Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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»Daß doch den Schluckern die Bänder und Ketten zu hänfenen Halsschlingen werden möchten!« unterbrach ihn Christen Schybi ärgerlich. »Wir Landleute sollen und wollen ehrlicher handeln, und nicht, wie Du uns raten willst, fremden Buhlen nachlaufen. Wenn Edelleute einer schönen Bauerntochter, und große Fürsten einer freien Republik den Hof machen, hegen sie beide gleich schlechte Absichten. Meinst Du, man schenke Ketten und Bändchen umsonst? Sie wollen daran unsere Ratsherren schleppen. Alle Gnadengelder, die sie ausgeteilt haben, sind ebenso viele der schweizerischen Unabhängigkeit gegebene Gnadenstöße gewesen. Beim Sannitlaus! Untervogt, wir Eidgenossen wären wert, Disteln zu fressen, wenn wir unser Lamm vom Wolf, wenn wir unsere Freiheit von ausländischen Potentaten bewahren ließen.«
Ohne Ausnahme und überlaut äußerten alle ihre Zustimmung zu Schybis Worten. »Mit Gunst, Ihr Herren!« rief nun Gideon Renold. »Ich glaube beinahe, daß es Hans de la Barde, Marquis de Marolles, gelüstet, uns zu schmeicheln; denn seines Königs Ehrgeiz ist es, die Pässe über das Alpengebirge zu besetzen, festen Fuß über dem Rheine zu fassen, und damit Deutschland und Wälschland im Zaume zu halten. Trauet listigen Versprechen nicht! Unsere Thäler würden alsobald von Franzosen wimmeln; ihre angeborene Leichtfertigkeit würde uns ihre Gebräuche, Sitten und Laster einflößen. Wir sollten vielmehr unsere Schanzen wahren und mit den tapferen Deutschen zusammenhalten, auf daß durch französische Einmischung unserem Lande kein Schaden erwachse.«
Da fuhr der Untervogt heftig auf und rief: »Gelt, Hauptmann Renold, zuletzt riefest Du die Schweden auch noch. Hole Beelzebub samt seinen Heerscharen herbei. Behüte Gott mit seinen Heiligen die Schweiz vor jenen Beschützern der Freiheit! Wie haben sie es in Deutschland getrieben? Gotteslästerer, Schnapphähne, Straßenräuber, Buschklepper, Strauchdiebe, welche sozusagen im Mutterleibe zu stehlen anfangen . . . das waren sie, aber keine Soldaten! Gottlose Kirchenräuber haben sich unter ihnen gefunden, welche die Monstranzen, Kelche und andere silberne und goldene Gefäße stahlen, um Saufgeschirr daraus zu schmieden. Chorröcke, Kaselen, Meßgewänder, geweihte und Altartücher mußten ihnen Kleider abgeben. Ja, die Heiligen samt dem Wachs ließen sie in Tiegel senken. Die Nonnen haben sie in den Klöstern geschändet und hernach spöttisch vorgegeben, sie hätten sich nur mit unseres Herrgotts Schwestern befreundet. Viele haben die Toten ausgegraben, die Sterbekittel gestohlen und mit den Totenköpfen auf den Kirchhöfen um Geld gekegelt und Ball geschlagen.«
Dem Hauptmann Renold fuhr bei dieser Rede das Feuer des Zornes über Wangen und Augen. »Untervogt,« schrie er, »warum siehst Du mich dabei an?«
Leuenberg, der bisher immer geschwiegen hatte, unterbrach ihn rasch und rief mit starker Stimme: »Denket ans Sprichwort: Eingenoß baut, Zweigenoß zerstört. Vergönnet, Ihr Herren, daß ich, ohne Euch vorzugreifen, meine Meinung mitteilte, denn die Zeit siegt mit der Schnelligkeit des Blitzes. Gleichwie vor Alters in den Urländern die Telle mit ihrem Blute und mannhaften Sitten gehandelt und keine andere Gewähr ihrer Sache begehren wollten, als Gott, ihr Schwert und ihr Recht, also sollen wir mit Wahrheit, Treue und Glauben bei allen unseren Handlungen sein, und keinem vertrauen als uns selbst, unserm Schwert, unserm Recht und dem Gott unserer Väter. Ein jeglicher Staat, welcher durch fremde Gewährleistung aufrecht erhalten wird, ist nur ein Sterbender, der noch von unsicheren Arzneien lebt. Dieweil wir noch festes, gesundes Gebein haben, warum sollen wir an der Franzosen oder Deutschen hölzernen Krücken hinken? Was Fürsten geben, ist nur auf wucherisches Unterpfand dargeliehen. Wer das Kränzchen der edlen Freiheit nicht aus eigener Kraft im Siege erlangen und sich aufsetzen kann, dem ist sein Besitz vom Himmel nicht bestimmt. Er würde die Kette der Tyrannen küssen, sobald ihm der Tod schmählicher dünkt.«
»Das heißt gesprochen wie ein Ehrenmann!« fiel ihm Addrich ins Wort.
