Название: Wilderer und Jäger Staffel 1
Автор: Anne Altenried
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Wilderer und Jäger Staffel
isbn: 9783740934996
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»Um Himmels willen, was ist geschehen?« fragte dieser.
Aber Anita vertraute sich ihm nicht an. Sie preßte die Lippen zusammen, als hätte sie sich geschworen, für den Rest ihres Lebens zu schweigen.
Der Söllner tat das einzig Richtige. Er respektierte dies und sorgte unterdessen fürs leibliche Wohl seiner Tochter. Als diese weniger blaß und verschreckt in trockenen Kleidern bei ihm saß, tätschelte er ihre Wange und sagte mit verhaltener Zärtlichkeit: »Wennst den Bertrammer partout net magst, Anita, soll’s halt so sein. Ich opfer doch dein Lebensglück net materiellen Dingen. Krieg ich’s nötige Geld net ohne den Bertrammer zusammen, werd ich bestimmt eine andere Möglichkeit finden, uns zwei vor dem Ärgsten zu bewahren.«
Erst staunte sie ihn an; dann schlug sie die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Der Söllner strich ihr tröstend über das inzwischen getrocknete Haar. Als seine Finger ihren Nacken berührten, stutzte er und blickte starr darauf nieder.
»Wo hast denn das Silberketterl vom Leo, das du bisher stets getragen hast, Anita?« erkundigte er sich.
Ihr Kopf ruckte hoch, während sie automatisch dorthin griff, wo das Kettchen mit dem silbernen A zu hängen und sie an den Bruder zu erinnern pflegte.
»Das – das ist net da…«, stellte sie stotternd fest.
»Sag ich doch. Wo ist es? Warum hast es abgelegt?« Der Söllner sprach nicht mehr beruhigend, sondern voller Mißtrauen. Er sah das Flackern in den schwarzen Augen seiner Tochter und stutzte wieder.
»Madl, Madl...«, sagte er kummervoll, »mach mir keine Schand. Stell mir den Burschen vor, der dich dermaßen verändert hat und sogar zum Schwindeln veranlaßt. Ist er an dieser Wandlung schuldlos, soll er mir willkommen sein – andernfalls…«
Der Söllner redete nicht weiter, als Anita hochschnellte und weinend hinausrannte. Er war entsetzt, besorgt und ratlos. Schmerzhaft wurde ihm klar, daß er wohl kaum eins der Probleme würde lösen können, die neuerdings sein Leben überschatteten.
Anita war in ihre Kammer geflüchtet und hatte sich abgeriegelt. Immer wieder fuhr sie mit der rechten Hand über ihren Hals. Sie war sicher, das Silberketterl verloren zu haben. Als ihr der Verdacht kam, wo und wobei es abgefallen sein könnte, schien die Schwüle vor dem heutigen Gewitter drückender als zuvor zurückzukehren.
Anita Söllner brachte es diesmal nicht fertig, lange zu trotzen und ihrem Stolz zu folgen. Sie wollte Lukas wiedersehen, zumindest erfahren, warum er nicht zur Jausenstation gekommen war. Es war schrecklich für sie, nicht zu wissen, wo sie mit der Suche nach ihm beginnen sollte. Von den Schützenbrüdern, die mit ihm am Tisch gesessen hatten, kannte ihn nämlich keiner.
Daheim, auf dem Hof, gab es jetzt zwei ernste Gesichter. Auch ihr Vater hatte Sorgen. Er wirkte erst dann erleichtert, als er den kleinen Wald günstig hatte verkaufen können, der seit über zweihundert Jahren zum Hof gehört hatte.
Anita war nicht anwesend, als der Bertrammer-Hannes erschien und ihren Vater aufgeregt fragte: »Warum hast dich net an mich gewandt, Söllner? Weshalb hast einem Fremden den Wald verkauft, anstatt mir? Ich hätt dir doch selbstverständlich aus der Notlag geholfen, hätt ich geahnt, wie dringend es war!«
»Ich helf mir schon allein. Die Trauer um Leo hat mich halt a bissel zurückgeworfen«, erwiderte der Söllner.
Hannes Bertrammer hatte aufgehorcht und sah ihn argwöhnisch an. Der Verdacht, der ihm kam, ließ ihn ins Schwitzen geraten.
»Hast gar einen Schwiegersohn mit prallem Geldsäckl in Aussicht?« erkundigte er sich in einem Ton, der nichts Gutes verhieß.
