Название: Seefahrt ist not!
Автор: Gorch Fock
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066113100
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Als alles schier war, konnte er es aber doch nicht lassen, dem saumseligen Schuster nochmal die Wacht anzusagen. Der Hans Niedersachs von Finkenwärder, der ein Schelm war und einen Schalk als Gesellen hatte, sah ihn schon, als er die Treppe hinunterstieg, und sagte zu seinem Gesellen: „Kiek ut vör Störtebeker!“
Wir müssen nun freilich wissen, daß Klaus Mewes bei der Bestellung der Siebenmeilenstiefel für seinen Jungen heimlich gesagt hatte, es eile nicht und vor Pfingsten brauchten sie nicht fertig zu sein, und daß Gesa hinterher bestimmt hatte, sie sollten erst im Herbst geliefert werden, wenn der Junge der unruhigen Witterung wegen nicht mehr mit nach See kommen könne; der Schuster tat deshalb nur, was ihm geheißen war, wenn er ihn vertröstete. Er hatte bei den Stiefeln übrigens noch nicht einmal angefangen.
Als Störtebeker die Tür aufklinkte, saßen die beiden Pechräte tiefgebückt da, duckten sich hinter die großen Glaskugeln wie Verschwörer und klopften für fünfzehn, ohne aufzugucken.
„Schoster, sünd mien Stebeln klor?“
Der Schuster und sein Geselle klopften das Leder noch lauter und deftiger, daß die Fenster wie bei einem Gewitter klirrten, und taten, als könnten sie weder hören noch sehen.
„Schoster, wat mien Stebeln klor sünd?“
Störtebeker rief schon lauter, aber die beiden Pfriemenreiter stellten sich wieder taub und hämmerten, als wollten sie Stahl aus den Kuhhäuten machen, dabei aber sahen sie einander heimlich an: wat he nu woll upstillt? sollte es heißen.
Der Junge sah sich in der Werkstatt um. Da lagen die großen, langen Stiefel der Elbfischer, de güngen bit ant Gatt und waren größer als er selbst, da standen die schweren, starken Seefischerstiefel, so gewaltig, daß er sich dahinter verstecken konnte, da waren Bauernschuhe, die so klotzig waren, daß er damit hätte über die Elbe schippern können, — aber Kniestiefel, die ihm zu paß waren, konnte er nicht dazwischen finden.
„Schoster, sünd mien Stebeln klor?“ Er gröhlte es, so laut er konnte, aber die Schuster ließen sich in ihrer Klopferei nicht stören, denn sie wußten noch nicht, was sie diesmal an den Tag geben sollten: sollten sie wieder über seine Seefahrt loslegen oder von seinem Kahn anfangen oder ihm ein paar linke Mannsstiefel anpassen? Störtebeker war ärgerlich geworden, er sah den Kram noch eine Weile an, dann drehte er sich batz um und lief hinaus.
„Nanu,“ sagte der Meister und ließ das Hämmern, „nanu,“ sagte der Geselle und stellte auch den Betrieb ein, — aber ehe sie sich’s versahen, sauste ein großer Mauerstein durch das Fenster, daß die Splitter umherflogen, zerschlug eine der Glaskugeln, daß das Wasser über den Tisch spritzte, und bumste schwer gegen die Wand.
„Nu hol mi noch mol förn Buern!“ rief Störtebeker draußen, nahm seine Pantoffeln in die Hand und sauste auf Strumpfsocken davon, wie ein gejagter Hase, hast du nicht, so kannst du nicht — bang bün ik ne, ober lopen kann ik fix! Der Schuster wollte ihm nach, aber ehe er so weit war, war der Junge schon längst über Heide und Zaun. Da lasen die beiden die Splitter auf, nagelten ein Stück Leder vor das Fenster und gelobten große Rache.
Störtebeker war weit genug gelaufen und zog seine Pantoffeln wieder an. Seine Strümpfe waren klitschennaß geworden, denn er hatte auf seiner Flucht zwar über alle Patten springen wollen, aber es war ihm nicht immer gelungen, und dann saßen sie auch voller Schlick. Er konnte sich zu Hause nicht damit sehen lassen, wenn er nicht eine Tracht Knüppelholz riskieren wollte, das war ihm klar. Und da kam er bei und kletterte die Stegel hinunter, setzte sich hinter eine dicke, hohle Wichel, daß er vom Deich nicht wahrgenommen werden konnte, und wusch die Strümpfe im Graben, bis sie wieder rein waren, wrang sie aus und hängte sie zum Trocknen auf, sah den Sperlingen zu, bis die Strümpfe einigermaßen trocken waren, und zog sie dann getrost an.