»Verstehen wir uns jedoch recht,« fuhr Leuenberg fort. »Was begehren wir von den Städten? Neue Freiheiten? Nein! Nur das Recht, was unsern Altvordern zugehörte, was ihnen besiegelt und verbrieft war, und ihnen im Laufe der Zeiten allmählich aus der Hand gespielt worden war. Erkennen wir unsere Obrigkeiten und Regierungen nicht mehr an? Mit nichten! Wir ehren zur Stunde das hochobrigkeitliche Ansehen derselben mit aller Treue in allen ehrlichen Dingen. Warum nennen sie uns Rebellen? Wir sollen, sagen sie, unsere Beschwerden auf gesetzlichem Wege vorbringen. Haben wir denn nicht unterwürfig über die Schmälerung unserer Freiheiten, über die neuen Lasten und Abgaben, über die Hartherzigkeit und Hoffart der Landvögte geklagt? Warum trieben sie unsere Boten mit Schimpf, Schande und harten Drohungen fort? . . . Was bleibt uns also übrig? Das Recht des Landes ist so Recht, wie das Recht der gebietenden Stadt, und der Bauer ist fürwahr in seiner Haut ein Mensch, so gut und so gewiß als der Patrizier in der seinigen. Sind wir Rebellen, treulose, meineidige, verdorbene Leute, wie uns das Manifest von Baden schilt, so sind es die alten Helden für Erhaltung ihres Rechtes in den drei Ländern auch gewesen.«
Der Untervogt von Buchsiten unterbrach ihn hier ungeduldig und sagte: »Wozu wiederholst Du das Weltbekannte? Zur Sache, zur Sache geschritten!«
»Nun denn, zur Sache!« versetzte gelassen Niklaus Leuenberg. »Der ungerechte Übermut der Städte in der Eidgenossenschaft, welcher sich alles zu wagen erlaubt, hat mit dem Stanzer Ereignis Anno 1481 begonnen. Damals gaben sie sich Hand und Wort, einander wider das Volk in allen Dingen Beistand zu leisten. Von dieser Zeit an konnten die Stadtkälber jedes Recht, das ihrem Eigennutz beliebig war, wie Gras fressen, und sie haben auch den Bund wider eigene Untertanen allezeit treuer, als den Bund gegen auswärtige Feinde gehalten. Damals sprang der Demokrat dem Aristokraten und der Protestant dem Katholiken bei, wenn es der Niedertretung Recht begehrender Landleute galt. Gelt, Schybi, das freie Unterwaldnervolk zeigt jetzt über die Stadtmauern der Herren von Luzern den Entlebuchern schön die Zähne?«
Schybi verzog das Gesicht verdrießlich und sagte: »Die von Ury, Schwyz und Unterwalden sind in ihren Ländern nicht demokratischer, als es Zürich, Bern und die anderen Städte hinter ihren Ringmauern sind; aber alle Vettern und Gevattern sind untereinander gegen die Unterthanen.«
»Wohlan denn!« rief Leuenberg. »Die Herren schlossen ihren Bund. Wir haben dasselbe Recht zum Bunde für unsere Freiheiten. Lasset uns neben der Eidgenossenschaft der Herren eine Eidgenossenschaft des Volkes gründen. Jede Landschaft der Schweiz soll eingeladen werden, unserm Bunde beizutreten; einer jeden soll dieser Bund die Freiheiten und Gerechtsame gewährleisten, die sie nachweist; keine darf mehr fordern, als von ihrer Herrschaft verbrieft gewesen und gebührlich ist. Keine Landschaft darf fernerhin eigenmächtig mit den Städten unterhandeln. Entlebuch und Emmenthal, Luzerner Volk und Oberland nebst Aargau, Solothurner und Baseler Gebiet treten zuerst in das Volksbündnis ein und beschwören es. Dies muß in Manifesten durch alle Kantone und Vogteien öffentlich bekannt gemacht und den Regierungen in Städten und Ländern ihre unverletzten Rechte vorbehalten werden. Das ist mein Sinn. Was saget Ihr? Addrich, Du hast noch nichts gesprochen,«
»Was soll ich über die Thorheiten sprechen?« erwiderte Addrich mit einem Lächeln, worin die Bitterkeit des Mißmuts über seine getäuschten Erwartungen zu sehen war. »Ihr Leute taugt weder zum Kriege, noch zum Frieden, weder zum Gehorchen, noch zum Befehlen. Darum sehe ich den Anfang der Dinge klar voraus und Euch alle der Reihe nach in Armensündergestalt mit verbundenen Augen auf dem Sandhaufen, und Eure Köpfe unter dem Schwerte des Scharfrichters tanzen. Ihr habt den Stein aufgehoben und geschleudert, jetzt, wo er aus der Faust ist, beratet Ihr, wohin er fliegen, wohin er treffen müsse? Geht, geht, Ihr habt das Spiel bei der ersten Karte verloren und ich mit Euch. Ich vermutete bei Eurem Verstande eine richtigere Ansicht.«
Hier brach der mürrische Alte barsch ab, stand vom Stuhl auf und warf diesen zur Seite. Die übrigen, in nicht geringer Bestürzung, sprangen zu ihm und beschworen ihn, zu reden.
»Eitle Mühe!« rief Addrich. »Wen СКАЧАТЬ