Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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Nachdem die Gäste Addrichs von dem gesprächigen Weibe alles, was sie wollten, erfahren hatten, mußte Baschi die Erzählerin unter dem Vorwande ins Haus führen, sie mit einem Abendtrunk zu erquicken. Indessen wurde draußen beraten, wie jeder mit Sicherheit wieder aus dem Moos in seine Heimat gelangen könne, denn es dünkte, bei den eingekommenen Nachrichten, keinem mehr ganz geheuer in der Gegend. Leuenberg wählte den Weg über die Bampf, in Schybis Gesellschaft, gegen Willisau und Hutwyl. Der Untervogt von Buchsiten und der alte Ulli Schad wollten versuchen, über Schöftland und Ürkheim nach Olten zu entkommen. Gideon Renold hingegen blieb, unter Einstimmung aller, zurück, damit er helfen könne, den Aargauer Landsturm zu ordnen und gegen Aarau zu führen.
Fußnoten
1 Die Amts- und Kanzeltracht der reformierten Geistlichen in der Schweiz.
17.
Das kostbare Geschenk.
Sobald Addrich seine Gäste entlassen hatte, kehrten auch er und Gideon ins Haus zurück, wo ihnen Baschis und Käthis Gezänk aus der Stube schon wieder entgegenscholl. Der Alte stiftete, nicht ohne Mühe, zwischen beiden einen Zungenstillstand, der lange genug dauerte, um der Frau die Frage vorlegen zu können, welches Geschäft sie ins Moos geführt habe?
»Meister,« rief Baschi, »ist der Teufel der Vater der Lügen, glaubt mirs, so ist hier die Mutter dazu, denn sie kann den Mund nicht öffnen. ohne daß eine Unwahrheit zur Welt kommt, so lang und breit, als das Weib selbst. Unterwegs behauptete es, mit Jungfrau Epiphania reden zu müssen, jetzt leugnet es alles.«
»Was habe ich mit Deinem Spionengesicht zu schaffen, Du aberwitziger Gesell?« entgegnete das unerschrockene Weib. »Was Dich nicht beißt, hast Du nicht zu kratzen; komme zu mir am St. Nimmertag, wenn die Schnecken bellen, dann sollst Du alles erfahren. Jetzt habe ich keine Aufträge für Dich, sondern ich suche des Moosers Bruderstochter.«
»Ruf' Epiphania herbei!« sagte Addrich zu Baschi.
»Mit Erlaubnis!« fiel Käthi Gloor ein. »Ich muß ihr den Auftrag unter vier Augen ausrichten; das hat mir der Herr ausdrückt befohlen, der mich schickt, und wenn mir . . . .«
»Was für ein Herr?« unterbrach sie Gideon, der jetzt aufmerksam wurde.
»Wen ich nicht kenne, den ich nicht nenne,« antwortete sie. »Allein das dürfet Ihr mir zutrauen, daß ich nicht schlechter Leute Briefe trage. Der Herr ist wenigstens so gut wie Ihr alle und hat vielleicht ehrlicher Weise so viel Geld als der reiche Addrich . . .« Hier unterbrach sie sich selbst und fragte: »Ist einer von Euch der Mooser?«
»Der bin ich,« sagte Addrich.
Die junge Frau erschrak, betrachtete den Alten und wurde von nun an einsilbiger in ihren Antworten, die sie auf Addrichs und Gideons dringendes und wiederholtes Fragen erteilte. Ihre Zurückhaltung erregte Gideons und Addrichs argwöhnische Neugier. Beide besprachen sich leise und führten sie dann hinauf in Epiphanias Gemach, wo Addrich seiner Nichte erzählte, daß ihr die Frau von einem Herrn geheime Mitteilungen zu machen habe.
