Название: Seefahrt ist not!
Автор: Gorch Fock
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066113100
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Gesa schüttelte den Kopf.
Der Junge glitt ihr ganz aus den Händen. Sie hielt viel von ihm, gewiß ebensoviel, wie andere Frauen von ihren Kindern. Und wenn sie ihn zügelte und ihm wehrte, wenn sie ihn dem Wasser fernzuhalten suchte, was trieb sie anders dazu als die Liebe? Bis zu drei Jahren war der Junge ein rechtes Mutterkind gewesen, das ihr Schürzenband kaum losgelassen hatte, und sein Vater hatte sich wenig mit ihm abgegeben, sondern nur immer lachend erklärt, daß er mit so kleinen Gören nicht umzugehen wisse: ein Mann, der ein kleines Kind auf dem Arm habe, komme ihm vor wie ein Hahn, der auf Eier gesetzt sei. Zwar hatte er den Jungen zuerst wohl alle zwei Stunden geweckt und dabei gesagt, das müsse er beizeiten lernen, denn später beim Schollenfang hieße es auch: alle zwei Stunden raus! — aber es war nur Spaß gewesen, wie es auch Spaß gewesen war, wenn er ihn auf und ab schaukelte, um ihn an die Dünung zu gewöhnen und ihn seefest zu machen, wozu er sang: So dümpelt de Eber, so dümpelt de Eber, so dümpelt de Eber up See ...
Dann aber, als der Junge anfing zu sprechen und zu begreifen, war es anders geworden: da kam der Ernst. Da wurde er ausgelacht, weil er ein Mutterkind war, und von ihren Wegen abgelenkt, da wurde das Wort gesprochen: Ne bang wesen, Junge, anners kummst du ne mit no See! Ne schreen, Klaus, anners kann ik di noher an Burd ne bruken, denn müß du Kleigrober oder Kristoffer Bullerballer warrn! Da war der Brand in die Kinderseele hineingeworfen worden und hatte sie verheert! Da war ihm der Kompaß in die Brust gesetzt worden, der beständig nach der See wies und all sein Tun und Lassen lenkte.
Dann kam der Kahn, der grüne nordische Kahn, von dem Gesa glaubte, daß ihr Mann ihn vom Teufel gekauft hatte und nicht von dem norwegischen Schuner, wie er behauptete. Den bekam der Junge zu seinem vierten Geburtstag, und damit war er der Elbe und dem Wasser verfallen, der nun mehr war als die andern Jungen am Deich: Reeder und Schiffer. Da übertrugen die Finkenwärder den Namen des Fahrzeuges bald auf den Jungen, und aus dem kleinen Klaus Mewes wurde für jung und alt ein kleiner Klaus Störtebeker! Gesa seufzte tief, denn sie trug schwer an diesem gottlosen Namen.
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Die vier Getreuen aber standen an dem breiten, schwarzen Graben zwischen den dicken, krummen Wicheln und den schlanken, schiefen Erlen und suchten die Spuren von Klaus Störtebeker. Sie bestimmten den Baum, an dem er sein Admiralsschiff festgehabt hätte, und durchforschten die hohlen Stämme nach Gold, das er vielleicht hineingesteckt haben könnte. Das faule Holz glomm auch wirklich wie Silber, so daß der Junge alle Augenblicke ausrief: „Hier sitt dat Gild, hier sitt dat Guld!“ und sie von einer Wichel nach der anderen lockte.
Klaus Mewes aber guckte viel nach dem Bauernhof auf der zehn oder zwölf Ewerlängen entfernten deichhohen Wurt, der bei den alten Leuten noch der Grönlandshof hieß, weil in alten Zeiten die hamburgischen Walfischfänger neben ihm geankert hatten. Dorther stammten er und die ganze, weitausgebreitete Sippe der Mewes: auf dem Grönlandshof hatte der alte Vogt holländischen Blutes gesessen, der aus einem Bartholomäus zu einem Bartel Mewes geworden war. Seine Jungen und Enkel dann, die hatten es herausgefunden, daß es besser sei, die grüne See zu pflügen als das braune Land, und sie waren nach dem Deich gezogen und Schiffer und Fischer geworden. Das Bauerngeschlecht der Mewes war ausgestorben: die seefahrenden Mewes aber waren immer noch groß am Ruder und machten ein Drittel der Fischerflotte aus, während das zweite und letzte Drittel den Focken und Külper zukam.
Seefischerei! Klaus Mewes sehnte sich nicht nach der Bauerei zurück und tauschte seinen lieben, großen Ewer gewiß nicht gegen den ganzen Grönlandshof.
Dritter Stremel.
