Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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»Thut, was Euch beliebt und Ihr verantworten könnet,« erwiderte die Jungfrau.
Addrich nickte zustimmend. Gideon erbrach das Siegel und öffnete das Kästchen. Das Innere desselben war mit einem Päckchen angefüllt; dieses wiederum in Papier gewickelt, ließ beim Entfalten in zierlicher Handschrift die Worte lesen: »Mein Kind, geliebte Epiphania, ziehe nach Aarau zu Deinem Taufpaten, dem wohlehrwürdigen Herrn Dechanten Nüsperli, und verweile bei ihm, bis ich komme. Erfülle mein Wort und Dein Glück. Ich bin in dieser Welt Dein wahrhafter und getroster Freund.«
Epiphania, obwohl sie nicht zu lesen verstand, betrachtete doch mit unruhiger Neugier alle einzelnen Züge der Buchstaben und sagte: »Stehet das auch wirklich so? Wer ist er denn? Lies seinen Namen!«
»Er heißt Herr Ohnenamen, weil er weder Namen noch Namenszug zugefügt hat,« versetzte Gideon lachend
»Ich beteuere,« rief Addrichs Nichte, »daß ich niemals mit einem Manne dieses Namens Bekanntschaft gemacht habe,«
Inzwischen rollte Gideon ein zartes Gewebe vom feinsten Gespinnst aus, welches für den geringen Raum, den es einnahm, eine beträchtliche Größe hatte, und schließlich ein mit seltsam gestalteten Blumen durchzeichneter Schleier war. War die Überraschung aller groß, so wurde sie es noch mehr, als zuletzt eine Schnur helldurchsichtiger, großer, orientalischer Perlen von gelblichem Wasser sichtbar wurde, dabei in ein Papier eingeschlagen zehn venetianische Dukaten. Gideon klimperte mit diesen auf dem Tische und rief: »Zum Henker! Insgesamt echte Schildfranken! Schaut her!«
Addrich, der mit wachsendem Befremden abwechselnd den Schleier und die Zahlperlen musterte, sagte: »Bettelei, das Gold da! Aber den Wert dieses Gewebes aus Indien, dieser Perlenschnur kann im ganzen Schweizerlande keiner beurteilen; es ist unschätzbar. Das ist ein Königsgeschenk. Faneli, Du bist an Deinem Geburtstage aus einer armen Waise ein reiches Mädchen geworden.«
Epiphania, die eine Zeit lang mit kindischer Verwunderung bald das indische Gespinnst, bald die schimmernde Schnur beschaut und betastet hatte, schob beides zurück und sagte: »Was soll mir das? Weib, ich nehme es nicht von Dir und Deinem Unbekannten, und könnte ich ein Königreich dafür kaufen.«
Die Frau weigerte sich, das Geschenk zurückzutragen. Man besprach die Sache, die allen mehr als rätselhaft erschien, lange. Addrich richtete eine Menge Fragen an die Überbringerin der Kostbarkeiten, ohne wegen des Absenders mehr Aufklärung zu erhalten, als er schon hatte. »Gelt,« sagte Gideon zu Epiphania mit Bitterkeit in Blick und Wort, »wenn man Dir sattsam Gewähr und Bürgschaft leisten könnte, daß Fabian der freigesprochene Spender solcher Kostbarkeiten wäre, Du würdest sie keineswegs verschmähen. Aber – so wahr Gott lebt – ich würde das Spinnenweblein alsbald in Fetzen reißen und diese blaßgelben Kirschen von Muschelglas in meiner Faust zu Staub zermalmen.«
Er hatte diese Worte noch nicht vollendet, als man eine Stimme vernahm, die dazwischen: »Fabian! Fabian!« rief. Jeder sah bestürzt umher, dann blickte einer dem andern fragend in die Augen. Es war eine zarte, klare Stimme gewesen, gleich der eines kaum einjährigen Kindes, aber Durchdringender. Es ließ sich nicht bestimmen, von welcher Seite des kleinen Gemaches sie erschollen war. Gideon ging musternd und horchend längs den Wänden hin und schob die niedrigen Doppelfenster in ihre Falze zurück, um über die Blumengeschirre hinauszuschauen, ob sich jemand eine Neckerei erlaubt habe. Er traute sie dem kecken Fabian selbst oder dem kindisch-unbesonnenen Änneli wohl zu. Frau Käthli Gloor von Seon war blaß geworden, schüttelte sich und sagte halblaut: »Alle guten Geister loben den Herrn! Man weiß wohl, in welcher Gesellschaft man ist, wenn Ratten und Mäuse deutsch reden.« Indessen hatte Addrich weder Stellung noch Miene geändert, sondern mit der ihm eigenen widerlich freundlichen Geberde, aus welcher eine Tücke zu lachen schien, sagte er zu Epiphania: »Wozu bedarf's des Kopfbrechens, wer Dir den Schatz da sendet? Dein Schrätteli meldet sich selbst an.«
