Название: Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays
Автор: Фридрих Шиллер
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027204274
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Königin.
»– – So hab’ ich Sie gewollt!
»Das war die große Meinung seines Todes.«
Zehnter Brief
Ich bin weder Illuminat noch Maurer, aber wenn beide Verbrüderungen einen moralischen Zweck mit einander gemein haben, und wenn dieser Zweck für die menschliche Gesellschaft der wichtigste ist, so muß er mit demjenigen, den Marquis Posa sich vorsetzte, wenigstens sehr nahe verwandt sein. Was Jene durch eine geheime Verbindung mehrerer durch die Welt zerstreuter thätiger Glieder zu bewirken suchen, will der Letztere, vollständiger und kürzer, durch ein einziges Subjekt ausführen: durch einen Fürsten nämlich, der Anwartschaft hat, den größten Thron der Welt zu besteigen, und durch diesen erhabenen Standpunkt zu einem solchen Werke fähig gemacht wird. In diesem einzigen Subjekte macht er die Ideenreihe und Empfindungsart herrschend, woraus jene wohlthätige Wirkung als eine nothwendige Folge fließen muß. Vielen dürfte dieser Gegenstand für die dramatische Behandlung zu abstrakt und zu ernsthaft scheinen, und wenn sie sich auf nichts als das Gemälde einer Leidenschaft gefaßt gemacht haben, so hätte ich freilich ihre Erwartung getäuscht; aber es schien mir eines Versuchs nicht ganz unwerth, »Wahrheiten, die Jedem, der es gut mit seiner Gattung meint, die heiligsten sein müssen, und die bis jetzt nur das Eigenthum der Wissenschaften waren, in das Gebiet der schönen Künste herüberzuziehen, mit Licht und Wärme zu beseelen und, als lebendig wirkende Motive in das Menschenherz gepflanzt, in einem kraftvollen Kampfe mit der Leidenschaft zu zeigen.« Hat sich der Genius der Tragödie für diese Grenzenverletzung an mir gerochen, so sind deßwegen einige nicht ganz unwichtige Ideen, die hier niedergelegt sind, für – den redlichen Finder nicht verloren, den es vielleicht nicht unangenehm überraschen wird, Bemerkungen, deren er sich aus seinem Montesquieu erinnert, in einem Trauerspiel angewandt und bestätigt zu sehen.
Eilfter Brief
Ehe ich mich auf immer von unserm Freunde Posa verabschiede, noch ein paar Worte über sein räthselhaftes Benehmen gegen den Prinzen und über seinen Tod.
Viele nämlich haben ihm vorgeworfen, daß er, der von der Freiheit so hohe Begriffe hegt und sie unaufhörlich im Munde führt, sich doch selbst einer despotischen Willkür über seinen Freund anmaße, daß er ihn blind, wie einen Unmündigen, leite und ihn eben dadurch an den Rand des Untergangs führe. Womit, sagen Sie, läßt es sich entschuldigen, daß Marquis Posa, anstatt dem Prinzen gerade heraus das Verhältniß zu entdecken, worin er jetzt mit dem Könige steht, anstatt sich auf eine vernünftige Art mit ihm über die nöthigen Maßregeln zu bereden und, indem er ihn zum Mitwisser seines Planes macht, auf einmal allen Uebereilungen vorzubeugen, wozu Unwissenheit, Mißtrauen, Furcht und unbesonnene Hitze den Prinzen sonst hinreißen könnten und auch wirklich nachher hingerissen haben, daß er, anstatt diesen so unschuldigen, so natürlichen Weg einzuschlagen, lieber das Aeußerste Gefahr läuft, lieber diese so leicht zu verhütenden Folgen erwartet und sie alsdann, wenn sie wirklich eingetroffen, durch ein Mittel zu verbessern sucht, das eben so unglücklich ausschlagen kann, als es brutal und unnatürlich ist, nämlich durch die Verhaftnehmung des Prinzen? Er kannte das lenksame Herz seines Freundes. Noch kürzlich ließ ihn der Dichter eine Probe der Gewalt ablegen, mit der er solches beherrschte. Zwei Worte hätten ihm diesen widrigen Behelf erspart. Warum nimmt er seine Zuflucht zur Intrigue, wo er durch ein gerades Verfahren ungleich schneller und ungleich sicherer zum Ziele würde gekommen sein?
