Название: Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788027214945
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»Gideon,« antwortete sie bebend, »mißbrauche meine Verwirrung nicht, Unmensch, denn ich würde jeden Eid brechen, den ich Dir schwöre, und darum doch nicht meineidig sein. Ich sterbe, ich vergehe in einem bösen Feuer an Deiner Brust. Ich verabscheue mich, und kann mich nicht ermannen. Ich fühle die Hölle des Entzückens, und mag ihr doch nicht entkommen. O Du bist nicht ehrlich mit mir zu Werke gegangen; Du bist liebenswürdig genug, warum denn hast Du mirs noch angethan durch verbotene Künste?«
»Fania, Du redest lästerlich und gottlos,« sagte Gideon. »Ich bin ein ehrlicher Mann und in reinster Zuneigung Dir zugethan. Ich rufe den Himmel zum Zeugen!«
»Ja, Du hast mich mit einem Liebestranke vergiftet, Gideon . . . verzeihe Dirs Gott! Und wenn Dich meine Arme fester umschlängen als Ketten, mein Herz stieße Dich Dennoch zurück. Du bist ein anderer als andere Menschen. Ich fühle mich an Dich gebannt; sobald ich in Deine Nähe trete, wird mein Inneres dunkel, wie verschlungen von einem Nebel, wie verzehrt von einer Glut, von einer . . . o ich muß schweigen, ich vergesse Pflicht und Würde. Selbst das Gebet rettet mich nicht.«
»Verkenne Dein Herz nicht, holdselige Fania. Du liebst mich, das ist die süße, die allgewaltige Macht einer Leidenschaft und keine nekromantische Kunst.«
»Rede nicht, Gideon, o nichts mehr! Du könntest mich auch zum Altar schleppen: aber ich würde Dich doppelt verabscheuen. Du würdest Dein Opfer nur vollenden: ich würde zur Leiche. Meine Schmach bringt Dir keinen Ruhm; nicht Deine Tugend oder Deine äußere Schönheit, nein, Dein Liebestrank hat mich bis zum Wahnsinn vergiftet.«
»Nun, beim Himmel!« rief Gideon. »Hier erlischt das Licht meines eigenen Verstandes. Was redest Du von einem Tranke? Ich will eher glauben, ein neidischer Belialsbruder habe sympathetische Mittel an Dir versucht, um mir einen schlechten Dienst zu erweisen und Dein liebes Herz von mir abwendig zu machen; denn so feindlich bist Du doch sonst nicht gesinnt gewesen. Wenn Du mich auch zuweilen mit Deiner spröden Laune zurückwiesest, dennoch kam es nie zum völligen Bruche. Du liebst mich. Beruhige Dich, mein einziges und schönstes Leben.«
»So entlaß mich aus Deinem Arme, so fliehe dies Haus, dies Thal; so meide mein Angesicht ewig; so erscheine mir auch sündlicherweise nicht mehr in Träumen, die Du durch gottlose Kunst hervorbringst. Du willst mich zum Kinde der Verdammnis machen, ich weiß es wohl. Gott wird es verhüten. Mein guter Engel hat mich nur auf eine kleine Weile verlassen . . . Du bist mein böser!«
Indem sie dies sagte, riß sie sich mit dem Aufwande aller ihrer Kräfte los und trat von ihm zurück. Ihr Busen war in stürmischer Bewegung, ihre Wangen glühten hochrot; ihre Blicke aber hingen mit dem Ausdruck der zärtlichsten Leidenschaft und zugleich des tiefsten Mißtrauens unverwandt an ihm.