Epiphania fragte die Bäuerin mit flüchtigem Erröten: »Nicht so, Dich schicket Fabian von der Almen?«
»Mag er heißen, wie er will,« antwortete die Frau. »Er hat mir seinen Namen nicht genannt, aber fünf Gulden für den Gang zu Dir gegeben, und wenn Du mir etwas giebst, irgend eine Schrift oder ein anderes Wahrzeichen, daß ich meinen Auftrag ausgerichtet habe, wird er unser Haus noch besser beschenken. Er ist ein reicher, freigebiger Herr und hält gewiß Wort. Sein Gesicht ist die Ehrlichkeit selbst. Wir sind blutarme Leute und können's wohl brauchen. Meine Kinder hat er geliebkost, eins nach dem andern, als wären es seine eigenen.«
»Das ist er!« rief Epiphania, in stiller Freude aufglühend »Seinen Namen weißt Du nicht? Sprach er von meinem Geburtstage und ob ich die Blumen gefunden? Warum kommt er nicht selbst? Was hält ihn zurück? Beschreibe ihn doch! Nicht so, er ist blaß und etwas abgezehrt? Das glänzende Feuer seiner Augen ist erloschen? Trägt er das blaue Sammetbarettchen, das ihm zu seinem lichtbraunen Haar so gut stand? Ach, der arme, junge Mensch, er hat viel gelitten!«
Gideon warf einen finstern Blick auf Epiphania und sagte: »Es wäre passender für Dich, Deine unschickliche Zuneigung zu unterdrücken, wenigstens in meiner und Deines Oheims Gegenwart. So redet keine verlobte Jungfrau, welcher an dem Rest ihres guten Rufes etwas gelegen ist.« . . . Dann wandte er sich zu der Bäuerin aus Seon und sprach: »Gehe nur heim, Du möchtest Dir einen schlechten Kuppelpelz verdienen, denn Du hast mit einem ausgebrochenen Schellenwerker zu schaffen gehabt, den zweifelsohne schon Steckbriefe verfolgen, Vermutlich hat er Dir, als Handgeld auf die Belohnung, fünf falsche Gulden gegeben.«
»Nein, Ihr irret Euch beide,« erwiderte das Weib. »Wenn auch der alte Herr jemals im Schellenwerk gewesen ist, so gefiele mir – bei meiner Treu! – der Vogel besser als sein Nest; bei Dir aber, Du Rohrsperling, ist mir's umgekehrt zu Mute. Sehet doch den schamlosen Gesellen! Kuppelpelz! Schaue Dich zuerst im Spiegel. Was Kuppelpelz? Ich bin guter Leute Kind und treibe vielleicht ehrlicheres Gewerb als Du. Lieber recht Nichts, als schlecht Etwas . . . . Und Du, Jüngferchen,« fuhr sie zu Epiphania gewendet mit freundlicherem Tone, indem sie geheimthuend den Kopf schüttelte, fort, »siehe Dich vor! Man muß nicht sogleich jedem zeigen, was man im Herzen oder im Sack hat. Ich darf Dir aber wohl sagen, den Du meinst, der ist's nicht, aber doch Dein Freund, trotz seiner grauen Haare, und trotz seiner dicken Schramme über die linke Backe. Er sieht auch nicht danach aus, falsche Gulden zu geben, denn er war in einem schönen Wagen nach Seon gefahren; trug ein Barettchen von schwarzem Sammet mit Goldschnüren und einen schwarzen, kostbaren Leibpelz, mit Seidenschnüren auf der Brust. Man kann nichts Vornehmeres sehen; man sollte ihn für einen Prinzen oder Schultheißen halten«
Alle horchten bei dieser Rede mit Verwunderung auf; nur Epiphania schüttelte unzufrieden das Köpfchen und sagte: »Den kenne ich nicht; der hat Dich wohl nicht zu mir gesandt.«
»Bist Du nicht,« sagte die Frau, »des Moosers Bruderskind?«
»Dieser ist mein Oheim,« antwortete Epiphania und sah den Alten an.
»So bin ich recht bei Dir. Komme, daß ich Dich allein spreche,« sagte die Botin,
»Nein,« versetzte Epiphania, »rede offen vor allen. Ich habe mit keinem Mann in der Welt ein Geheimnis, und will es mit keinem haben.«
Die Frau, in Verlegenheit gebracht, schien mit sich selber Rat zu halten; sie drängte sich dicht an Epiphania, der sie in's Ohr flüsterte: »Sei kein Närrchen, nimm und verbirg eilig, was ich Dir von ihm bringe. Begieb Dich nach Aarau, zum Dekan Nüsperli; dort lebst Du sicher. Dort wirst Du von dem steinreichen Herrn, von Deinem unbekannten Freunde, mehr erfahren.« Mit diesen Worten hatte sie ihr ein kleines versiegeltes Kästchen in die Hand geschoben. Epiphania legte aber dasselbe unwillig auf den Tisch. Es war von schwarzem Ebenholz, auf dem Deckel und an den Rändern künstlich mit Gold und Perlmutter ausgelegt.
»Das ist chinesische Arbeit,« sagte Addrich, indem er die Truhe, ohne sie anzurühren, betrachtete. »Ich habe dergleichen zu Tranquebar und Batavia, doch nur in den reichsten Häusern, als kostbares Schaustück gesehen.«
Hauptmann Renold nahm das Kästchen in die Hand und betrachtete es mit einer Miene, in welcher sich Erstaunen und eifersüchtiges Mißvergnügen nicht verbergen СКАЧАТЬ