„Klor is de Käs!“ sagte er zu den beiden kleinen Jungen, die ihm bewundernd zuguckten, und lief nach Hause. Jan Husteen, der Elbfischer, den sie seines Lieblingsessens wegen allgemein Jan Sturenzupp nannten, rief ihm nach: „Störtebeker, du kummst ne mihr mit, dien Vadder is all weg!“ „Wat schull he woll?“ rief der Junge erregt und lief schneller, aber er kam doch zu spät, denn das Haus war leer, da war kein Vater mehr und kein Kap Horn, kein Hein Mück und kein Seemann: sie waren schon alle an Bord, und als er verstört hinausrannte und Utkiek hielt, da sah er den Ewer schon bei Nienstedten unter Segeln treiben.
Er hätte brüllen mögen, so überkam es ihn: „Is Vadder all weg? Worüm hett he mi denn ne Adjüst seggt, Mudder? He wull mi doch Adjüst seggen!“
„Neem kummst du her, Junge? Neem büst du wesen?“ fragte sie dagegen, „wi hebbt di soveel ropen un allerwärts söcht! Vadder wull di so giern Adjüst seggen un hett noch en ganze Tied no di teuft!“
„Och wat!“ gnitzte Störtebeker, der traurig und zornig war, „harr he denn ne noch en betjen stoppen kunnt? Ik bün jo man bloß eben langsen Diek ween! Vadder mütt mi doch Adjüst seggen un ik mütt em ok doch Adjüst seggen! Dat geiht jo gorne anners, Mudder! Minschenkinners ne, wat is dat ok doch all för Krom!“ Und er stand auf dem Deich und blickte mit dunkeln Augen und finsterm Gesicht nach dem Ewer, der mit glockenhellem Klippklapp des Spilles den Anker hievte und dann das Boot auf Deck tallte. Es wollte ihm nicht in den Kopf hinein, daß sein Vater fahren konnte, ohne ihm Adjüst gesagt zu haben, und er dachte: wärst du doch bloß nicht nach dem Schuster gelaufen, dann hättest du deinen Vater noch gesehen!
Wirklich hatten sie mit allemann nach dem Jungen gerufen, als es Hochwasser werden wollte und die Zeit gekommen war, daß sie an Bord mußten. „Störtebeker! Störtebeker! Klaus! Klaus Mees!“ schallte es über den Neß. Auch Kap Horn und Hein Mück riefen mit und sogar der kluge Seemann gab ein kurzes Bellen drein, aber der Junge war nicht hier und nicht wir zu werden, auf keinem Bug lag er an und kam nicht und kam nicht. Da mußten sie endlich los, ohne ihn gesehen zu haben, wenn sie nicht die Tide verpassen wollten. Klaus und Gesa schieden aber mit Widerhaken im Herzen, die ihnen weh taten, denn er hatte sie im Verdacht, daß sie den Jungen weit weggeschickt habe, damit er nicht im letzten Augenblick noch mitgenommen werden könne, sie dagegen konnte den Gedanken nicht los werden, daß er den Jungen an Bord versteckt halte, um ihn doch mit nach See zu nehmen und dann nachher zu sagen, es habe nicht anders gemacht werden können.
Das verbitterte ihnen den Abschied.
Als Gesa nun den Jungen wieder hatte und sah, daß sie ihrem Mann unrecht getan hatte, kam die Reue über sie und sie winkte vom Bodenfenster mit der großen Dweel, der leinenen Tischdecke, bis er es sah und seine deutsche Flagge dreimal grüßend dippte, denn sein Unmut war längst verweht, seitdem er wieder als Fahrensmann an Bord stand und seine Segel über sich hatte. Es war eine Lust, zu fahren! In der weiten Runde, welch ein reges Leben, welch ein freudiges Arbeiten! Da war nicht ein Ewer, nicht ein Kutter, nicht eine Jolle, auf denen es still war: überall eisten sie, trugen Segel und Proviant herbei, hievten die Anker, setzten die Segel, ließen die Gaffeln knarren und schipperten einer nach dem andern aus der großen Rinne, die schon ihren Namen bekommen hatte und Klaus Mees sien Lock hieß. Draußen ließen sie sich mit dem Ebbstrom daltreiben, denn es war gar keine Kühlung. Der erste aber war Klaus Mewes mit seinem „Laertes“, dem die norddeutsche Flagge von der Besan hing.
So güngen se up de Schullen dol.
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Störtebeker stand noch auf dem Deich, als wenn er dort angewachsen wäre, sah nach dem Ewer, der unter der gründachigen Nienstedter Kirche kreuzte, und grübelte, ob es wohl darum so gekommen sei, weil er bange gewesen war. Da hatte er ja gleich die Strafe für seine Bangbüxigkeit: er war nicht mitgekommen nach See СКАЧАТЬ