Der Söllner schaute ihn prüfend an. Ihm war, als sähe er seinen Nachbarn zum erstenmal so, wie er tatsächlich war.
Beide schwiegen sie in diesen Minuten, da sie sich kritisch musterten. Sie standen am Rande des Hofplatzes. Der Bertrammer war heute vom Söllner nicht freundlich aufgefordert worden, ins Haus zu kommen.
»Mein Madl wird gewiß den Richtigen wählen«, sagte der Söllner plötzlich. Er schob die Daumen unter die breiten Träger seiner Hose und blickte sinnend talwärts. »Ich werd mich da net mehr einmischen oder die Sach gar zu lenken versuchen. Vom Geld, das ich für den Waldverkauf erhalten hab, bleibt soviel übrig, daß ich mit weniger Sorge in die Zukunft schauen kann.«
»Wie schön für dich! Aber denk dran, daß deine Tochter sich auf die Dauer kaum mit einem solch bescheidenen Leben zufriedengeben wird«, entgegnete Hannes Bertrammer mit mühsam unterdrückter Wut. Dabei glitt ein böses Lächeln um seinen Mund.
»Schon möglich – junge Leut stecken voller Erwartung«, räumte der Söllner ein. »Ich rechne ja auch net damit, daß Anita hockenbleibt wie a Mauerblümerl. Bringt sie mir einen tüchtigen Schwiegersohn, schaffen wir zwei Mannsleut es ganz bestimmt, aus diesem Hof wieder Überschüsse herauszuholen.«
»Würd Anita mich heiraten…«, begann der Bertrammer voller Eifer, doch eine unwirsche Handbewegung des Söllner brachte ihn abrupt zum Schweigen.
»Sie wird dich net heiraten, weil sie dich net zum Mann haben will«, erklärte der Söllner mit schonungsloser Offenheit. »Da Liebe sich net zwingen läßt, solltest dich anderweitig nach einer Bäuerin umschauen, Bertrammer, und mein Madl endgültig in Ruh lassen.«
»Oho!« fuhr der Nachbar auf. »Dann ist’s dir wohl gleichgültig, mit wem sich Anita herumtreibt! Es sollt euch eine Ehr sein, daß ich trotzdem noch um sie geworben hab.«
Die Augen des Söllner hatten zornig aufgeblitzt. Sekundenlang hatte es den Anschein, als wollte er zuschlagen. Doch er umklammerte seine Hosenträger, verzog wie im Ekel das Gesicht und wandte sich achselzuckend ab.
Das hatte Hannes Bertrammer nicht erwartet. Sein Vermögen, sein Ansehen über die Dorfgrenze hinaus hatten ihm bisher Tür und Tor geöffnet und gar manch einen ihm gegenüber zum Schmeichler gemacht.
»Du – du…«, keuchte er in ohnmächtiger Wut und ballte die Hände zu Fäusten. »Hältst dich anscheinend für den Herrgott selber, was?!« schrie er außer sich, als er den Söllner so gelassen auf die Haustür zugehen sah. Mit einem Sprung setzte er ihm nach, ergriff ihn am Arm und wollte ihn festhalten.
Der Söllner – größer, stabiler und nicht rasend vor Zorn – schüttelte ihn ab wie eine lästige Fliege und sagte: »So weit geht die Nachbarschaft net. Verschwind! Für heut langt mir dein Besuch.«
»Ich verschwind, wann ich will!« schrie der Bertrammer, der außer Kontrolle geriet und im wahrsten Sinne des Wortes rot sah. In diesem Augenblick, da der Söllner ihn fast mitleidvoll anschaute, wünschte er ihm die Pest an den Hals.
»Du befindest dich auf meinem Hof«, erinnerte der Söllner mit aufreizender Ruhe. »Wennst net freiwillig gehst, helf ich halt nach.«
Da sprang der Bertrammer ihn mit einem Wutschrei an, wurde jedoch sogleich kräftig umfaßt und hochgehoben. Während er sich zappelnd und schreiend zu befreien versuchte, trug der Söllner ihn ein Stück über den Hof – und ließ ihn auf den Misthaufen fallen.
Wie betäubt blieb der Bertrammer sekundenlang liegen, nachdem er die Hände in den Dung gekrallt hatte. Der Söllner indes begab sich ins Haus und schloß mit Nachdruck die Tür.
Hannes СКАЧАТЬ