Weil dieses gewaltthätige und fehlerhafte Betragen des Maltesers alle nachfolgenden Situationen und vorzüglich seine Aufopferung herbeigeführt hat, so setzte man, ein wenig rasch, voraus, daß sich der Dichter von diesem unbedeutenden Gewinn habe hinreißen lassen, der innern Wahrheit dieses Charakters Gewalt anzuthun und den natürlichen Lauf der Handlung zu verlenken. Da dieses allerdings der bequemste und kürzeste Weg war, sich in dieses seltsame Betragen des Malthesers zu finden, so suchte man in dem ganzen Zusammenhang dieses Charakters keinen nähern Aufschluß mehr; denn das wäre zu viel von einem Kritiker verlangt, mit seinem Urtheile bloß darum zurückzuhalten, weil der Schriftsteller übel dabei fährt. Aber einiges Recht glaubte ich mir doch aus diese Billigkeit erworben zu haben, weil in dem Stücke mehr als einmal die glänzendere Situation der Wahrheit nachgesetzt worden ist.
Unstreitig, der Charakter des Marquis von Posa hätte an Schönheit und Reinigkeit gewonnen, wenn er durchaus gerader gehandelt hätte und über die unedlen Hilfsmittel der Intrigue immer erhaben geblieben wäre. Auch gestehe ich, dieser Charakter ging mir nahe, aber, was ich für Wahrheit hielt, ging mir näher. Ich halte für Wahrheit, »daß Liebe zu einem wirklichen Gegenstande und Liebe zu einem Ideal sich in ihren Wirkungen eben so ungleich sein müssen, als sie in ihrem Wesen von einander verschieden sind – daß der uneigennützigste, reinste und edelste Mensch aus enthusiastischer Anhänglichkeit an seine Vorstellung von Tugend und hervorzubringendem Glücke sehr oft ausgesetzt ist, eben so willkürlich mit den Individuen zu schalten, als nur immer der selbstsüchtigste Despot, weil der Gegenstand von Beider Bestrebungen in ihnen, nicht außer ihnen wohnt, und weil Jener, der seine Handlungen nach einem innern Geistesbilde modelt, mit der Freiheit Anderer beinahe eben so im Streit liegt, als Dieser, dessen letztes Ziel sein eignes Ich ist.« Wahre Größe des Gemüths führt oft nicht weniger zu Verletzungen fremder Freiheit, als der Egoismus und die Herrschsucht, weil sie um der Handlung, nicht um des einzelnen Subjekts willen handelt. Eben weil sie in stäter Hinsicht auf das Ganze wirkt, verschwindet nur allzu leicht das kleinere Interesse des Individuums in diesem weiten Prospekte. Die Tugend handelt groß um des Gesetzes willen, die Schwärmerei um ihres Ideales willen, die Liebe um des Gegenstandes willen. Aus der ersten Klasse wollen wir uns Gesetzgeber, Richter, Könige, aus der zweiten Helden, aber nur aus der dritten unsern Freund erwählen. Diese erste verehren, die zweite bewundern, die dritte lieben wir. Carlos hat Ursache gefunden, es zu bereuen, daß er diesen Unterschied außer Acht ließ und einen großen Mann zu seinem Busenfreund machte.
»Was geht die Königin dich an? Liebst du
»Die Königin? Soll deine strenge Tugend
»Die kleinen Sorgen meiner Liebe fragen?
»– – – – Ach, hier ist nichts verdammlich,
»Nichts, nichts, als meine rasende Verblendung,
»Bis diesen Tag nicht eingesehn zu haben,
»Daß du so – groß als zärtlich bist.«
Geräuschlos, ohne Gehilfen, in stiller Größe zu wirken, ist des Marquis Schwärmerei. Still, wie die Vorsicht für einen Schlafenden sorgt, will er seines Freundes Schicksal auflösen, er will ihn retten, wie ein Gott – und eben dadurch richtet er ihn zu Grunde. Daß er zu sehr nach seinem Ideal von Tugend in die Höhe und zu wenig auf seinen Freund herunterblickte, wurde Beider Verderben. Carlos verunglückte, weil sein Freund sich nicht begnügte, ihn auf eine gemeine Art zu erlösen.
Und hier, däucht mir, treffe ich mit einer nicht unmerkwürdigen Erfahrung aus der moralischen Welt zusammen, die Keinem, der sich nur einigermaßen Zeit genommen hat, um sich herumzuschauen oder dem Gange seiner eigenen Empfindungen zuzusehen, ganz fremd sein kann. Es ist diese: daß die moralischen Motive, welche von einem zu erreichenden Ideale von Vortrefflichkeit hergenommen sind, nicht natürlich im Menschenherzen liegen und eben darum, weil sie erst durch Kunst in dasselbe hineingebracht worden, nicht immer wohlthätig wirken, gar oft aber durch einen sehr menschlichen Uebergang einem schädlichen Mißbrauch ausgesetzt sind. Durch praktische Gesetze, СКАЧАТЬ