Den Montag, der als ein schöner, stiller Vorfrühlingstag über die Elbe kam, fing Klaus Mewes mit früher Arbeit an, er schleppte Segel und Kurren mit seinen Leuten über das Eis, machte die beiden Kurrleinen fertig und eiste dann das Fahrzeug ringsum frei, damit Raum für den notwendigen Anlauf gewonnen würde, denn er hatte keine Ruhe mehr: das Eis trieb nicht weg und konnte noch wochenlang liegen bleiben: da mußte er Gewalt anwenden!
Hein Mück, der erst gegen Morgen von Musik gekommen war, konnte kaum die Augen offen halten, aber sein Tappen half ihm nichts: er bekam die nassen Fausthandschuhe zu schmecken und mußte tüchtig daran glauben.
Halbermittag ging Kap Horn den Deich entlang, um anzusagen für die große Arbeit, die gleich nach dem Essen angegriffen werden sollte. Kap Horn war der rechte Mann für so etwas, denn er konnte gut klönen; zwar dauerte es Stunden, bis er die hundertfünf Häuser abgeklopft hatte, aber er hatte dafür auch die Genugtuung, acht Tassen Kaffee und zwei Kirschenschnäpse eingegossen bekommen und alle an Land befindlichen Mannsleute angeworben zu haben. Störtebeker begleitete ihn ein Stück und lief dann nochmal nach dem Schuster und mahnte ihn um die langen Stiefel, freilich, ohne daß er sie gekriegt hätte.
Dann trabte er wieder nach dem Neß und half seinem Vater, dem er in allen Schiffsdingen der unermüdlichste und aufmerksamste Helfer war. Ein so großer Stankmacher und Ausfresser der Junge sonst war: solange er bei seinem Vater stand, vergaß er alles andere und war nur noch der lerneifrige, vielfragende Schiffsjunge.
Nach Mittag standen sie dann im Sonnenschein auf dem Ewer, der schon in seiner großen Wake trieb: Schiffer, Knecht, Junge, Spielvogel und Hund.
Hein Mück pumpte noch etwas, bis die Pumpe röchelte, und Störtebeker drängte das Ruder von Backbord nach Steuerbord und von Steuerbord nach Backbord, als habe er wirklich zu steuern, Klaus Mewes und Kap Horn aber schleppten die beiden schweren Trossen über das Eis.
Da kamen sie vom Deich herunter und über das Eis gegangen, die Seefischer, die Wattfischer, die Lütjfischer, die Frachtschipper, es kamen der Gastwirt, der Reepschläger, der Blockmacher, der Krämer und der Segelmacher, weit über hundert Mann, alle in großen Stiefeln steckend, laut lachend und sprechend, in Gruppen und einzeln. Und die gewaltige Schar versammelte sich um den Ewer, einigte sich über den Weg, den sie nehmen wollte, und verteilte sich auf die beiden langen Kurrleinen. Alles Görenzeug lief und rannte auf den Schallen umher, und oben auf dem Deich standen die Frauen und Mädchen und guckten und warteten. Am Bollwerk und auf den Schallen aber lag die Menge der Fahrzeuge, denen der große Tag die Freiheit bringen sollte. Die vergoldeten Flögel blinkten im Sonnenschein und in den Klüsenaugen leuchtete es vor Hoffnung.
Der große Tag — der größte Tag der Finkenwärder Fischerei, an dem sie die Mächtigkeit ihrer Flotte, die Stärke ihrer Mannschaft, die Brüderlichkeit und Hilfsbereitschaft ihrer Fahrensleute am besten bewies. Allen, die ihn erlebt haben, die den großen Triumphzug vom Bollwerk bis an das weit entfernte Fahrwasser gesehen haben, hat er sich unauslöschlich in die Seele eingedrückt. Nicht wahr, du Finkenwärder: up den Dag kannst du di ok noch besinnen?
Es kamen immer noch mehr Fahrensleute über das Eis: alle, alle wollten helfen, alle wollten dabei sein! Nun waren der Hilfsleute genug: Klaus Mewes stand im Steven wie ein König und gröhlte, die Leinen müßten noch weiter auseinander. Und als das getan war, da rief er über das Eis, so laut er konnte: „All klor! Een, twee, dree: allemann inne Gangen! Huroh! Huroh! Huroh!“
Da sprang Kap Horn nach dem Ruder und warf es herum: die Fahrensleute aber setzten sich mit Huroh und Jümmerbeterbi und Hödjihöh in Bewegung und zogen die Leinen steif: der Ewer kam in Fahrt und schoß durch das offene Wasser, dann krachte und СКАЧАТЬ