicht. Ich kann nicht glauben, daß ich ihn nie wieder sehen soll, daß niemand ihn je wieder sehen soll. Nie, niemals wieder.‹

      Sie streckte die Arme aus wie nach einer zurückweichenden Gestalt, streckte sie schwarz, mit gefalteten, bleichen Händen quer durch den schmalen, mattschimmernden Lichtstreifen des Fensters. Ihn nie wieder sehen! Ich sah ihn eben damals deutlich genug. Ich werde dieses beredte Gespenst sehen, solange ich lebe, werde auch sie sehen, einen tragischen, vertrauten Schatten, sie, die mich in dieser Gebärde an eine andere tragische Gestalt erinnerte; an die andere, die, mit unwirksamen Zaubermitteln bedeckt, nackte, braune Arme über das höllische Glitzern des Stromes, des Stromes der Finsternis, ausgestreckt hatte. Sie sagte plötzlich sehr leise: ›Er starb, wie er gelebt hatte.‹

      ›Sein Ende‹, sagte ich, während sich ein dumpfer Ärger in mir regte, ›war in jeder Hinsicht seines Lebens würdig.‹

      ›Und ich war nicht bei ihm‹, murmelte sie. Mein Ärger machte einem Gefühl endlosen Mitleids Platz.

      ›Alles, was getan werden konnte …‹, murmelte ich.

      ›Oh, aber ich glaubte stärker an ihn als irgend jemand sonst auf Erden – mehr als seine eigene Mutter, mehr als er selbst. Er brauchte mich! Mich! Ich hätte jeden Seufzer, jedes Wort, jedes Zeichen, jeden Blick wie einen Schatz aufbewahrt.‹

      Ich fühlte es wie eine eisige Hand auf meiner Brust. ›Nicht!‹ sagte ich mit erstickter Stimme.

      ›Vergeben Sie mir. Ich – ich – habe – lange schweigend getrauert, schweigend … Sie waren bei ihm – bis zuletzt. Ich denke an seine Einsamkeit. Niemand ihm nahe, um ihn zu verstehen, wie ich ihn verstanden hätte. Vielleicht auch niemand, um zu hören …‹

      ›Bis ganz zuletzt‹, sagte ich bebend. ›Ich hörte seine letzten Worte …‹ Damit brach ich erschreckt ab.

      ›Wiederholen Sie sie‹, sagte sie in größtem Schmerz. ›Ich will – ich will – etwas – etwas, um – um damit weiterleben zu können.‹

      Ich war hart daran, ihr zuzuschreien: ›Hören Sie sie nicht?‹ Das Dunkel wiederholte sie rings um uns, hartnäckig flüsternd, in einem Flüstern, das drohend anzuschwellen schien, wie das erste Flüstern eines erwachenden Sturms: ›Das Grauen! Das Grauen!‹

      ›Sein letztes Wort – und damit weiterleben zu können‹, murmelte sie. ›Verstehen Sie nicht, daß ich ihn liebte – ihn liebte, ihn liebte!‹

      Ich riß mich zusammen und sagte langsam:

      ›Das letzte Wort, das er aussprach, war – Ihr Name.‹

      Ich hörte einen leichten Seufzer, und dann stand mein Herz still, hielt unvermittelt an, vor einem furchtbaren, jubelnden Aufschrei, vor einem Schrei unbegreiflichen Triumphs und unaussprechlichen Schmerzes. ›Ich wußte es, wußte es gewiß! …‹ Sie wußte es. Wußte es gewiß. Ich hörte sie weinen; sie hatte das Gesicht in den Händen verborgen. Mir war es, als müßte das Haus einfallen, bevor ich noch entrinnen konnte, als müßte mir der Himmel auf den Kopf stürzen. Doch nichts geschah. Der Himmel stürzt wegen einer solchen Kleinigkeit nicht ein. Wäre er wohl eingestürzt, wenn ich Kurtz die Gerechtigkeit hätte widerfahren lassen, die er verdiente? Hatte er nicht selbst gesagt, daß er nichts weiter als Gerechtigkeit wünschte! Doch ich konnte es nicht. Ich konnte es ihr nicht sagen. Es wäre zu dunkel gewesen, allzu dunkel …«

      Marlow brach ab und saß undeutlich und schweigend da, in der Stellung des meditierenden Buddha. Niemand regte sich eine Zeitlang. »Wir haben den Anfang der Ebbe versäumt«, sagte der Direktor plötzlich. Ich hob den Kopf. Die Mündung war von einer schwarzen Wolkenbank umlagert, und die ruhige Wasserstraße, die zu den letzten Enden der Welt führte, strömte düster, unter bedecktem Himmel dahin, wie in das Herz einer ungeheueren Finsternis.

       Inhaltsverzeichnis

       I

       II

       III

       IV

       V

       VI

       VII

       VIII

       IX

       X

       XI

       XII

       СКАЧАТЬ