»Ich Dein böser Engel?« sagte er lächelnd. »Ei, Du abergläubisches, närrisches Kind, und wer ist Dein guter, wenn ich's nicht bin?«
»O, Du nicht, Gideon, Du nicht! Du bist der Versucher, und jeder Gedanke an Dich wird eine Sünde. Verstelle Dich ja nicht; Du weißt es wohl, Dein Blick, Deine Stimme, Dein Atem, Dein Berühren verwandelt mich, macht mich zur Leibeigenen Deiner Gedanken. Weiche von mir, dann gehöre ich mir und Gott wieder an.«
»Fast möchtest Du mich überreden, Fania, es sei Zauber zwischen uns, Du liebst und hassest im gleichen Augenblicke. Wie ist dies möglich? Du liebst und quälst Dich vergebens mit leeren Einbildungen. Meine Abwesenheit verändert nichts, denn Deine Gedanken werden mich doch nicht verlassen.«
»Nein, Gideon, glaube mir, so oft Du noch von mir geschieden bist, ist auch das Fieber gewichen, Du warst vergessen, als hätte Dich Gott noch nicht erschaffen gehabt. Wenn ich Deinen Namen dann hörte, war es nichts mehr, als ob man in fremder Sprache redete. Nur Scham oder Reue hätte mich noch martern können, wenn ich nicht gewußt, Du habest mir's durch gottlose Kunst angethan.«
»Ich beteure beim Himmel und bei allem, was darin Heiliges ist, meine Unschuld,« rief Gideon tief gekränkt, und schloß Epiphanien wieder in seinen Arm. »Ich lasse aber mein Leben eher fahren als Dich, o höchstes und köstlichstes Juwel! Wundersames Kind, warum erschrickst Du vor Cupidos Pfeil und dem Erwachen Deines eigenen Herzens? Ich vermute, Du erschrickst jeden Morgen auch bescheiden vor dem Spiegel, wenn Du Dich darin allezeit reizender und bewunderungswürdiger erblickst. Fürchte Dich doch nicht vor Dir selbst. Du gestehst auf eine gar erfreuliche Weise, daß Dir noch kein Mann teuer gewesen ist.«
»O, Du Bösewicht, freilich!« seufzte sie, verbarg ihr Gesicht an seiner Brust und legte ihren Arm um seinen Nacken. »Mein Bruder Fabian allein ist meine Seligkeit, Du bist meine Hölle.«
»Fabian!« rief er und drängte Epiphanien von sich. »Nenne den Namen des Berner Verurteilten nicht wieder. Er muß Dich ja blutrot machen, Dir ist sein wüstes Leben, das ihn auf die Galeere brachte, nicht unbekannt. Wie mag ein ehrbares Mädchen den Vagabunden noch Bruder nennen, der keinen Ehe- und Ehrenstand respektiert! Nenne den Namen nicht, ich könnte Dich seinetwegen hassen,«
»Hasse mich, hasse mich!« rief sie hastig. »Wie? Wäre das endlich der Name, das heiligste Wort, wodurch ich Deine Zauberwerke und meine Schande lösen könnte? Nun, so will ich Dir nichts mehr als Diesen Namen in's Ohr schreien. Fabian ist frei! Höre es, er ist unschuldig! Fabian blieb der frömmste Jüngling. Wenn Fabian vor mir steht, lächelt ein Engel, und mein Gemüt lebt in unaussprechlicher Himmelsruhe. Nur wenn Fabian fehlt, leide ich Pein und Sehnsucht.«
»So muß ich Mitleid mit Dir haben, Du wirst an solcher Sehnsucht sterben, dieweil er Dir sobald nicht wieder erscheint. Man sagte, er sei aus Gnade zu den Galeeren verurteilt; er hatte den Strick verdient.«
»Fabian ist frei, Gideon. Fabian ist nicht fern von uns, glaube es! Siehe diese Blumen, Fabian brachte sie in vergangener Nacht.«
Gideon erschrak und starrte Epiphanien schweigend an. Dann strich er mit der einen Hand langsam die schwarzen Locken von seiner Stirn, während sich die andere Hand krampfhaft ballte. Seine Stirn zog sich in dicken, finstern Falten über die Augen nieder, aus denen Blitze schossen, Unnatürliche Röte brannte auf seinen Wangen. Mit Wohlgefallen und Schaudern betrachtete Epiphania die vom Zorn verwandelte schöne Gestalt des jungen Mannes.
»Wenn Du nicht lügst, Epiphania,« sagte er mit gedämpfter Stimme, »so retten alle Heerscharen und Mächte der Erde und des Himmels den Höllischen nicht aus dem Rachen des Verderbens. Tod und Hölle! Bei Dir gewesen diese Nacht? Bei Dir? Du rühmst Dich dessen?«
»Sieh, Gideon, sieh Fabians Wahrzeichen, wie schön sie noch im Glase blühen, rein und anmutsvoll, wie seine lautere Seele. So brachte er sie mir immer, schon da wir noch als Kinder im Thale an der Lenk spielten. Er nahm nicht die Blume, die zunächst blühte; immer stahl er sie unter Lebensgefahr für mich irgend einem unzugänglichen Orte ab, wo die Natur sie nur für sich und die Geister des Gebirges gepflanzt hatte. Wenn wir hoch bis zum Himmel in die Alpen des Rawyl hinaufstiegen, kletterte er noch bis zu den blaugrünen Schrunden des Rätzligletschers. Am Oswaldtage, wenn sich das Volk auf den Berghöhen freute, stieg er, gewandter als das Gemstier, an schwindlicht hohen Felswänden zu den grünen Vorsprüngen der Grindeln, um mir Alpennelken, braune Muttern, süße Reifern, Grasengel, Goldkraut, oder auch nur die kleinen Enzianen mit dem brennenden Blau zu holen, die doch weit näher und gefahrloser zu finden waren.«
»Höre auf!« sagte Gideon mit verbissenem Grimm. »Vermutlich brachte er Dir auch diese Nacht den Strauß nicht ohne Leibes- und Lebensgefahr. Also dem übelberüchtigten Gesellen opferst Du Gideons Liebe und Treue? Nun denn, willkommen Rebellion und Bürgerkrieg! Lasset alle Furien los und machet die Manneskraft frei, daß jeder im rechten Werte erscheine. Ich habe andere Majestäten gesehen! Er ist verloren. Du bleibst die Meine; Dich hat mir Addrich gegeben; Du bist der Preis, СКАЧАТЬ