Mit begeisterungsvollem Lächeln erwiderte die Jungfrau:
»Spotte und läugne den Himmel mit seinen Sternen hinweg, er wölbt sich dennoch über Dir. Ich weiß, an wen ich glaube, und daß das Heer Gottes größer ist, als all die Menschenzahl aus Staub geschaffen. Das ist die Stimme, die schon zu mir geredet hat. Sage jetzt, meine Ohren hätten geträumt, Addrich.«
Gideon, von seiner fruchtlosen Untersuchung zurückkehrend, schüttelte den Kopf und sagte: »Der Teufel will uns hier einen Schabernack spielen und lacht heimlich in die Faust dazu. Fania, ich mag von Dir nicht gotteslästerliche Sachen glauben. Doch sind mir traurige Beispiele von ehrbaren und schönen Jungfrauen bekannt, die nachmals als Hexen auf dem Scheiterhaufen brannten, welche aber damit angefangen, sich zu St. Andreasnacht in Beelzebubs Namen einzusegnen, oder sich in dessen Namen um Mitternacht auf einem Kreuzwege der Länge nach niederzulegen und die Arme kreuzweis auszustrecken, oder am St. Johannisabend Farrnsamen und Alraunen zu graben, oder andere Teufelswerke zu treiben, alles, um Geld vollauf und einen Mann zu bekommen, nach dem ihr verbuhltes Herz gelüstete.«
Während der Hauptmann fortfuhr, in dergleichen sonderbaren Redensarten einigen abergläubigen Besorgnissen Luft zu machen, würdigte ihn Epiphania keines Blickes, sondern legte schweigend Schleier und Perlenschnur zusammen, auch die goldenen Schildfranken dazu, alles ins Kästchen, und steckte dasselbe, nachdem sie es wieder geschlossen hatte, in das Lederbeutelchen, welches ihr an der Seite vom Gürtel an einer dicken Seidenschnur herniederhing.
»Nun will ich,« sagte sie zu der Bäuerin, »was Du gebracht hast, als mein Eigentum empfangen und verwahren, und gegen die Unsichtbaren nicht durch Mißtrauen sündigen. Gehe heim und sage dem Geber: Du habest Dein Geschäft verrichtet; sein Geschenk aber solle unberührt bei mir liegen, bis ich wüßte wer er sei und in welchen Absichten er Dich gesandt habe.«
»Welches Zeichen soll ich ihm aber von Dir bringen, um zu beweisen, daß ich seinen Auftrag ehrlich vollzogen habe?« fragte die Bäuerin. »Er begehrte von Deiner Hand eine geschriebene Zeile oder von Deinem Haupte eine Haarlocke.«
»Hüte Dich, Fania,« rief der Hauptmann, »ihm den geringsten Teil Deines Körpers zu behändigen, und wäre es auch nur ein abgeschnittenes Stückchen von den Nägeln Deiner Hände. Du läufst Gefahr, daß damit durch die vermaledeite Nekromante oder schwarze Kunst ein gräulicher Mißbrauch getrieben werde, zum Nachteil Deines eigenen Leibes und Lebens.«
Epiphania schauderte. »Wüßte ich nur, wer es empfangen soll,« sagte sie halblaut.
Da plötzlich erklang wieder die wunderbare Stimme: »Fabian! Fabian!« Während alle, selbst Addrich, bei diesem Rufe umherblickten, jeder nach einer andern Gegend des Gemaches, nahm Epiphania eine Scheere vom Fenster, schnitt einen kleinen Teil ihres Haares ab, das sich am Halse hinter ihrem Ohre zu einer natürlichen Locke gebogen hatte, und gab es dem Weibe mit den Worten: »Den Namen führt der böse Geist nicht im Munde. Nimm hin!«
»Ich untersage es Dir, kraft meines Rechtes über Dich!« schrie der Hauptmann. »Ich will meine Braut lieber im Sarge, als in des Satans Klauen sehen.«
»Unsinniger!« rief Epiphania. »Sie haben so wenig Recht über mich, als Deine eigenen Klauen. Mit dem Namen des dreieinigen Gottes banne ich die Hölle, und mit den Namen Fabians die höllische Kunst, die Du an mir bewiesen hast. Gehe, gehe, Deine Fallstricke sind zerrissen, in denen Du mich zur Sünde hinabzustürzen dachtest. Du wirst meine Sinne nicht mehr mit Deinem Hauch betäuben, meine Gedanken nicht mehr mit Deinem Zauber besudeln.«
»Bist СКАЧАТЬ